Amtsblatt der Stadt Steyr 1983/9

Steyr und das Türkenjahr 1683 Die Gefahr von 1683 sollte nicht die erste Bedrohung unserer Heimat durch die Türken in diesem Jahrhundert sein. Schon zwei Jahrzehnte vorher war der Großwesir Achmed Köprülü nach erfolglosen Frie- densverhandlungen mit einer bedeuten- den Heeresmacht nach Westen aufgebro- chen. Im Land ob der Enns fürchtete man mit Recht einen Angriff, und die Stände lie- ßen im Juni 1663 die Ennsufer befestigen. Die Stadt Steyr erfaßte listenmäßig alle gedienten Soldaten und legte ein Inventar der vorhandenen schweren Geschütze an. Nichtbewaffm:te Bürger rüstete der Stadt- rat auf seine Kosten mit entsprechenden Waffen aus. Eiserne Kanonenkugeln wur- den in großer Anzahl hergestellt, Schran- ken und Wachhäuser errichtet. Die Veran- lassungen bezüglich der Instandsetzung der Geschütze, der Anschaffung von Pul- ver und Kanonenkugeln erforderten einen Betrag von über 1500 11. 26/318 Die in Steyr ausgehobenen Bürger wur- den mit der Verteidigung ihrer l leimat- stadt beauftragt und an ihren Eid erinnert, stets dem Landesfürsten die Treue zu halten. Der für die gesamte Landesvertei- digung verantwortliche Heinrich Wilhelm von Starhemberg prüfte die Veranlassun- gen der Stadt, vor allem die Bewaffnung der Bürgerschaft. Er logierte während sei- nes Aufenthaltes im Gasthof Aichhol1.er (Stadtplatz 14). Diese Türkengefahr wurde durch den Sieg des kaiserlichen ! leeres unter Rai- mund Graf Montecuccoli am 1. August 1664 bei Mogersdorf in der Niihi.: von St. Gotthard an der Raab vorübi.:rgchcnd ab- gewendet. Achmed Küprülü bequemte sich zu Verhandlungen, die schon am 10. August mit dem Friedensschluß von Vas- var (Eisenburg) abgeschlossen wurden. Doch seine Bedingungi.:n entsprachen nicht dem Kriegsausgang. Kunstvoll gearbeite- ter Türklopfer mit Türkenhaupt am Stadtpfarrhof Brucknerplatz. Foto: Hartlauer Die unmittelbare Bedrohung war zwar beseitigt, doch die finanziellen Anforde- rungen belasteten weiterhin das städtische Budget. Im Mai 1664 mußte der damalige Bürgermeister Maximilian Luckner sogar aus seinem Privatvermögen der Stadt ein Darlehen zur Bestreitung der kommuna- len Ausgaben geben. Die wirtschaftliche Lage der Stadt wur- tle durch die hohen Steuern, die einen völligen Niedergang der Gewerbetätigkeit mit sich brachten, durch Truppeneinquar- tierungen und durch das Auswandern vie- ler Bürger weiter verschlechtert. Das Ab- sinken der Einwohnerzahl verringert das Steueraufkommen. l lerrenlose Häuser wurden sogar an Interessenten und Neu- bürger verschenkt! Die Stadt Steyr blieb auch von anderen Beeinträchtigungen nicht verschont. Schon 1682 hatte ein Erdbeben nicht ge- ringen Schaden angerichtet. So wurde die Trainten-Kapelle auf dem Friedhof bei tler Stadtpfarrkirche so beschädigt, daß der obere Teil abgetragen werden mußte. Im Juli 1670 verursachten heftige Regen- güsse l lochwasser. Beide Ennsbrücken wurden dabei zerstört. Die 1679 in Wien wütende Pest veran- laßte am 9. September den Stadtschreiber zur Abfassung einer „Infektionsordnung". Auf der Flucht vor der „leidigen" Seuche in Wien nahmen Adelige vorübergehend Aufenthalt in Steyr. Im November 1679 wurde von der Stadt mit Franz de Fabri ein eigener „1 nfectionsarzt" angestellt. Der Friede von Vasvar, der mit zwanzig Jahren befristet war, lief 1683 ab. Sultan Mehmed IV. entsandte unter der Leitung seines Großwesirs Kara Mu tapha ein rie- siges Heer gegen Westen (Kara Mustapha war Nachfolger des 1676 verstorbenen Großwesirs Achmed Köprülü). Am 31. März setzte sich diese große Heeresmacht von Adrianopel aus in Bewe- gung und sollte am 13. Juli Wien errei- chen. Als sich die Türkengefahr näherte, muß- te auch die Stadt Steyr Vorkehrungen zur Abwehr des „Erbfeindes" treffen. Ahnlich wie im Jahre 1663 wurde die Bewaffnung überprüft, repariert und ergänzt. Die eige- ne Waffenproduktion wurde gesteigert. Im Jänner des „Türkenjahres" wurden dem Obersten des Regimentes Starhemberg, Wachtmeister Christoph Karl von Schal- lenberg, eintausend Bajonette geliefert. Auch die Einquartierungen von Soldaten in der Stadt nahmen zu. Um die Jahres- mitte mußte die Stadt ihre Verteidigungs- maßnahmen beschleunigen, denn am 14. Juli begann die Belagerung Wiens durch die Türken.

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