Amtsblatt der Stadt Steyr 1982/4

I neuerdings steht der Wehrgraben Steyr wieder im Mittelpunkt öffentlich er Diskussionen, nachdem der Gemeinderat in seiner Sitzung am 1. April 1982 mit der Zweidrit- telmehrheit der sozialistischen Mandatare einen „Wehrgraben-Er- neuerungskatalog" als Grundsatz- programm beschlossen hat. In die- sem Programm ist eine zehnj ährige Aktionszeit vorgesehen , in we lcher sowo hl die Finanzierung als auch die Schaffung neu er Einrichtungen zur Allgemeinnutzung eingebaut sind . Erwa rtungsgemäß gab es in der Folge wieder Presseberichte, ORF- ! nterviews und auch eine Stellung- nahme des Bundesdenkmalamtes nach einer Vorsprache von Steyrer Proponenten. Der Magistrat nahm dazu in einer 4-Punkte-Erklärung· Stellung: 1. Die Stadt Steyr ha t keine Was- serrechte am Wehrgrabenkanal er- worben . 2. Die Stadt hat seinerzeit lediglich Grundflächen aus dem Besitz der aufge lassenen Wehrgrabenkommu - ne übernommen. Der diesbezüg- liche Bescheid vom 17. Juli 1972 wurde dem Bundesdenkmalamt zu- ges tellt, das keinen Einspruch erho- ben hat. 3. Die vier bereits stark zerstörten Zeugstätten gehören fast aus- schli eßbch privaten Eigentümern, weshalb die Behauptung des Bundesdenkmalamtes, sie seien im Besitz der Stadt , falsch ist. 4. Ein Verfahren nach dem Denk- malschutzgesetz hat nie stattgefun- den. Die Seite des Bürgermeisters In einem Telefonat mit Frau Bundesminister Dr. Firnberg als zuständige Ressortchefin sicherte diese zu, einen Denkmalfachmann nach Steyr zu entsenden und an Ort und Stelle die diskutierten Fra- gen mit der Stadtverwaltung zu erörtern. Es ist eigentümlich, daß sich in der Wehrgrabendiskussiqn viele Personen und Persönlich- keiten, die zum Teil Steyr noch nie gesehen haben, zu Erklärungen ve rleiten lassen, aus denen ihre Unkenntnis über die örtlichen Ver- hältnisse spricht. Fest steht, daß die gegenwä rtige Situation, auch was die Bausubstanzen und das Er- scheinungs bild des historischen Wehrgrabenbereiches angeht, nich t befriedigt und di e Gefahr besteht, wenn nicht vo n der Stadtverwal- tung etwas unternommen werden kann, der Verfall des Wehrgraben- bereiches noch rascher als bisher we itergehen wird . Darüber hinaus ist ein rascher Kanalbau , der recht- lich und finanziell gesichert ist, eine dringende Notwendigkeit im Sinne unseres Umweltbewußtseins . Viele Abwässer aus dem Gebiet Steyr West fli eßen derzeit unge- klärt in das Wasser des Steyr-Flus- ses und des Wehrgrabenkanales und bringen so nicht unerhebliche Risken für unser Trinkwassera uf- kommen. Erst in der letzten Zeit gab es mehrmals Öla larm am Ennsfluß , wodurch erhebliche Ge- fahren heraufbeschwo ren wurden. Das gleiche könnte jeden Tag am Steyr-Fluß pass ieren. Diese Verant- wortung könnten am allerwenig- sten jene tragen, die sich heute so sehr für die Beibehaltung des offe- nen Kanalgerinnes einsetzen. Selbst Landeshauptmann Dr. Rat- zenböck erklärt in einem ORF- Interview, daß diese Frage nicht ausschließlich vom Kanalgerinne, sondern weitgehend von der Ge- samtsa ni erung des Stadtteiles Wehrgraben zu beurteilen sei. Der Denkmalschutz ist bei der Vielschichtigkeit dieses Prob lems nur ei n Teilaspekt. Für die Ge- meindeve rwaltung muß aber das Gesamtwohl aller Steyrer und das der Bevölkerung des Wehrgraben- gebietes im besonderen im Vorder- grund ihrer Entscheidungen stehen. Die Stadt Steyr und die dafür Ver- antwortlichen haben mit großer Behutsamkeit, mit Geschick und Verantwo rtungs bewußtsein der Stadtbilderneuerung, der Erneue- run g und Rev ita lisierung von Ein- ze lobj ekten, abe r auch dem Ge- samtbild der historischen Stadtan- sicht großes Gewicht beigemessen, worüber sich die Steyrer selbst, aber auch unsere Gäste, stets lo- bend äußern. Es ist daher bedauer- lich, daß sich di e Hauptdiskutanten über den Wehrgraben oft abfällig über die Stadt Steyr äußern, wozu leider auch Steyrer Bürger selbst beitrage n. Es wäre daher an der Zeit, sich auf die ta tsächlichen kul- turell en und kulturhistorischen Werte unserer Stadt zu bes innen, um nicht ein Einzelp rob lem als al- lein igen Wertmaßstab unserer ge- meinsam kulturellen Bemühungen heranzu ziehen . Schließlich hat sich bisher kaum jemand fü r die Lebensverhältnisse im Wehrgraben interess iert und auch j ene, die heu- te vom wo hnenswerten Wehrgra- ben sp rechen, meinen alles andere. Vergessen darf auch nicht der hohe Kostenaufwand bei Aufrechterhal- tung des Wehrgrabenkanales von 95 Millionen Schilling werden. Das sind um 50 Millionen Schilling mehr als bei Verrohrung und Auf- füllung. Diese Be träge besitzt die Stadt Steyr nicht, zumal sie in ke i- ner Weise noch zur Verbesserung der Lebensumstände einzuse tzen wären und zu Lasten der Wünsche in and eren Stadtteilen gehen wür- den. Franz Weiss Bürgermeister

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