Amtsblatt der Stadt Steyr 1985/12

beiden Fabrikstrakte liegt darin, daß sie wohlerhaltene Repräsentanten jener klar und prägnant gestalteten, frühhistorischen Indu- striearchitektur für die Waffenfabrikation des Josef Werndl darstellen, die in ihrer Vertei- lung innerhalb des Wehrgrabenviertels und in der dementsprechenden städtebaulichen Verzahnung mit der spätmittelalterlich-re- naissancezeitlichen Gewerbestruktur ein an- schauliches, wirtschafts- und sozialgeschicht- liches Dokument für die Kontinuität der Eisenverarbeitung am Wehrgraben bei gleichzeitigem Übergang vom selbständigen Handwerkertum zum Arbeitertum an der Schwelle zum Industriezeitalter ist." ,,Grabe, wo du stehst" - Geschichtsfor- schung von Laien. Aufgrund dieser Aktion des ÖGB Oberösterreich, die in enger Zu- sammenarbeit mit dem Verein erfolgte, konnte umfangreiches Material bzw. Ausstel- lungsobjekte gefunden, gesammelt und auf- gearbei tet werden. Darüber hinaus besteht auch zu den Wissenschaftlern, die als Sach- bearbeiter im Rahmen der Vorbereitung der Landesausstellung 1987 tätig sind, ein enger Kontakt. Zur Erschließung weiterer Finanzierungs- quellen, aber auch um das Interesse der Offentlichkeit für das Museumsprojekt zu wecken, führt der Verein Museum Arbeits- welt bis Jänner 1986 eine Bausteinaktion durch. Diese erfolgt gemeinsam mit dem ÖGB und anderen Organisationen. Die Bau- steine wurden zum Wert von S 50.- und S 20.- aufgelegt und zeigen die Reproduktion des Steyrer Notge ldes aus dem Jahre 1921. Lebensräume durchwandern Hans Hoffer sagte zum Inszenierungs- und Gestaltungskonzept der Landesausstellung 1987 in Steyr: „Das Thema: ,Der arbeitende Mensch im Industriezeitalter' bedeutet Herausforderung und Anreiz zugleich für den Gestalter. Denn will er sich nicht auf die kalte Welt der Objekte und Maschinen zurückziehen (ihre alleinige Beweiskraft ist fragwürdig gewor- den) so sieht er sich vor die, meines Erach- tens unlösbare, Aufgabe gestellt, den Men- schen als komplexes und widersprüchliches Wesen, als den Benützer und Benützten der Maschinen darzustellen. Das erscheint mir fas t unmöglich ; wohl aber lohnt es sich, das nähere Umfeld dieses vom Rhythmus seiner Arbeit wesentlich betimmten und durch die Bedingungen geformten Menschen zu unter- suchen und das Ergebnis dieser ,Entdek- kungsreise' mit dem Wissen um die Zeit des historischen Geschehens in sinnlich erfahrba- re Bilder und Räume umzusetzen. Es entste- hen sogenannte ,Tatorte' in verschiedenen Maßstäben; sie haben zwar Beweiskraft, aber ohne Menschen gesehen genügen sie nicht. Die besondere Betonung des arbeitenden Menschen als Grundmotiv dieser Ausstellung führ te mich zur Idee einer Art von ,Besucher- theater', einer ,Besucherdramaturgie', die den Besucher zum lebenden Bestandteil der Aus- stellung machen kann . So wird der eine Besucher für andere Besucher z. B. zum Arbeiter, der sich über einen bis zum Bier- verschluß genau rekonstruierten Arbeitsplatz beugt, oder zum angstvoll Emporblickenden, der von Bomben bedroht wird, ein Besucher kann aber auch für andere zum Bestandteil einer Masse oder zum einzelnen Fabriks- Hauptgebäude des Museums Arbeitswelt. Im Erdgeschoß dieses Traktes werden Exponate als Beispiel der Industrialisierung in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts ausgestellt. Im Obergeschoß die Geräte der modernen Industriegesellschaft. Fotos: Hartlauer herrn werden ; zum Beobachteten durch elek- tronisch gesteuerte Kameras oder zum Beob- achter selbst mittels Elektronik usw. Die Besucher werden, indem sie ihre Eintrittskar- te an der Stechuhr markieren, in spielerischer Form zu Mitarbeitern und Akteuren der Inszenierung gemacht. Die Räume der Ausstellung (Museum) sollen im Durchwandern zu Lebensräumen werden, in denen die Besucher Bilder aus- wählen, die mit ihrem eigenen Leben zu tun haben. Eine weitere Herausforderung für den Gestalter stellt der Ort und die Zusammenar- beit mit der Architektengruppe dar. Eine aufgelassene Produktionsstätte nahe dem Fluß, in deren Hallen nun eine andere Form der Produktion stattfinden soll . Die Inszenie- rung beginnt ja schon mit der Entscheidung darüber, was bleibt von den historischen Gebäudeteilen, was bleibt nicht, was wird verändert und was wird neu erdacht. Die von J ,;,,; ' _-~ ~ ..~~1i • • :#., ... 11., """fllf , ../· ; den Architekten errichtete neue zwischen zwei historische Gebäudeteile geschobene Glasstahlhalle ermöglicht den Schritt in die Vergangenheit mit dem Blick der Gegenwart, das Wasser der Steyr durchzieht einer Le- bensader gleich das ganze Museum: Man hört und sieht es, man kann darauf von Eisenro- sten getragen gehen, es markiert ein Grund- motiv, Mensch und Energie. Die Besucher der Ausstellung (des Mu- seums) sind aufgefordert, sich beim Durch- wandern der einzelnen Stationen, beginnend bei der kleinen Holztür einer Handwerker- werkstatt, entlassen durch eine elektronisch gesteuerte Tür, ihr eigenes Museum, ihre eigene Ausstellung zu formulieren; im gro- ßen Spannungsfeld zwischen der Notwendig- keit der Arbeit als Form der menschlichen Existenz und dem uralten utopischen Traum der Menschheit: Leben, ohne arbeiten zu müssen, von Automaten umgeben." Die Gestaltung der großen Halle im Erdgeschoß des Hauptgebäudes wird im Zeichen der Dampfmaschine stehen. 7/387

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