Amtsblatt der Stadt Steyr 1982/6

Tanzfest der Kinder Das Kulturamt der Stadt Steyr lud am 21. Mai zu einem Ballettabend ins Alte Theater, den die Kindertanzklassen der Volkshochschule und das Tanzstudio Erika Gangl gestalteten. Zur Auffüh- rung gelangte der originelle, einfalls- reiche und liebenswerte „Karneval der Tiere", eine große zoologische Fantasie von Camille Saint-Saens (1835-1922). Choreographie und Ausstattung lagen in den bewährten Händen von Erika Gangl, wobei sie besonderes Einfüh- lungsvermögen in die überaus charakte- ristische Musik bewies. Die Kostüme gerieten originell und den darzustellen- den Tieren durchaus adäquat. Alfred Peschek, verantwortlich für die auf Band gespeicherte Musik, hat der origi- nellen Instrumentalbesetzung voll Rech- nung getragen und durch Einfügung kleinerer Musikstücke anderer Kompo- nisten (Mendelssohn) das Werk erfreu- lich aufgelockert. Die Imitationen von Zeitgenossen (Offenbach, Rossini, Ber- lioz) hat Saint-Saens selbst in satirischer Weise eingebaut. So kommt ein Musik- werk zustande, das geradezu nach tän- zerischer Gestaltung verlangt. Die elf Tanznummern, exakt und farbenpräch- tig ausgestattet, wurden von A. Peschek als „Untier" humorvoll in Versen ange- sagt und erläutert. Das große Aufgebot der vielen größeren und kleineren Balle- rinen war beachtlich, ihr Auftritt und Abgang mit in die Choreographie einbe- zogen. Von den tänzerischen Leistungen kann nur Gutes gesagt werden. Ernst der Darstellung, Präzision der Bewegun- gen sowie harmonisches Zusammenspiel in den Gruppen sind besonders hervor- zuheben. Als Maitre de Pleisir waltete der Pa- pagei, überzeugend dargestellt von Nora Kökl. Ruth Schalko als majestätischer Löwe zeigte beachtliche Tanzkunst, Edith Niedereder als Elefant wirkte überzeugend, während Astrid Braun als Frau Känguruh durch gekonnte Sprün- Fortsetzung auf Seite 20 Bei seinem Gast- spiel in Steyr ver- mittelte das Paul- Hofheimer-Consort originale Wieder- gabe alter Musik mit professioneller Qualität, aber auch viel persönlicher Atmosphäre. Spitzenle~tungen der Gesangskunst In der Reihe der „jeunesses musica- les" veranstaltete das Jugendreferat des Kulturamtes der Stadt Steyr am 19. Mai das 7. Konzert. Gewonnen wurde dafür ein Vokalensemble aus London. ,,The scholars" nennt sich die Gruppe, da alle Mitglieder ehemalige Schüler am „King's College von Chambridge" für Choralgesang waren. 1969 als Quartett gegründet, kam 1972 eine So- pranistin hinzu und damit die Möglich- keit einer wesentlichen Repertoirerwei- terung, das 500 Jahre europäische Vo- kalmusik umfaßt von mittelalterlichen Gesängen bis zu modernen Spirituals und Folksongs, moderne „ernste" Mu- . sik eingeschlossen. Diesmal standen Werke der Renaissancezeit, Lieder und Madrigale, auf dem Programm. Das Quintett überzeugt vor allem durch phantastisch saubere Intonation, klare Deklamation, hervorragende Atem- technik und wunderbare Phrasierung im melodiösen, rhythmischen und ago- gischen Bereich. Dies alles wird aber erst wirksam durch eine grandiose Prä- zision und Exaktheit im Zusammen- wirken, wobei auch verschiedene Gruppierungen sich organisch einfü- gen. Shelagh Molyneux (Jg. 1951) überzeugt durch einen ausgewogenen, lyrischen Sopran in bester klanglicher Ubereinstimmung mit den Männern. Nigel Dixon (1948) als Countertenor bezeichnet, entpuppte sich als hervor- ragender Falset-Sänger, der seinen technisch überaus schwierigen Part den ganzen Abend in unverminderter Qua- lität darbot. Robin Doveton (1945), der musikalische Leiter der Gruppe, ver- antwortlich für die jeweiligen Arrange- ments und mit dem Tenorpart betraut, gab für die Intonation der einzelnen Lieder nur den Grundton an, was für den richtigen Toneinsatz aller Stimmen völlig genügte: ein eindrucksvolles Bei- spiel der hohen Musikalität aller Sän- ger. Michael Leighton Jones (1947) setzte mit seinem volltönenden Bariton das Klangpedal. Das reichhaltige Programm umfaßte im ersten Teil englische Lieder und Madrigale von Thomas Weelkes (1575- 1623), dem bedeutenden Virgi- nalisten William Byrd (1543- 1623), 3 Lieder eines anonymen Komponisten des 15. Jh. sowie Sätze von Thomas Morley (1575-1602). Es folgten nach der Pause deutsche Lieder, ernst und heiter, von H . L. Hassler (1564-1612), darunter die ursprüngliche Melodie zu ,,0 Haupt voll Blut und Wunden", Erasmus Widmann (1572-1634) und dem Leipziger Thomaskantor Joh. Herrn. Schein. Weitere englische Lie- der anonymer Meister und eines von König Heinrich VIII (dreistimmig) schlossen sich an. Den Abschluß bildeten Lieder in italienischer Sprache, welche mit dem heiteren „In allen hellen Tagen" von G. Gastoldi (1550-1622) begannen. Ein ruhiges Madrigal von Luca Marenzio (1553-1599) schloß sich an. Die sprit- zig-lustige Canzonetta vom schönen Frühling des Orazio Vecchi (1550-1605) wurde besonders ein- drucksvoll - wiedergegeben. Kontrast dazu bot ein Lamento von Cl. Monte- verdi (1567-1643), dem Großmeister der italienischen Renaissancemusik. Von Giovanni Croce (1557-1609), Or- ganist zu San Marco in Venedig, wurde das sprühende Liedchen vom Kuckuck dargeboten. Mit dem launigen Kontra- punkt der Tiere von Adriane Banchieri (1568-1634), Organist und Musiktheo- retiker zu Bologna, schloß das offizielle Programm. Der stürmische, langanhal- tende Beifall, der schon während der einzelnen Liedvorträge zum Ausbruch kam, wurde von den sympathischen Gästen mit drei Zugaben bedankt, ei- nem englischen Volkslied, einem Ma- drigal und einer Beatles-Imitation. So erfreulich die beträchtliche Zuhörer- schar junger Menschen war, vermißte man doch bei dieser Vorstellung erle- senster Gesangskultur die Vertreter der heimischen Chorgemeinschaften. J. Fr. 35/231

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