Amtsblatt der Stadt Steyr 1985/8
Zehentes und des Burgfrieds mit einem Vertrag ab. Abt Martin Alopitius be- mühte sich dann mit Erfolg um Ab- schaffung der protestantischen Geistli- chen aus Steyr und die Wiedereinfüh- rung des katholischen Gottesdienstes. Mit dem ehemaligen Hofkaplan Abt Alexander di Lacu begann das katholi- sche Zwischenspiel, das bis 1608 dauern sollte. Nach Alexander, dieser ging als Abt nach Kremsmünster, schlug das Pendel wieder auf die andere Seite aus und Steyr war bis 1624 wieder eine protestantische Stadt. Immer wieder ~rachte das Eingreifen der Garstener Abte Bewegung in die Steyrer Verhält- nisse. Bei tatkräftigen Klostervorständen war die katholische Seite bestimmend, bei schwachen Äbten die protestanti- sche. 1615 wurde Anton Spindler- nicht zu verwechseln mit dem früheren Abt Ro- man Spindler - Abt von Garsten. Über sein Betreiben wurde 1616 in Steyr ein Kapuzinerkloster gegründet, obwohl der Steyrer Stadtrat dagegen war. Spindler weihte 1628 1.!t:n Taburfrieuhof t:in, ut:r 1584 als protestantischer Friedhof ent- standen war. 1624 war es mit der Tole- ranz gegenüber den Protestanten vorbei. Graf Herbersdorf erließ ein Auswei- sungsdekret. Lutherische Bücher wur- den konfisziert und verbrannt. Der Abt von Garsten wirkte in der Gegenrefor- mationskommission. Das bedeutendste Wirtschaftsgebäude der Renaissance in Österreich ist unbe- stritten der „Innerberger Stadel" am Steyrer Grünmarkt. Die Entstehungsge- schichte dieses prächtigen Bauwerkes nennt einige Meinungsverschiedenhei- ten zwischen Garsten und Steyr. Die Stadtobrigkeit plante den Bau eines Ge- bäudes, in dem ebenerdig Fleischbänke, in den oberen Stockwerken Getreide- sch üttböden untergebracht werden soll- ten. Als Baugrund faßte man den unte- ren Teil des Pfarrhofgartens ins Auge, der längs der südlichen Stadtmauer zum Grünmarkt abfiel. Von hier waren es dann nur wenige Schritte zum Ennsufer, wo die Schiffe anlegen und mit Lebens- mitteln für die Arbeiter im Innerberg (Eisenerz) beladen werden konnten. 1590 kam es wegen des dem Stifte Garsten gehörigen Grundes zum Ab- schluß eines Vertrages, worin die Ver- bauung dieses Grundes durch die Stadt genehmigt wurde. Türkenkriege, Bauernaufstand und Gegenreformation verhinderten lange die Ausführung des Vorhabens. Im Juni des Jahres 1611, als Abt Johann Wil- helm von Garsten (1601 bis 1613) vor- übergehend abwesend war, ließen die Steyrer im Pfarrhofgarten den Bauplatz abstecken und die Grundfeste legen. Es ist anzunehmen, daß der Garstener Abt den 1590 abgeschlossenen Vertrag nicht kannte. Er war daher sehr überrascht und erbost, als er nach seiner Rückkehr den begonnenen Bau sah. Er verlangte die Einstellung des Baues und die Auf- nahme von neuen Verhandlungen. Vier Mitglieder des Rates, die darauf nach Garsten entsandt wurden, betonten dem Abt gegenüber, daß ja schon früher über den Baugrund verhandelt worden wäre und nun statt der Fleischbänke eine Salzkammer eingerichtet werde. Der In- nerberger Stadel biete schließlich nicht allein der Stadt, sondern darüber hinaus dem gesamten Eisenwesen erhebliche Vorteile. Dem Landeshauptmann ge- genüber, dem gleichfalls eine Beschwer- de des Abtes zugegangen war, verteidig- te sich der Stadtrat in ähnlicher Weise. Es kam am 26. Juli 1611 zu einem gütlichen Vertrag. Der Abt bewilligte der Stadt Steyr die Benützung des Grundes zur Errichtung des Stadels un- ter der Bedingung, daß der Pfarrhof nicht beeinträchtigt werde. Das Gebäu- de wurde dann 1613 vollendet. Bald mußte man feststellen, daß in den eben- erdigen, feuchten Räumen die Salzein- lagerung nicht möglich war. Diese wur- de dann im sogenannten „Schiffmeister- haus" durchgeführt. Heute sind im „In- nerberger Stadel" das Steyrer Kripperl und die Sammlungen des Heimathauses untergebracht. Durch den nach dem hl. Berthold wohl bedeutendsten Abt Anselm Ange- rer hat Steyr eine weitere Beziehung zu Garsten. Angerer stand in den Jahren 1683 bis 1715 dem Kloster vor. Er wurde am 31. März 1647 in Steyr als Sohn des Messerers Urban Angerer geboren und erhielt bei der Taufe den Namen Wolf Siegmund. Anselm war denn sein Or- densname. Schon Ulrich IV. (1495 bis 1524) von Garsten war der Sohn einer reichen Steyrer Messererfamilie gewe- sen. Angerer legte 1665 die feierlichen Ge- lübde ab, wurde 1671 zum Priester ge- weiht, 1681 Subprior und im Türkenjahr 1683 Abt. Garsten wurde damals zum Mittelpunkt von Kunst und Wissen- schaft, dessen Auswirkungen auch die Stadt Steyr berührten. Dankbar erinnert man sich in Steyr an diesen großen Kirchenmann . Er bewog den Magistrat, den 1630 begonnenen Pfarrhof endlich 1687 fertigzustellen. Für die Stadtpfarr- kirche ließ er 1688 den Hochaltar mit einem Bild von Reselfeld anfertigen. 1692 weihte er fünf Altäre in diesem Gotteshaus und vier weitere in der da- mals noch bestehenden Spitalskirche. 1688 ließ Angerer d ie Reliquien der hl. Columba, die er aus Rom erhalten hat- te, in die Stadtpfarrkirche übertragen . Zwischen 1691 und 1693 veranlaßte er den Neubau des Schlosses Rosenegg. 1693 wurde in Garsten die neuerbaute Stiftskirche vom Bischof von Passau, Johann Philipp von Lamberg, dem Bru- der des in S_teyr residierenden Grafen von Lamberg, konsekriert. Abt Anselm war auch ein Förderer der Wallfahrt „Zum gnadenreichen Christkindl im Baum unterm Himmel". Die Grundsteinlegung der schönen nun- mehr renovierten Wallfahrtskirche war am 31. Mai 1708. Angerer hatte schon 1702 mit dem Bau der Kirche angefangen, doch nach Beseitigung von Hindernissen gab die Diözese Passau erst 1708 dem Abt die Erlaubnis, die Kirche weiterzubauen. Die Kirche war bis auf die Kuppel fertig, als am 29. September 1709 der erste Gottesdienst abgehalten wurde. Feierlich geweiht wurde die Kirche al- lerdings erst unter Angerers Nachfolger, Abt An1bros I. von Freudenpichl (1715 bis 1729), durch den Bischof von Passau, Josef Dominik Graf von Lamberg. Der heutige Pfarrhof, ehemals Superiorats- haus neben der Kirche, wurde ebenfalls von Abt Anselm Angerer begonnen und von seinem Nachfolger fertiggestellt. Das Benediktinerkloster Garsten fiel den josefinischen Aufhebungen zum Opfer. Schon vorher war der Einfluß Garstens auf Steyr fast geschwunden. Volker Lutz Literaturverzeichnis: ßodingbauer Adolf, Abt Anselm I. A nge- rer von Garsten. Veröffentlichungen des Kulturamtes der Stadt Steyr, Heft 2111960. Bodingbauer Adolf, Vom Innerberger Stadel zum Heimathaus Steyr. Ober- österreich, Jg. 11, 1961162, Heft 3/4. Dehio, Oberösterreich, die Kunstdenkmä- ler Österreichs, Wien 1958. 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