Amtsblatt der Stadt Steyr 1983/6
sten Ranges fasziniert das Original der Georgenberger Handfeste von 1186. Sie wurde auf dem Georgenberg zu Enns ausgestellt und garantierte den Babenber- gern das Erbe der steirischen Otakare nach dem Aussterben der Linie mit Ota- kar IV., dessen Grabplatte ebenfalls zu sehen ist. Die prachtvollen Siegel - das des Markgrafen Otakar III . etwa oder die ältesten Stadtsiegel von Steyr und Enns - dürften nicht nur Historiker in ihren Bann ziehen. Bereits im Jahre 1981 hat man in Perg- kirchen nächst Perg den Kirchenhügel mit der ehemaligen Burg vermessen, so daß nun in Wels eines jener selten erhaltenen Objekte aus der Rodungszeit des 11. Jahr- hunderts dokumentiert werden kann. In diese Epoche weist auch die Rekonstruk- tion der Holzkirche zu St. Michael ob Rauchenödt. Die mittelalterliche Literatur schließlich ist mit der Donaueschinger Handschrift des Nibelungenliedes sowie mit dem Versepos vom Meier Helmbrecht vertreten, das Wernher der Gartenaere in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts schrieb und das im heutigen Innviertel spielt. Die Kunst der Gotik in Oberösterreich wird repräsentiert durch Tafelbilder, Sta- tuen, Prozessionsstangen und Bischofs- krümmen von erlesener Schönheit sowie durch eine bisher noch nicht in dieser Dichte gezeigte Dokumentation von Stein- metzzeichen, die sowohl Meister als auch Gesellen, die in Oberösterreich gearbeitet haben, vereint. Es ist gelungen, Teile des Grabinventars König Premysl Ottokars II., das vor noch nicht langer Zeit gehoben wurde und in der Prager Burg verwahrt wird, nach Wels zur Landesausstellung zu bringen. Sie werden hier zum ersten Male außerhalb der Tschechoslowakei zu sehen sein. Einen markanten Platz nehmen die für Oberösterreichs Geschichte bedeutenden Schaunberger ein: Sie sind präsent mit ihren wichtigsten Urkunden, mit einem Zinnfigurendiorama, das die Belagerung der Burg Schaunberg 1380 darstellt und von mehr als 200 Figuren bevölkert ist, sowie mit Waffen und Gerät aus der Zeit der Hochblüte des Geschlechtes. Einen weiteren Schwerpunkt markiert die Ge- stalt Kaiser Friedrichs III., war er doch der einzige Habsburger, der sein Reich - wenn auch nicht freiwillig - von seiner Linzcr Burg aus regiert hat. Unter anderem wer- den Porträts des Herrschers, ein Modell der Linzer Burg, seine Wappentafel mit dem berühmten „AEIOU" vom Fried- richstor des Linzer Schlosses, ein Zeugnis für die Beinamputation des Kaisers in Linz sowie Funeralhelm und -schild vom Begräbnis Friedrichs III. ausgestellt. Die Buchkunst des Mittelalters hat in Oberösterreich vollendet schöne Zeugnisse hervorgebracht. Mit ihnen wird der Aus- stellungsbesucher durch Miniaturen aus Urbarien, Annalen, Wappen- und Markt- büchern und reich illuminierten liturgi- schen Handschriften konfrontiert. Die Wissenschaft schließlich ist vertreten mit den berühmten Astronomen und Mathe- matikern aus Oberösterreich: Johannes von Gmunden und Georg von Peuerbach . Eine Sonderstellung in der umfassenden Dokumentation von tausend Jahren ober- österreichischer Geschichte gebührt Kai- ser Maximilian I.: Der Herrscher hat seine Burg zu Wels nicht nur besonders ge- schätzt, er zog sich auch auf seiner letzten Reise hierher zurück und ist am 12. Jänner 1519 in der Weiser Burg gestorben. Außer Porträts, dem Totenbild und dem Testa- ment des Kaisers wird ein Jagdbesteck des begeisterten Nimrods sowie ein Diorama zu sehen sein, das den Trauerzug anläß- lich seines Begräbnisses darstellt. Auf Ma- ximilian I. geht der Erwerb des Mondsee- und St-Wolfgangs-Landes zurück, worauf mit Werken des Meisters von Mondsee, Wolf Hubers und Meinrad Guggenbich- lers hingewiesen wird. Das 16. Jahrhundert sah wieder einen Herrscher in Oberösterreich weilen: 1521 feierte Erzherzog Ferdinand - der spätere Kaiser Ferdinand I. - im Linzer Schloß Hochzeit mit der Jagellonin Anna, die ihm 15 Kinder gebären sollte, davon etliche in Linz. Das Vermählungsfest gab Anlaß zu dem berühmten Losensteiner Turnier, das in die Landesgeschichte einging. Porträts des Herrscherpaares, das Losensteiner Turnierbild sowie der Turnierhelm des „edlen Herrn von Losenstein" weisen auf diese hochgemute Zeit. Daß man der bald darauf folgenden Reformation, der Bauernunruhen und Bauernkriege im 16. und 17. Jahrhundert ebenso gerecht zu werden trachtet wie dem Wirken Johannes Keplers und der Gegenreformation, steht außer Zweifel. Dazu kommen mit dem Modell des Inner- berger Stadels und mit der Lambergschen Messersammlung Zeugnisse für die Blüte- zeit der Eisenindustrie in Steyr und der Eisenwurzen. Besondere Beachtung ver- dient die Skizze zu einem nicht mehr vorhandenen Deckenbild im Linzer Schloß. Für Jas 18. Jahrhundert spre~hen Expo- nate vom Spanischen und Osterreichi- schen Erbfolgekrieg, in welchem der in Linz geborene Graf Ludwig Andreas Khe- venhüller die Belagerung seiner Geburts- stadt siegreich beendete und mithalf, der jungen Maria Theresia ihr Erbe zu si- chern. Mit der Eingliederung des lnnvier- tels 1779 und des ehemals kaiserlichen Kammergutes hatte Oberösterreich seine heutigen Grenzen erreicht. Das Original des Friedensvertrages von Teschen einer- seits und die Darstellung des Sudhauses von Hallstatt anderseits weisen unter anderem auf diese Tatsachen hin. Das überaus bewegte 19. Jahrhundert, das Oberösterreich nicht nur die Napoleo- nischen Kriege und - wenn auch abge- schwächt - die Wirren der Revolution 1848 brachte, sondern darüber hinaus den Bau der Pferdeeisenbahn Budweis - Linz - Gmunden, die Industrialisierung und die Maximilianischen Befestigungstürme rund um Linz, vermittelt außerdem noch die Begegnung mit Franz Stelzhamer, Adalbert Stifter und Anton Bruckner. Mit einer Porträtgalerie der oberösterreichi- schen Landeshauptleute, dem Original des von Kaiser Franz Josef 1914 in seiner Sommerresidenz Ischl unterfertigten Auf- rufes „An meine Völker" und zahlreichen weiteren Exponaten greift die Dokumen- tation vom Werden eines Landes ins zwanzigste Jahrhundert herein. Wie es bei oberösterreichischen Landes- ausstellungen bereits zur Tradition gehört, finden während der Ausstellungsdauer zahlreiche Veranstaltungen statt, die vom Ausstellungsort bestritten werden. Dazu kommen Aufführungen im Theater des Benediktinerstiftes Lambach, dem einzi- g_en erhaltenen barocken Stiftstheater Osterreichs. Es wurde aus Anlaß des 200. Todestages des Lambacher Mundartdich- ters P. Maurus Lindemayr restauriert und bespielbar gemacht. Im Lindemayr-Ge- denkjahr 1983 kann man unter anderem einer Aufführung des Lindemayr-Stückes ,,Der kurzweilige Hochzeitsvertrag" bei- wohnen, das auf eben dieser Bühne zum ersten Male gespielt wurde zu Ehren der Dauphine Marie Antoinette, die in Lam- bach Station machte auf der Reise zu ihrem per Prokuration angetrauten Ge- mahl, dem späteren Ludwig XVI. Im nahen Schloß Almegg finden 1983 ebenfalls Veranstaltungen statt, und zwar sowohl musikalische Darbietungen als auch Kunstausstellungen. Die Programme für Wels, Lambach und Almegg liegen dem Faltprospekt zur Landesausstellung „Tausend Jahre Oberösterreich - Das Werden eines Landes" bei, der kostenlos von der Kulturabteilung des Amtes der oö. Landesregierung an Interessenten aus- gegeben wird. Wer demnach im Ausstellungssommer 1983 nach Wels kommt, um die gewaltige Schau „Tausend Jahre Oberösterreich" in sich aufzunehmen, dem bietet sich eine Fülle von Aktivitäten und Sonderveran- staltungen <!-.n. Vor allem aber vermag er sich einen überblick zu verschaffen über die Stellung Oberösterreichs im Span- nungsfeld der Geschichte. Und gewiß wird der Ausstellungsbesuch dazu beitragen, das Verständnis zu vertiefen für ein Land, dessen Entwicklung von faszinierender Dramatik ist. Ausstellungsdauer: 29. April bis 26. Ok- tober 1983. Geöffnet täglich von 9 bis 18 Uhr (Einlaß bis 17 Uhr). - Führungen : nach Bedarf, Führungskarte S 10.- . - Eintrittspreise: Einzelpersonen S 30.-; Gruppen ab acht Personen je S 20.-; Studenten, Bundesheerangehörige in Uni- form, Schüler, Pensionisren und Versehrte S 10.-; Familienkarte (Eltern, Kinder) S 60.- ; Pauschalkarte für Schulklassen S 100.- . Während der Ausstellung ist ein ständi- ges Ausstellungsbüro in der Burg Wels eingerichtet (Tel. 0 72 42/41 71 ). 33/225
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