Amtsblatt der Stadt Steyr 1983/12

us Anlaß der Beendigung seiner ak- tiven Dienstzeit als Bür_germeister der Stadt Steyr und den Ubertritt in den Ruhestand gab Franz Weiss am 7. Dezember für die Vertreter des öffentlichen Lebens und der Wirtschaft im Festsaal des Rarhauses einen Empfang. In seiner Rede fuhrre Bürgermeister Weiss u. a. wörtlich aus: Die Beendigung der Berufslaufbahn ist eine deutliche Zäsur im Leben eines Men- schen, da sich damit gewohnte Lebensabläu- fe und Verhaltensweisen anderen, neuen Umständen anzupassen haben. Auch ich stehe nun unmittelbar vor dem dritten Lebensabschnitt, der am 1. Jänner des kommenden Jahres mit meiner Pensionie- rung beginnt. Wohlweislich habe ich diesen Schritt geprüft, überlegt, mit der Familie besprochen und schließlich am 7. Juli dieses Jahres dem Gemeinderat zur Kenntnis ge- bracht. In einer nahezu zehnjährigen Amtsführung als Bürgermeister der Stadt Steyr und insge- samt 18jähriger Zugehörigkeit zum Gemein- derat kam ich mit so vielen Menschen in Berührung, daß es mir ein Bedürfnis ist, mich wenigstens bei den Repräsentanten öffentli- cher Einrichtungen, der Wirtschaft, des Kul- tur- und Soziallebens und natürlich auch von den wichtigsten Vertretern in der Politik persönlich zu verabschieden. Würde ich je- mals gefragt werden, in welcher politischen Funktion ich meine größte berufliche Erfül- lung sehen würde, müßte ich in Kenntnis der politischen Gesamtlandschaft wieder die Bürgermeisterfunktion bevorzugen. Sie ist es nämlich , die am ehesten meinem Herkom- men , der Art meiner Weiterbildung, der persönlichen Ambition und nach der politi- schen Überzeugung am meisten zusagt. Allein schon der Umstand, daß die Vielsei- tigkeit Jer Bürgermeisterfunktion kaum ei- nen Bereich des Gemeinschaftslebens aus- läßt, Jrängt mich zu dieser Auffassung. Aus meiner Kindheitserfahrung habe ich mich in jungen Jahren nie für eine politische Funktion oder für eine aktive politische Ar- beit interessiert, sondern fand mein Betäti- gungsfeld im Sport. Neben den familiären Pflichten versuchte ich über den Zweiten Bildungsweg meine beruflichen Kenntnisse 8/408 zu erweitern, im Bestreben auch tatsächlich weiterzukommen. Die Ernennung zum Mei- ster bzw. Obermeister in den Steyr-Werken waren der vermeintliche Höhepunkt dieses Bemühens. Aus dieser gesicherten Berufsposition wur- de ich aus den Umständen heraus in eine gewerkschaftliche Tätigkeit als Betriebsrats- obmann der Angestellten berufen. Statt ei- ner Übergangszeit von zwei Jahren wurden daraus 17 Jahre. In dieser Zeit hatte ich Gelegenheit, über gewerkschaftliche und so- zialpolitische Einrichtungen mein Wissen zu- sätzlich zu erweitern und neue Erfahrungen zu sammeln. Als große Lehrmeister in dieser Zeit begeg- nete ich dem Mitverfasser des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes und späteren Drillen Präsidenten des Nationalrates Fried- rich 111 LLEG EIST und dem früheren Sozial- minister und Vizekanzler Ing. Rudolf HÄU- SER. In vielen Seminaren der Gewerkschaft bezog ich mein Wissen über wirtschaftliche Zusammenhänge durch Referate des aner- kannten Fachmannes und derzeitigen Gene- raldirektor der Nationalbank, Dr. Heinz KIENZEL. In dieser Zeil lernte ich auch, daß es nicht wesentlich ist, nur den guten Willen für Hilfe zu zeigen. Entscheidend für Jen, den es angeht. ist das Ergebnis der Hilfe. Dazwi- schen liegt jener Teil der Arbeit, der nicht nur ausschlaggebend für den Erfolg ist, son- dern auch persönliches Engagement verlangt. Die gleichen Grundsätze gelten für mich auch im politischen Leben, wo nach meiner Erkenntnis viel zu oft das taktische Verhalten oder das Werben um persönliche Beliebtheit und weniger der Wille zur Entscheidung und zum forL~chrittlichen Handeln erkennbar ist. In dieser Stunde kann ich wirklich von einem erfüllten Berufsleben sprechen, zumal mir als Bub einer fünfköpfigen Arbeiterfami- lie mein Werdegang nicht vorgezeichnet war. Die Hoffnungslosigkeit in den zwanziger und dreißiger Jahren ließen Zukunftspläne be- sonderer Art gar nicht aufkommen. Den Wünschen meines Vaters folgend, hätte ich 1934 nach Beendigung der Haupt- schule und Übersiedlung der Familie nach Linz eine bereits reservierte Lehrstelle als Rauchfangkehrer antreten sollen. Der Bürgerkrieg 1934, bei dem mein Vater während der Kämpfe in Linz ums Leben kam, änderte radikal die Familiensituation. Heute ist es nur ein sehr geringer Trost, daß kürzlich der Herr Bundespräsident meinem Vater das Ehrenzeichen für den Kampf um die Befreiung Österreichs posthum 50 Jahre danach verlieh. Die Not dieser iZ:eit zwang mich nicht zu warten, bis fremde'Hilfe ange- boten wurde. Trotzdem muß ich heute noch einigen Personen in dankbarer Erinnerung für ihre Hilfe gedenken. Der heutigen Jugend die Entbehrungen dieser Zeit jetzt zuzumuten, würde dazu führen, unsozial genannt zu werden. Um so mehr habe ich meine Aufgabe als Bürgermei- ster vornehmlich stets darin gesehen, das Los der Generation, die all diese Bitternisse eben- falls durchlebt hat, so gut es kommunalpoli- tisch ging, zu verbessern. Ein altes Sprichwort sagt: ,Wo gehobelt wird, fallen Späne.' Auch von mir sind solche erzeugt worden; manchmal feinere, manchmal auch gröbere, wobei ich nie darauf bedacht war, mich an jemand zu reiben, es sei denn, ich wurde dazu herausgefordert. Die ständige Suche nach neuen Entfaltungsmöglichkeiten, das Finden von richtigen Maßnahmen und das Umsetzen in klare Entscheidungen konnte zwangsläufig nicht immer die Zustimmung aller finden. Aber ich handelte dabei stets immer nach dem Sprichwort eines bekannten Mannes, der sagte: ,Vieles wird nicht gewagt, weil es schwer erscheint. Vieles scheint aber nur darum schwer, weil es nicht gewagt wird.' Die Erfahrungen meines Lebens haben mich nicht nur in dieser Haltung bestärkt, sondern auch in der Auffassung, daß der Bürgermeister nicht nur zu verwalten hat, dazu sind die Dienststellen des Magistrates geschaffen, sondern daß die Gemeindepolitik im Erkennen von Bedürfnissen, von Notwen- digkeiten und von Chancen besteht, damit das Leben in Bewegung bleibt, wozu zeitge- rechte und klare Entscheidungen vorausge- setzt werden müssen. Die große Zahl von gemeinsam und ein- stimmig gefaßten Beschlüssen im Gemeinde- rat oder im Stadtsenat bezeugen, daß aus den richtigen Motiven heraus die vorgebrachten Argumente ausgereicht haben, zu diesen Er- gebnissen zu gelangen. Am Ende meiner gern ausgeübten Amts- funktion, deren Verantwortung ich mich nie entzogen habe, auch wenn sie mit großen Belastungen verbunden ist, erlauben Sie mir auch einen Blick in die politische Landschaft. Die Stadt Steyr, deren 77. Bürgermeister seit dem Jahre 1500 ich bin, ist neben Linz und Wels eine Stadt mit eigenem Statut und somit auch Sitz einer Bezirksverwaltung. Das Statut sieht die Wahl von 36 Gemein- deräten, davon einen Bürgermeister, zwei Stellvertreter und weitere sechs Mitglieder des Stadtsenates vor. Bereits die dritte Ge- meinderatsperiode ist die Aufteilung__ unver- ändert mit 24 Mitgliedern von der SPO, neun von der ÖVP, zwei von der FPÖ und einem Kommunisten. Aus diesen Zahlen läßt sich eine gewisse Kontinuität ableiten, die für das politische Geschehen in Steyr auch die Stabilität der Parteienlandschaft zeigt. Wenngleich die Kompetenzaufteilung klargestellt ist, fällt dem Bürgermeister stets das Hauptgewicht der Verantwortung zu.

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