Amtsblatt der Stadt Steyr 1984/8

V om 2. August bis zum 30. Sep- tember 1884 fand in Steyr die ,,Electrische Landes-, Industrie-, Forst- und Culturhistorische Ausstellung" statt. Im Rahmen dieser Ver- anstaltungsreihe wurde die erste Straßen- beleuchtung Europas mit Strom aus Was- se rkraft installiert. Die entsprechende Beleuchtung der Straßen in Steyr stellte in früheren Zeiten ein großes Problem dar. Bis in die achtzi- ger Jahre des 17. Jahrhunderts hatte jeder Stadtbewohner, der bei Dunkelheit die Straße benützte, eine Laterne mitzutragen . 1687 ordnete der Kaiser die Beleuchtung der wichtigsten Straßen und Plätze im inneren Bereich der Stadt und in Steyrdorf an. Etwa fünfzig Jahre später wurden sechs Laternen in Ennsdorf angebracht. Die Laternen wurden von städtischen An- gestel lten mit Unschlitt gefü llt. Für das Anzünden waren die jeweiligen Hausbe- sitzer vcrantwortlicl1 . Laut Beschluß des Stadtrates vom 22. Dezember 1787 muß- tcn die Straßenlaternen im Winter fünf bis sechs Stunden leuchten. Bis zum Februar 1865 waren dann Lam- pen mit Rüböl in Verwendung. Der Kauf- mann Johann Scholz führte 1864 in Enns- dorf eine Probebeleuchtung mit Petroleum durch, die nach ihrem Erfolg auf die ganze Stadt ausgedehnt werden sollte. Aber schon vorher war ein Vertrag zur Einfüh- rung der Gasbeleuchtung abgeschlossen worden. Diese Vereinbarung mit der Gas- gesellschaft verzögerte die Einführung der elektrischen Beleuchtung, die schon 1879 in der „Steyrer Zeitung" diskutiert worden war. Josef Werndl hatte sich schon früh mit der Verwendbarkeit des elektrischen Stro- mes beschäftigt und fand bei seinen Zeit- genossen für seine Bestrebungen kaum Verständnis. Er besuchte auf einer sei ner Geschäftsreisen eine elektrotechnische Ausstellung in Paris. Bei einer „ Internatio- nalen elektrischen Ausstellung" in Wien ( 1883) reiften seine Pläne, eine ähnliche Veranstaltungsreihe in seiner Heimatstadt Steyr durchzuführen. Vor allem wollte er die Wasserkraft für die Erzeugung der neuen Energie benutzen. Bisher war näm- lich der elektrische Strom durch Dampf- maschinen produziert worden. So probier- te er im Juli 1883 elektrischen Strom zur Beleuchtung seiner Villa, seines Glashau- ses und des Schlosses Engelsegg aus. Bei der Wiener elektrischen Ausstellung lehnte es Josef Werndl ab, in das dortige Direktionskomitee einzutreten, wirkte aber tatkräftig bei den technischen Vorbe- reitungen mit. In Steyr dagegen trat er als Urheber auf, stellte seine Wasserkraftanla- gen und Gebäude zur Verfügung, beteilig- te sich aber weder an der Vorbereitung noch an der Durchführung. Wemdl hatte schon im November 1882 geplant, die Erzeugung elektrischer Maschinen und Beleuchtungsgegenstände in seiner Fabrik in Angriff zu nehmen, doch konnten die notwendigen Verhandlungen nicht ab- geschlossen werden, so daß er sich auf die Fabrikation anderer Artikel, nämlich Nähmaschinen, verlegen mußte, ,,damit ich (Werndl), weil es sonst an Arbeit fehlt, doch den Großteil von ihnen (den Arbei- tern) beschäftigen kann!". Doch gehörte Werndls Ansicht nach die Zukunft dem elektrischen Strom und der elektrischen Kraftübertragung. Die zu- nächst begonnene Produktion von Näh- maschinen wurde nach der Einigung mit den besten Fachleuten der damaligen Zeit auf dem Gebiete der Elektrotechnik, dar- unter auch Johann Siegmund Schuckert (geboren 1846), eingestellt, und die Werndlsche Waffenfabrik konnte „die Er- zeugung elektrodynamischer Maschinen und Lampen nach bestem System in die Hand nehmen!". Während der Wiener Ausstellung kündigte Werndl se in Vorha- ben an, 1884 in Steyr eine große elektri- sche Ausstellung durchzuführen, die den Beweis erbringen sollte, daß durch Was- serkraft elektrische Maschinen nutzbrin- gend in Bewegung gesetzt werden können . Für diese Exposition wurde am 26. No- vember 1883 ein Zentralkomitee gegrün- det, dem Fachausschüsse angeschlossen wurden, eine Organisationsform, die für die Durchführung des Festjahres 1980 wieder aufgegriffen werden sollte. Der Verwaltungsrat deT Österreichi- schen Waffenfabriksgesellschaft und Ob- mann des Zentralkomitees, Dr. Johann Hochhauser, führte damals aus: ,,Es war die schöne und billige Betriebskraft der Steyr, welche die Bürger dieser Stadt im- mer wieder zu neuer Tätigkeit heranrief. Die Wasserkraft der Steyr ist es auch, welche der elektrischen Ausstellung ihre ungeheure Bedeutung geben wird." - ,,Ei- ne allgemeine Verbreitung des herrlichen elektrischen Lichtes ist erst möglich, wenn billige Wasserkraft herangezogen wird. Die österreichischen Alpenländer sind reich an Bächen und Flüssen. Tausende von Pferdekräften verrinnen im Sande, Werte von Millionen werden nicht ge- nützt!" Auch Stimmen der Skepsis waren zu hören : ,, In Steyr will man sich unter- fangen, Elektrizität mittels Wasserkraft auf unverhältnismäßig billigere Weise als bisher zu erzeugen. Es gilt abzuwarten, ob sich die Wün ehe und Hoffnungen realisieren. Sicherlich handelt es sich um ein Projekt von ungeheurer wirtschaftlicher Bedeutung angesichts unserer großen heimischen Wasserkräfte!" Als Generalprobe für Steyr fand im September 1883 die unentgeltli- che elektrische Beleuchtung des LinLer Volksfestes statt. Am 2. August 1884 wur- de die Ausstellung in Steyr eröffnet, deren elektrotechnischer Teil zwei Monate lang im Mittelpunkt des allgemeinen Interesses stehen wird. Die Werndlsche Villa im Vogelsang fun- gierte als „Ausstellungspalais". Dort wur- de mit ca. 400 Glühlampen die Verwen- dung des Stromes zur Beleuchtung de- monstriert. Die Stromzufuhr erfolgte aus der Waffenfabrik im Wehrgraben, wo in den Objekten II , III, V und XI insgesmt 16 Dynamomaschinen in Betrieb waren. Vom Objekt I wurden elf Lampen am linken Steyrufer - bis zur Brücke - versorgt. Die Beleuchtung des Ennskais im Ort, der Ennsbrücke und der Bahnhofstraße, des Platzes in Zwischenbrücken, der Steyr- brücke, des Michaelerplatzes und des Stadtplatzes besorgte die Heindlmühle in Zwischenbrücken, die mit insgesamt acht Dynamos ausgerüstet war. Das Objekt IX setzte drei Dynamomaschinen für je 120 Steyr ersteeuropäIBche Stadt mit elektrischer Straßenbeleuchtung 18/262 swyr

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