Amtsblatt der Stadt Steyr 1984/1

Liebe Leser, mit dem Jahreswechsel 1983 / 84 haben sich in der Gemeindevertretung wesent- liche Veränderungen in personeller Hin- sicht ergeben. Unser Bürgermeister Franz Weiss hat in der Gemeinderatssitzung am 7. Juli 1983 erklärt, daß er mit Jahresende die Funktion des Bürgermeisters unserer Stadt zurücklegen werde. Unmittelbar dar- auf hat auch Stadtrat Konrad Kinzelhofer diese Erklärung abgegeben. Zum selben Zeitpunkt ist auch Gemeinderat Hermann Leithenmayr ausgeschieden, weil er die Funktion eines Abgeordneten zum Natio- nalrat von Herrn Abgeordneten Hans Heigl übernommen hat. Alle diese Funktionäre waren von der Sozialistischen Partei in ihre Funktionen bestellt worden und die SPO hat auch die Entscheidungen über die Nachfolge bereits im Herbst 1983 in ihren zuständigen Gremien getroffen. In der Ge- meinderatssitzung vom 10. Jänner 1984 wurden die entsprechenden Angelobun- gen und Beschlüsse über die personellen Nachfolgen getroffen. Als neue Gemeinde- räte wurden die Kindergärterin Frau lnge Probst, der Härtereiarbeiter Helmut Hanzlik und der Einsteller Ernst Platzer angelobt. Neu in den Stadtrat wurden Rudolf Pimsl und Rudolf Steinmaß/ gewählt. Zum ge- schäftsführenden Vizebürgermeister wurde Stadtrat Leopold Wippersberger bestellt und ich wurde vom Gemeinderat zum Bür- germeister unserer Stadt gewählt. Es ist si- cher für jeden Menschen, der in seinem Heimatort zum ersten Vertrauensmann ge- wählt wird, eine besondere Ehre und Aus- zeichnung, dieses Amt übernehmen zu können; auch ich betrachte dies so. Es ist aber auch eine große Verpflichtung gegen- über der Bevölkerung und den Menschen, die in dieser Gemeinde wohnen. Bürger- meister Franz Weiss hat in den vergange- nen zehn Jahren sehr viel für unsere Stadt geleistet und viele Aktivitäten und lnitiati- VP.n QP.SP.171 Wenn ich hier im besonderen an seinen großen Einsatz im Zusammen- hang mit der Gründung des BMW-Moto- renwerkes in Steyr denke, so wird sich dies auch für künftige Generationen sehr posi- tiv auswirken. Die besonderen Verdienste unseres Bürgermeisters werden an anderer Stelle noch entsprechend zu wür- digen sein. Liebe Steyrerinnen und Steyrer, ich habe nun zum ersten Mal in dieser Funktion die Möglichkeit, mich an Sie zu wenden. Ich darf Ihnen versichern, daß ich mich und mit mir alle ·Funktionäre der Gemeindever- tretung bemühen werden, nach bestem Wissen und Gewissen unsere Aufgabe zu erfüllen. Wir haben den Auftrag, für unsere Stadt und für die Bewohner unserer Ge- meinde zu arbeiten und wir werden alle Die Seite des Bürgermeisters \ ( Kraft einsetzen, um diesem Auftrag nach- kommen zu können. Jede Generation, liebe Leserinnen und Leser, hat ihre besonderen Probleme selbst und allein zu bewältigen und es gibt sicher immer wieder neue Situationen und Umstände, die bewältigt werden müssen. Ich habe in der Gemeinderatssitzung vom 10. Jänner /984 auf die vielen Sachproble- me ausführlich hingewiesen, die derzeit heranstehen, und möchte mich daher in diesem meinen Beitrag darüber nicht wei- ter äußern, weil ja auch über diese Sitzung in unserem Amtsblatt ausführlich berich tet wird und Sie sich darin eingehend infor- mieren können. Einige grundsätzliche Ge- danken möchte ich aber doch hier kurz anführen. Unsere Stadt mit dem historisch gewachsenen Stadtkern wird oftmals auch in internationalen Fachkreisen als Kleinod mittelalterlicher Städtebaukunst bezeich- net. Wir alle sinf} sehr stolz darauf, daß wir in dieser schönen Stadt leben können . Wir haben aber von dieser Schönheit nichts, wenn es uns nicht gelingt, diese Stadt mit Leben und Betriebsamkeit zu erfüllen. Vor- aussetzung dafür ist natürlich eine florie- rende Wirtschaft und die Möglichkeit, für alle Steyrerinnen und Steyrer die notwen- digen Beschäftigungsmöglichkeiten zu ha- ben. Leider ist es gerade diese wirtschaftli- che Entwicklung, die uns besonders in jüngster Zeit sehr große Sorgen bereiten muß. Von der weltweiten Wirtschaftskrise sind auch unsere Unternehmungen nicht verschont geblieben und der Konkurrenz- kampf besonders für unsere Industrien wird immer härter. Die Industrie und im be- sonderen die metallverarbeitende Industrie ist bei uns historisch gewachsen und ist für das Leben in unserer Stadt zweifellos der maßgeblichste Faktor. Nahezu alle ande- ren Wirtschaftszweige , wie Handel und Ge- werbe aber auch Mittelbetriebe, sind weit- gehend davon abhängig, wie die wirt- schaftliche Situation in unseren großen Unternehmungen ist. Die jüngsten Meldun- gen über die Auftragslage in unserem größten Betrieb, den Steyr-Werken, muß uns alle mit Sorge erfüllen. Bisher ist es dank der Solidarität aller Belegschaftsmit- glieder und dank des Einsatzes der Arbeit- nehmervertretung und des Verständnisses der Betriebsleitung gelungen, größere Ar- beitslosigkeit hin/anzuhalten. Wenn ver- mieden werden soll, daß ein Teil der Be- schäftigten in den Steyr-Werken in Not ge- rät, wird es neuerlich notwendig sein, Maß- nahmen zu setzen, die auch in der Vergan- genheit ihre Wirkung gehabt haben. Das bereits so oft gezeigte Verständnis der Be- schäftigten wird aber unterstützt werden müssen durch Maßnahmen seitens des Bundes und des Landes und wird werden gemeinsam alle Bemühungen treffen, da- mit hier auch die notwendige Hilfestellung erfolgt. Es ist Ihnen ja allen bekannt, daß zum ersten Mal in Steyr eine Arbeitstagung der österreichischen Bundesregierung in der Zeit vom 11. bis 13. Jänner 1984 im Stadtsaal Steyr unter der Leitung von Bun- deskanzler Fred Sinowatz stattgefunden hat. Die zuständigen Mitglieder der Bun- desregierung wurden sowohl von Beleg- schaftsvertretern als auch von Vertretern der Gemeinde über die Situation informiert und wir haben auch für unsere Sorgen Verständnis gefunden und hoffen, daß Hil- fe geleistet werden kann . Diese Klausurta- gung der Bundesregierung wurde aber nicht nur dazu benützt, um das Arbeitspro- gramm der Regierung zu behandeln, son- dern der Aufenthalt in Steyr wurde von den einzelnen Regierungsmitgliedern auch da- zu verwendet, um durch erhöhte Kontakte mit der Bevölkerung sich unmittelbar über deren Probleme zu informieren. So wurden Betriebsbesuche, Gasthausbesuche und sogar Hausbesuche von den Regierungs- mitgliedern absolviert, und in vielen Einzel- gesprächen wurde von der Bevölkerung in sehr offener Weise über die Probleme, die uns berühren, mit den verantwortlichen Damen und Herren diskutiert. Diese Kon- takte sind sicher zu begrüßen und ich bin auch froh darüber, daß gerade in dieser kritischen Situation Steyr als Tagungsort gewählt wurde. Ich bin sicher, daß die Er- kenntnisse und Erfahrungen, die die v_er- antwortlichen Damen und Herren in Oster- reich hier gewonnen haben, sich auch in ihren Beratungen entsprechend nieder- schlagen werden. Auch in der Kommunalpolitik wird es not- wendig sein, daß wir in Zukunft die Nähe zu unseren Bewohnern, zur Bevölkerung suchen. Ich glaube, daß jene Menschen, die Politik machen, diese nur dann richtig machen können, wenn sie die Probleme aus unmittelbarer Umgebung erfahren und kennenlernen. Wir haben bereits in der Vergangenheit einige Dienste eingerichtet, so darf ich auf den Bürgerdienst hinwei- sen, auf unsere Sozialdienste usw. ; ich glaube aber, daß darüber hinaus es not- wendig sein wird, daß wir in manchen Be- reichen noch mehr als bisher uns in Dis- kussionen mit einzelnen Bewohnern und mit Gruppierungen stellen werden und dann auch die richtigen Entscheidungen treffen können . Wir leben, liebe Steyrerin- nen und Steyrer, und ich habe das schon bei vielen Gelegenheiten gesagt, glückli- cherweise in einer Stadt, in der man sich noch kennt, und jeder von uns sollte alles tun, um dieses Kennenlernen noch zu ver- tiefen. Kümmern wir uns nicht nur um die eigenen Probleme, sondern auch um die Probleme des Nachbarn . Suchen wir das persönliche Gespräch; nur dieses persönli- che Gespräch führt auch zum gegenseiti- gen Verstehen . Zum Abschluß danke ich sehr herzlich für Ihr Verständnis und ver- binde mit diesem Dank auch den Wunsch für Ihr persönliches Wohlergehen und Er- folg im Jahre 1984. Heinrich Sehwart (Bürgermeister) 3

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