Amtsblatt der Stadt Steyr 1982/11

samen Gedenken teilzunehmen. Die Stadt Steyr war sich ihrer Verpflichtung den Toten gegenüber stets bewußt und doch war es ein langer Weg bis zur Verwirkli- chung dieses Mahnmales. Es soll uns und unsere Nachkommen an die Opfer der großen Kriege unseres Jahrhunderts ge- mahnen. Nach der Schaffung der räumlichen Voraussetzung war es noch erforderlich , einen schier unüberbrückbaren Gegensatz und Widersprüche zu überwinden: Auf der einen Se ite stand der Soldat, der mit der Waffe in der Hand , getreu seinem soldat ischen Eid sein Leben opferte, ande- rerseits gab es den Zivilisten, der aus innerster Überzeugung gegen das herr- schende Regime auftrat und für diese , seine aufrechte Meinung, das Leben hin- gab. Da waren aber auch noch die Frauen, die Kinder, die Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiter, die dem Bombenkrieg in der Heimat zum Opfer fielen. In langen Gesprächen mit allen von den Problemen betroffenen Institutionen und Verbänden wurde die gemeinsame geistige Plattform für die Errichtung dieser Ge- denkstätte , die wir heute der Offentlichkeit übergeben, gefunden. Sie liegt in dem gemeinsamen Begriff ,Opfer' , denn der eine wie der andere hat das Höchste, das er imstande war zu geben, geopfert - sein Leben. Ich danke stellvertretend für alle Initia- tiven an dieser Stelle der Stadtpfarre Steyr, insbesondere Herrn Stadtpfarrer Stein- bock, für das Entgegenkommen, ich danke aber auch dem Kriegsopferverband Steyr, besonders Herrn Stadtrat Kinzelhofer. Die Verbindung mit dem Denkmal für die Gefa ll enen des 1. Weltkrieges bot sich an - damals war es noch möglich , die Namen der Toten in überschauberer Form in den Stein zu mei sseln . Vor diesem Denkmal entstand nun dieser einfache und schlichte Ged enkstein. Bewußt wurde davon Absta nd genommen , die Namen der Opfer aufzu zeichnen - es wären ihrer zu viele gewesen. Fast 800 gefallene Solda- ten aus Steyr sind im Sterbebuch der Stadt verzeichnet und das Schicksal vieler ist bis heute noch ungeklärt. Über 200 Menschen starben bei den drei verheerenden Bom- benangriffen auf unsere Stadt - darunter erlitten 55 militärinternjerte Italiener im alten Waffenfabriksobjekt im Eysnfeld einen qualvollen Flammentod . Vie le__Mitbürger wurden ob ihrer politi- schen Uberzeugung in den Kerkern und Konzentrationslagern des Faschismus grausam zu Tode gequält. Sie alle reihen sich in die unüberschaubare Menge von mehr als 50 Millionen Toten dieses schreckli chsten aller Kriege. Opfer, wie sie der Zweite Weltkrieg gefordert hat, erhal- ten nur dann einen Sinn, wenn sie im Bewußtsein der Nachwelt lebendig blei- ben - und diese daraus die historische Lehre zieht. So soll auch diese Gedenk- stätte verstanden werden und stets daran erinnern, daß kriegerische Auseinander- setzungen nur Elend, Not und Leid brin- gen. Auf dem Stein stehen die Begriffe, die wir Österreicher heute als die höchsten Güter betrachten: ,Friede und Freiheit. ' In leidvoller Erfahrung haben wir uns zu dieser Anschauung durchgerungen und Im Zuge der Er- richtung der neuen Gedenkstätte wurde die Westfassade der Stadtpfarrkirche re- stauriert, die Dach- deckung des West- walls erneuert und um den Brunnen auf dem Bruckner- p!atz ein Stöckel- pflaster angelegt. Außerdem wurde in den Brunnen eine neue Umwälzanlage eingebaut.Altstadt- leuchten, die das S chloß Lamberg, die Berggasse und die Pfarrgasse schmücken, stehen nun auch auf dem Bruckne1platz. Für die Gedenkstätte und die genannten Restaurierungen in- vestierte die Stadt 1,634.000 Schilling. Fotos: Hartlauer gelernt, das Gemeinsame über das Tren- nende zu stellen. Wir alJ e schätzen das Zusammenleben in einer freien Demokra- tie und bekennen uns dazu. Das kommt heute an dieser Stelle sichtbar zum Aus- druck. Vertreter von Soldatenverbänden und die Opfer des Faschismus haben sich zum gemeinsamen Gedenken zusammen - gefunden, und nie wieder soll es Toter bedürfen, um diese Einstellung zu erhal- ten . In einer Zeit, in der die Welt vom Fieber eines Wettrüstens , das einmalig in der Geschichte der Menschheit ist , geschüttelt wird , ist Österreich heute ein Hort der Freiheit und der Demokratie. Dies ist aber keine Selbstverständl ichkeit. Wir dürfen und können uns nicht auf den guten Willen unseres Nachbarn verlassen, son- dern müssen stets bereit sein , für unsere Freiheit und Demokratie selbst einzutre- ten. Unser Land hat von sich aus die immerwährende Neutralität erklärt - und unser österreichisches Bundesheer doku- mentiert unseren festen Willen der Vertei- digung unseres Landes notfalls auch mit der Waffe. Ich möchte meine Überlegungen mit dem Gedanken besch ließen, den eines der unzähligen Opfer des Krieges vor seinem Tod zu Papier brachte: ,Freiheit und De- mokratie ist wie eine Flamme, die trüb ist, wenn wir klein sind , und die groß und hell brennt, wenn wir groß und aktiv sind. Darum hüten wir die Flamme - seien wir groß und aktiv und lebendig, dann wird diese Flamme unsterb lich sein ."' 9/417

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