Amtsblatt der Stadt Steyr 1983/11

,,Allda nichts als Elend . . ,,, • • Die „Dienstreise" des Steyrer Bürgermeisters Gregor Schinnerer im Türkenjahr 1683 In der Folge 9 des Amtsblattes der Stadt Steyr wurde das interessante Thema „Steyr und das Türkenjahr 1683" behandelt. Einen ungemein farbigen Bericht über diese unru- hige Zeit überliefert uns der damalige Bür- germeister der Stadt Steyr, Gregor Schinne- rer von Sehinnern, der die Geschehnisse um Wien und im niederösterreichischen Raum selbst erlebte. Gregor Schinnerer - seine Amtszeit als Bürgermeister war von 1678 bis 1687 - kam erst nach der Gegenreformation nach Steyr. Erstmals wird er hier im Jahre 1647 genannt. Bis ca. 1652 betrieb er im Hause Enge Nr. 14 eine Gastwirtschaft. Nach- dem er dieses Objekt verkauft hatte, wird er um 1669 als Besitzer des Hauses Stadt- platz 12 genannt und übte dort den ein- träglichen Eisenhandel aus (das Haus Grünmarkt Nr. 23 hat er nie besessen. Bei Posch liegt hier eine Verwechslung mit Gregor Schinnerer jun. vor. Auch einige Lebensdaten des Gregor Schinnerer sen. sind bei Posch nicht stichhältig). Von 1675 bis zu seinem Tode war Schinnerer Ober- vorgeher der Innerberger Hauptgewerk- schaft. In dieser Funktion machte er die denkwürdige Reise nach Wien. Tn Steyr ~irkte Schinnerer auch als Mitglied des Außeren und des Inneren Rates, als Kom- missär und Inspektor des Messererhand- werkes, <1ls Verwalter des Bruderhauses und als Schulinspektor. Schinnerer legte am 14. März 1678 sei- nen Amtseid als Bürgermeister ab. Am 3. Juni wurde er der Bürgerschaft als neues Stadtoberhaupt vorgestellt. Im Mai 1682 wurde er als Bürgermeister bestätigt. Schinnerer wurde auch 1686 und 1687 an die Spitze der Stadt Steyr berufen . In seine bewegte Amtsze it fielen 1679 eine Pestepi- demie, der Türkeneinfall von 1683, der Besuch Leopolds I. im August 1680, der Weiterbau des Stadtpfarrhofes, die Repa- raturen der Stadtmauer zwischen Glein- ker- und Schuhbodentor, die Erweiterung des Zölestinerinnenklosters „am Berg", der Ankauf eine Wasserspritze zur Brand- bekämpfung, die Einführung des „Melde- zettels" in Steyr, die Einführung der Stra- ßenbeleuchtung und die Bestuhlung der ,,Neuen" Ratsstube. Als Kinder werden fünf Söhne (Wolf Christoph, Johann Zacharias, Gottlieb, Maximilian und Gregor) und zwei Töchter (Maria Clara und Anna Polixena) ge- nannt. 28/392 1687 - vier Jahre nach dem Türkenjahr - wurde Gregor Schinnerer von Kaiser Leopold I. der Titel eines „Kaiserlichen Rates" mit dem Prädikat „von Sehinnern" verliehen. Als Ratssenior nahm er am 13. September 1690 zum letztenmal an einer Sitzung des Inneren Rates teil. Am 25. Oktober des gleichen Jahres starb er im Alter von 78 Jahren und wurde auf dem Taborfriedhof begraben. Gregor Schinnerer reiste am 8. Juli 1683 mit seinem gleichnamigen Sohn und dem Bediensteten der Innerberger Hauptge- werkschaft Kueffart von Steyr mit einem Schiff nach Wien ab. Schinnerer führte eintausend 24pfündige Kartaunenkugeln und 250 Zentner Stahl mit sich. Die Lage war noch ruhig. Von der Vernichtung des kaiserlichen Trosses bei Regelsbrunn am 7. Juli war noch keine Kunde nach Steyr gedrungen. ln der Nacht zum 9. Juli erreichte Schinnerer Krems, wo er in einer größeren Schar von Flüchtlingen eine der Auswirkungen der nahenden Türkenge- fahr kennenlernte. Er traf dort auch den aus Wien geflohenen kaiserlichen Hofstaat und berichtete über dessen Flucht. Am 7. Juli um sechs Uhr abends sei von der Abreise des Hofes noch keine Rede gewe- sen, aber zwei Stunden später habe der Kaiser Leopold 1., seine hochschwangere Gattin Eleonore von Pfalz-Neuburg, der Erzherzog Josef und die Erzherzogin Ma- ria Antonia eilends durch die Stadttore Wien verlassen. Denn durch den überra- schenden Vorstoß der Türken war die militärische Lage äußerst kritisch. Kaiser- liche Truppenteile waren vom Hauptheer abgeschnitten worden. Kuriere mit Hil- feersuchen waren auch nach Polen abge- gangen. Fünfzehntausend polnische Krie- ger sollten zu den vierzigtausend kaiserli- chen Soldaten stoßen. ,,Gott gebe, daß es wahr sei , sonst wird es übel stehen!" (so Schinnerer). Wien solle versperrt sein. Schinnerer machte sich Sorgen, wie er in die Residenzstadt hinein ·und mit den den Seinen wiederum herauskäme. ,,Das Landvolk läuft von den Häusern hinweg, es fahrt ein Wagen nach dem anderen mit Kindern und Weibern. Die Obrigkeiten haben (sie) verlassen. Es sind keine An- stalten (zum Schutz und zur Verteidigung) gemacht worden. Der Wienerwald aber solle gesichert sein! Das geschnittene und ungeschnittene Getreide bleibt am Feld. Niemand, der es einbringt, ist vorhanden. Wie es hier zugehet, kann sich jeder leicht vorstellen!" - ,,Das Tullnerfeld bis Krems und St. Pölten ganz versengt und ver- brannt worden (unrichtig!) Das Elend der armen Untertanen ist nicht zu beschrei- ben. Weib und Kind liegen wie das wilde Vieh in den Auen, Hunger und Kummer kommen auf!" Schinnerer sandte seinen Sohn Gregor und den Mitarbeiter Kueffart voraus, um die Lage zu erkunden. Er selbst brachte zunächst die zweihundertfünfzig Zentner Rohstahl, die er neben den Kugeln mit sich führte, in Sicherheit. Schinnerer nahm in Krems Verbindung mit den dort anwe- senden Mitgliedern des Hofstaates, dem Markgrafen Hermann von Baden, dem Obersthofmeister Albrecht Graf von Zin- zendorf und dem Vizekammerpräsidenten auf, mit der Frage, was mit der mitgeführ- ten Munition geschehen solle. Schinnerer bekam den Auftrag, umgehend seine Wa- ren in die Residenzstadt Wien zu bringen und wenn möglich, weiteren Nachschub aus Weyer bzw. Steyr zu besorgen. Wäh- rend der kaiserliche Hof seine Flucht nach Westen fortsetzte (9. und 10. Juli - Melk, 11. Juli - Amstetten, 12. Juli - Enns, 13. und 14. Juli - Linz. Vom 17. Juli bis zum 25. August residierte Leopold I. dann in Passau), reiste Schinnerer mit seiner Be- gleitung über Tulln nach Wien, wo er am IO. Juli ankam „allda nichts als Elend über Elend gleich am Anfang zu sehen gewe- sen!" In Erledigung des Auftrages seitens der Mitglieder des Hofstaates in Krems bat Schinnerer in Anbetracht der Gefähr- dung der Stadt Wien die Innerberger Hauptgewerkschaft möglichst viel Muni- tion dorthin abgehen zu lassen, denn es liegt nicht nur der Kaiserlichen Majestät, sondern der ganzen Christenheit unglauh- Iich viel daran!" Vor allem sind 24- und 12pfündige Kugeln sowie dreihundert Wurfschaufe ln dringend vonnöten - ,,An der Bezahlung solle nicht gezweifelt wer- den! " Schinnerer hatte für den Nachschub einen Generalpaß für sich, seine Leute und Zillen usw. erhalten, so daß keine Beh inderung seitens der Behörde zu be- fürchten war. In der Wiener Josefstadt fand Schinnerer Kavallerieabteilungen vor, doch keine Infanterie, geschweige Artillerie. Die Bürgerschaft und die Stu- denten waren gerade im Begriff, mit Waf- fen versehen zu werden. Zwei Tage - den 11. und 12. Juli mußte sich Schinnerer gedulden, bis er die Kartaunenkugeln mit

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