Amtsblatt der Stadt Steyr 1983/12

In dieser Hinsicht habe ich eine meiner wesentlichen Amtsverpflichtungen gesehen. Das Zusammenwirken der statutarisch ver- ankerten Fraktionen geht natürlich nicht im- mer reibungslos vor sich, was sich aus den ' unterschiedlichen ideologischen Auffassun- gen leicht erklären läßt. Trotzdem gab es ~.isher in den wesentlichen Fragen zumeist Ubereinstimmung, auch gemeinsame Be- schlüsse. Natürlich kommt auch manchmal ein persönliches ,Hick-Hack' vor, das mit der Sache selbst nichts zu tun hat, aber zumeist jenem selbst schadet, der es beginnt. Dennoch sind diese Entgleisungen vergli- chen mit jenen im Parlament, wie wir es oft täglich auf dem Bildschirm miterleben, rela- tiv harmlos. Ein Grund dafür mag sicherlich auch das fehlen von Immunität sein. Ich halte diese Schutzklausel nur für bedingt richtig, was ich nicht nur mit der aktuellen Situation begründen möchte. Die Aussagen von Spitzenpolitikern in der Pressestunde oder bei den Nachrichten gip- feln manchesmal in persönlichen Gehässig- keiten und Unterstellungen, die zu größten Bedenken Anlaß geben und an die Zeiten der Vergangenheit erinnern. Die Folge dieser Auswüchse kommt in der sogenannten ,Poli- tikverdrossenheit' besonders bei jungen Leu- ten zur Geltung und kann als mitverantwort- lich für eine laufende Verringerung des Wäh- lerinteresses gemacht werden. Diese Vergrö- berung der politischen Sitten findet ihren Kontrast dann, wenn am gleichen Tag bei einem festlichen Ereignis die scheinbaren Todfeinde sich wieder freundschaftlich mit ~.em Du-Wort begegnen und dies der breiten Offentlichkeit via Bildschirm gezeigt wird. Der einfache Mann versteht dann die Welt nicht mehr und denkt sich sein Teil. Der sowieso von den Medien genährte Zweifel an der Korrektheit von Spitzenfunk- tionären findet dann einen guten Nährboden. Mehr Zurückhaltung im Interesse der politi- schen Glaubwürdigkeit wäre in dieser Zeit höchst angebracht. So gesehen hält den Gemeinderat der Stadt Steyr doch eine Atmosphäre des ge- meinsamen Wollens zusammen, und wo dies nicht erreichbar ist, ist es durchaus demokra- tisch, Entscheidungen nach dem Mehrheits- prinzip herbeizuführen. Es freut mich daher, daß in meiner Bürger- meisterzeit eine Reihe von Entwicklungen für die Stadt Steyr eingeleitet werden konnte und der Ausfluß dieser Geschehnisse auch noch weiterwirkt. Deshalb habe ich während meiner Amts- führung auch nie Geschehnisse treiben las- sen, sondern versucht, federführend gemein- sam mit dem Magistratsdirektor und den zuständigen Vorständen und Fachbeamten die Ereignisse zu beeinflussen. Nichts kommt uns nämlich so teuer zu stehen wie billige Wahrheiten, nur um des augenblicklichen Vorteils willen oder um Beliebtheit zu werben. Mit den Worten eines gescheiten Mannes zu reden heißt das: ,Die Leute wollen zwar lieber eine gut gemeinte als ein gute Politik. Eine gut gemeinte Politik ist aber sehr häufig das genaue Gegenteil einer guten Politik.' Steyr hat im Laufe der lOOOjährigen Ge- schichte einige besondere Privilegien verlie- hen erhalten, wovon das weitreichendste je- nes von Herzog Albrecht I. aus dem Jahre 1287 ist. In diesem findet sich ein Satz, der heute nicht weniger Gültigkeit besitzt als damals. Dieser lautet: ,Wer immer teilnimmt an der Freiheit des Handels oder den Rechten der Stadt Steyr, soll auch die bürgerlichen Lasten mittragen.' Die Schwierigkeiten der Gegenwartszeit zwingen uns, den tieferen Sinn dieses Satzes zu begreifen und zeigen uns wie damals so auch heute, daß das Leben nicht in einer Einbahn, sondern nur im Kreislauf funktio- nieren kann. Aus diesem Grund strebte ich von Beginn an einer kommunalpolitischen Dynamik zu, zumal in diesen zehn Jahren der wirtschaftli- che Kulminationspunkt erreicht und über- schritten wurde. Viele der getätigten Ausga- ben dienten dem wirtschaftlichen Kreislauf, der Verkehrsbewältigung mit entsprechenden Sicherheitseinrichtungen für die Straßenpas- santen, und besonders hohe Ausgaben wur- den bereits in die Erhaltung einer sauberen Umwelt investiert. Bis zur Fertigstellung der Großkläranlage für sieben Gemeinden und dem dazugehörenden Kanalnetz im Jahre 1985 sind in etwa 450 bis 500 Millionen Schilling investiert. Das große Sorgenkind der Zukunft ist die geordnete Beseitigung der anfallenden Müllmengen. Die Errichtung neuer Brücken über den Enns- und Steyr- Fluß, der Ausbau des innerstädtischen Ver- kehrsringes mit der Vollendung des Tunnel- abstieges in die Steyr-Niederung verursa- chen erhebliche Kosten. Das große Stadtjubiläum im Jahre 1980 trug sehr viel zur Identifikation der Steyrer zu ihrer Stadt bei und hob diese weit hinein in das internationale Blickfeld. Die Auswir- kungen zeigen sich in dem großen Interesse von Städten in anderen Ländern, mit uns in engere Kontakte zu treten. Neben Kettering in den USA und Plauen in der DDR sind gegenwärtig Gespräche mit der Stadt Kotor im südlichen Jugoslawien im Gange. Die Erneuerung des ehemaligen Volkski- nos zu einem modernen Theater, der Bau eines Stadtsaales, die Renovierung und Wie- derinbetriebnahme des 200 Jahre a lten Thea- ters in der Berggasse dienen neben dem Veranstaltungszentrum in Münichholz einem breit gefächerten Kulturleben. Die sozialen Aspekte fanden ihre Berücksichtigung in der Schaffung des Seniorenpasses, den gegenwär- tig mehr als 5000 Steyrer beziehen. lm wirtschaftlichen Bereich gelang es, Maßnahmen zu setzen, die weit über die Erwartungen hinausgehen. Es dürfte auch ziemlich einmalig sein, daß einer Abordnung der Stadt Steyr die Möglichkeit gegeben wurde, die Probleme der Region dem Bun- deskanzler und der gesamten Bundesregie- rung in einer dreistündigen Besprechung per- sönlich zu unterbreiten. Ein Ausfluß dieser Gespräche war mit die Ansiedlung des BMW-Motorenwerkes in Steyr. Hier hat sich der Gemeinderat mit seinen Beschlüssen weit über die Grenzen üblicher Schritte engagiert, weshalb es durchaus verständlich ist, daß bei der zweiten Förderungsphase in Höhe von 34 Millionen Schilling eine vermehrte Beschäfti- gung von Mitarbeitern aus der Stadt Steyr verlangt wird. Der Ausbau der metallfremden Firma Sommerhuber ist auch ein Schritt im Sinne der Strukturverbesserung. Mit der Ansied- lung von Großkaufhäusern, die von wissen- schaftlichen Experten ursprünglich als un- zweckmäßig bezeichnet wurde, hat sich eine zusätzliche Versorgungspalette entwickelt. Das solide Unternehmen der Firma GFM trägt den Namen Steyr ebenso in alle Welt wie die Produkte der Steyr-Daimler-Puch AG. Allerdings sind hier Sorgen insofern am Platz, als die Zeit der Hochkonjunktur vor- über ist und in den letzten Jahren mehr Arbeitsplätze eingespart werden mußten, als z. B. bei BMW entstehen. Die Förderung dieser Entwicklungen hat nicht nur beträchtliche Finanzierungshilfen seitens der Gemeinde verlangt, sowohl im Industriebereich als auch in der Gewerbeför- derung und der Vergrößerung des Handels- volumens für ein irrtmer weiter werdendes Einzugsgebiet. Eine wesentliche Leitlinie für die Entschei- dungen des Gemeinderates war das 1975 gedanklich mit dem damaligen Magistratsdi- rektor OSR Dr. Eder besprochene und 1976 von uns gemeinsam verfaßte Entwicklungs- konzept für die Stadt Steyr und die Umland- region. Der einstimmige Gemeinderatsbeschluß vom Februar 1977 deckte das weitere Vorge- hen. Dieses Konzept wird von sogenannten 91409

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