Amtsblatt der Stadt Steyr 1984/6

I m Rahmen der „Steyrer Tage" in Ei- senerz sprach Dr. Volker Lutz in der traditionsreichen lnnerberger Gewerk- schaft zum genannten Thema. Das .,Amtsb/att der Stadt Steyr" bringt Aus- schnitte davon: „Der Anlaß, daß sich die Steyrer und die Eisenerzer an die jahrhundertelange wirtschaft liche Verbindung erinnern, ist die Steiermärkische Landesausstellung .Erz und Eisen in der Grünen Mark' in Eisenerz. Auch aus Steyr sind viele inter- essante Objekte nach Eisenerz gekommen. Die Sage ist ja bekannt, wo der gefange- ne Wassermann den Eisenerzern einen go luen cn Fuß, ein si lbern es Her;: und einen eisernen l lut anbietet, mit dem Bemeri-.en, Gold wühre nur kur,.c Zeit. das Silhcr nicht langc. abcr Fisen jedm:h illl lllcrdar. Dic klugen Eisencr,.er entschic Jen sich hierauf' für das l '.1scn, f'ür den Er1.hcrg. So die überlieferte Mär. Die historischc Wirklichkeit ist etwas anders. Er1. wird seit nannten ,Widmungsbezirken' , identisch mit den heutigen ,Eisenwurzen', einge- führt werden. Steyr war der wichtigste Innerberger Proviantmarkt. So entstand auch als Getreidespeicher der lnnerberger Stadel am Grünmarkt. Die Eisenstraße ist keine Erfindung der Neuzeit. Sie bestand schon zur Zeit der Römer. Über Trofaiach, Vordernberg, Prebichl und Eisenerz bis zur Enns nach- zuweisen. Noch im Spätmittelalter wurde sie von Großreining an wenig benützt, weil die Verladung des Eisens auf Flößen altes Herkommen war. Der Transport des Inncrbcrger Eisens auf Flößen war äußerst unwirtschaftlich und obendrein gefiihr li ch. Die Rentabilität konntc erst hci lknut1.ung von Schiffen nach dcr Regulierung dcr Enns und der Anlage eincs Schifl'wegcs gesleigcrt wcr- dcn. Den bestcn /\bsat1. fand das lnnerbergcr Eisen in Deutschland. l liindlcr aus Re- als Vorläufer der heutigen VOEST- ALPINE bezeichnet werden." * Dr. Lutz kam auch auf die Gemeinsam- keiten der traditionsreichen Eisenstadt Steyr und dem Innerberger Ort Eisenerz zu sprechen: „Geographisch ~ Eisenerz liegt an zwei Flüssen, am Erzbach und am Trofeng- bach, ähnlich wie Steyr an Enns und Steyr. In der Entstehungszeit war die Stand- ortwahl strategisch wichtig. Heute trägt sie zu der für den Gast reizvo ll en Lage beider Städte bei. Durch die Abhängigkeit vom wirtschaft- lichen Geschehen am Erzberg ist der Ver- lauf der Geschichte sehr ähnlich. Dies äußerte sich vor allem bei den Sakralbauten. Die herrliche Oswaldikirche in Eisenerz wurde um die.. Wende des 15. zum 16. Jahrhundert gotisch umgebaut. Die auch im 13. Jahrhundert erstmals genannte Pfarrkirche in Steyr wurde zur gleichen Zeit wie die Oswaldikirche umge- Die Innerberger Tradition verbindet Steyr und Eisenerz Urzeiten abgebaut. Auch die Römer kann - ten dieses reiche Lager. Nach der Völkerwanderung haben dann slawische Siedler den Abbau in Angriff genommen. Sie wurden um die Jahrtau- sendwende von bayerischen Einwanderern verdrängt. Und hier tritt dann Steyr in die Ge- sch ichte des l: r,.hcrges. Die Otakare von Steyr kamen in den Bcsit1. des Erzberges. Das hier produzierte Eiscn mußte nun in dic Residcn;, Steyr geliefert werden, und dicscr Eisenhandel war auch de r Grund f'ür dic spätcrc wirtschaftliche Blüte der 1 \iscnstad l. Die Otakare residierten bis 1122 in der Styraburg zu Steyr und verlegten dann ihren Regierungssitz hinunter nach Graz. Die Steiermark war ja ursprünglich die ,Mark um Steyr'. Das gemeinsame Wappen der Stadt Steyr und des Bundeslandes Steiermark erinnert an die gemeinsame Geschichte. Im Steyrer Stadtrecht von 1287, dessen Originalpergamenturkunde in der Landes- ausstellung zu sehen ist, wurde den Stey- rern unter anderem das dreitägige Stapel- recht für Innerberger Eisen bestätigt. Anfänglich produzierte die Bevölkerung im Umkreis des Erzberges selbst die un- entbehrl ichen Lebensmittel. Als die An- zahl der Arbeiter des Eisenwesens immer mehr zunahm, mußten die Lebensmittel aus angrenzenden Gebieten, den soge- 401204 gcnsburg, Passau , Ulm, Augsburg _,und Frankfurt/Main kamen nach Steyr. Uber diese Orte ging das Eisen nach Nord- und Westdeutsch land, nach Frankreich und über die Hafenstädte Westeuropas nach Britannien und Spanien. Gleichzeitig mit der raschen Entwick- lung des Handels ging der Aufstieg des Handwerks in Steyr vor sich. Selbstver- ständlich bezogen sich die ältesten Nach- richten auf die Eisenverarbeitung. In einer durch Eisenhandel und Eisen- verarbeitung begründeten wirtschaftlichen Blüte wurde in Steyr die Pfarrkirche er- richtet und das Bummerlhaus umgebaut. Maximilian, ,der letzte Ritter', der öfters in Steyr war, verlieh ,seiner' Stadt das Recht, sich aus der Bürgerschaft einen Bürger- meister zu wählen. Steyr als landesfürstliche Stadt hatte das Recht, neben den anderen Ständen Ver- treter in den oberösterreichischen Landtag zu entsenden. Sie mußten zum Unter- schied zu d iesen der Versammlung ste- hend beiwohnen, doch hatten die Vertre- ter aus Steyr damals stets Vorrang vor ihren Kollegen aus Linz und Wels. 1625 war eine ,Unwürde', ein wirtschaft- licher Niedergang, am Erzberg und so sch lossen sich alle, die mit der Eisenpro- duktion und mit dem Eisenhandel zu tun hatten, zu einem Konzern, zur ,lnnerber- ger Hauptgewerkschaft' zusammen. Diese Vereinigung war das damals größte Indu- strieunternehmen Österreichs und kann baut; wahrscheinlich sogar vom gleichen Baumeister. Der Kammerhof zu Eisenerz, das ehe- malige Amtsgebäude der Innerberger Hauptgewerkschaft, heute Ort der Landes- ausstellung, und der ,Innerberger Stadel', heute Steyrer Heimathaus, entstanden fast gleichzeitig. Die hochbarocken - ehemaligen - Hochaltarbilder der genannten Kirchen in Steyr und in Eisenerz stammen vom Maler Johann Carl von Reselfeld, der zu den bedeutendsten Barockmalern gehörte und im Dienste des Klosters Garsten bei Steyr stand. Im 19. Jahrhundert wurde die Eisener- zer Oswaldikirche regotisiert und der ab- gebrannte Turm der Steyrer Pfarrkirche errichtet. Beide Bauten leitete der Wiener Architekt Friedrich von Schmidt, der Ge- stalter des Wiener Rathauses . lm 16. und 17. Jahrhundert gab es viele verwandschaftliche Beziehungen zwischen Eisenerzern und Steyrer Bürgerfamilien. Die Vorfahren des Steyrer Stadtschreibers und Verfasser des Geschichtswerkes ,An- nales Styrensenses', Valentin Preuenhue- ber, war durch drei Generationen Rad- meister zu Eisenerz. Im ,Steyrer Kripperl', einer jahrhunder- tealten Stockpuppenbühne, ist noch der Geist zu sehen, der der Sage nach die Eisenerzer auf den Erzberg hingewiesen hat. Tm Steyrer Kripperl tritt er noch heute auf und begrüßt die ins Bergwerk einfah- renden Knappen mit seinem ,Glück auf."

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