Amtsblatt der Stadt Steyr 1982/4

D ie Verzeichnung des Personenstan- des - unter Personensta nd ist die sich aus den Merkmalen des Fami- lienrechtes ergebende Stellung ei- ner Person innerhalb der Rechts- ordnung zu verstehen - in eigenen Matriken- büch ern erlangte mit der ständigen Weiter- entwicklung des Rechtslebens immer größere ~edeutung. Die Matrikenführung ist in Osterreich seit dem Jahre 1784 staatlich gere- gelt. In eigenen Geburten- , Trauungs- und Sterbebüchern werden seither alle Personen- standsfälle und Personenstandsänderungen nach strengen Formvorschriften verzeichnet. Während die Matrikenführung früher kon- fessionell gegliedert war, wurde am 1. Jänner 1939 in jeder Gemeinde ein Standesamt errichtet und mit der Führung der Personen- standsbücher (Matriken) betraut. Auch in unserer Stadt beurkundet der Standesbeamte se ither alle Personenstandsfä lle, die sich hier ereignen , und führt diese Eintragungen stän- dig fort. Der 43jährige Bestand des Standes- amtes gibt Anlaß, einen Rückblick auf die Bevölkerungsbewegung in den letzten vier Jahrzehnten zu machen und den Entschei- dungsgremien unse rer Stadt statistische Ent- scheidungshilfen für Planungen verschieden- ste r Art zu geben. In den in feuersicheren Panzerschränken des Standesamtes verwahr- ten Personenstandsregistern - derzeit 321 Bände, und jährlich kommen 10 Bände dazu - wurden in diesem Zeitraum insgesamt 117.674 Personenstandsfälle beurkundet, und zwar 70.731 Geburten, 15.421 Eheschlie- ßungen, 30.649 Todesfälle und 873 Totgebur- ten . Die Register enthalten die genauestens geprüften Daten von rund 350.000 Personen, die na türlich nur jenen Personen zugänglich sind, denen das Recht auf Einsicht gese tzlich zusteht. Das Geburtenbuch Von den in Steyr geborenen Kindern stam- men 22.377 von Steyrer Eltern, davon sind 18 .734 (83 ,71 Prozent) ehelich , 3643 (16,28 Prozent) unehelich geboren, 11.443 Knaben stehen 10.934 Mädchen gegenüber. Das „starke Geschlecht" überwiegt um 509. Von a uswä rti gen Eltern stammen 48.354 Kinder, das sind 68,36 Prozent aller im Berichtszeit- raum in Steyr geborenen Kinder. 41.900 (86,65 Prozent) sind ehelich, 5800 ( 11 ,99 Prozent) unehelich geboren. 24.852 Knaben stehen 23.502 Mädchen gegenüber. Auch hier überwiegen die Knaben um 1350. Das Durchschnittsalter der Erstgebärenden be- trug im Jahr 1940 26,26 Jahre, im Jahre 1947 nur mehr 24,81 Jahre und es sank im Jahre 1978 auf 22,06 Jahre . Die jüngste Mutter gebar im Alter von elf Jahren Zwillinge. 7671 Kinder (das sind 81,23 Prozent der unehelich Geborenen) wurden von ihrem Vater anerkannt. 4477 Kinder erlangten durch die spätere Eheschließung der Eltern die Rechtss tellung eines ehelichen Kindes, 402 Kinder wurden adoptiert, wobei sich die bereits im Jahre 1960 erfolgte Herabsetzung des Mindestalters der Wahleltern äußerst positiv ausgewirkt hat. In 1011 Fällen gab der spätere Ehemann der Mutter dem unehe- lichen Kind seinen Namen, so daß in der Familie die Namenseinheit hergestellt wurde. Seit der Mutter das alleinige Vertretungs- recht für die ihr zugesprochenen Kinder aus geschiedener Ehe zusteht, wird immer häufi- ger die Änderung des Familiennamens in den neuen Ehenamen der Mutter aus dem gleichen Grunde beantragt. Als echtes Service für die Bevölkerung kann der vom Standesamt eingerichtete Ur- kundenbeschaffungsdienst bezeichnet wer- den. Tausenden von Flüchtlingen und Hei- matvertriebenen, insbesondere aus den Ost- staaten, wurden ilire dringend benötigten Dokumente beschafft, bei Divergenzen in der Namensschreibweise beim Bundesministeri- um für Inneres Namensfeststellungsverfahren eingeleitet und Anträge auf Verdeutschung der ihnen oft willkürlich eingetragenen fremdländi schen Vornamen entgegengenom- men. Aber auch bei der ortsansässigen Bevölke- rung war in Tausenden Fällen die Feststel- lung der richtigen Schreibweise des Fami- liennamens nötig, weil nicht selten sogar Geschwister, aber auch Eltern und Kinder in der Schreibweise voneinander abweichende Familiennamen führten. Von der Bevölke- rung begrüßt wurde auch die im Zuge der Familienrechtsreform erfolgte Vereinheitli- chung der Geburtsurkunden ehelicher und unehelicher Kinder sowie die Neugestaltung der Geburtsurkunden der Adoptivkinder, in denen nur mehr die Wahleltern aufscheinen. Das Geburtenbuch umfaßt gegenwärtig 144 Bände und wird ständig fortgeführt. So ent- steht in Kurzform die Lebensgeschichte jedes in Steyr geborenen Menschen. Das Familienbuch Die nach außenhin sichtbarste Tätigkeit des Standesbeamten ist, obwohl sie nur einen Teil seiner Tätigkeit ausmacht, die Vornah- me von Trauungen. In diesem Zusammen- hang sei ein Blick auf die Entwicklung der Instifiition der Ehe gestattet. Schon in grauer Vorzeit entstanden Formen des Zusammen- lebens von Mann und Frau, die als Vorgän- ger unserer heutigen Ehe angesehen werden, mangels einer Stellung der Frau als Partnerin des Mannes aber nicht als Ehe im heutigen Sinn bezeichnet werden können. Die germa- nische Kebsehe, die durch einseitigen Wil- lensakt des Mannes - manchmal nach dem Raub der Frau (Raubehe) - zustande kam, sieht die Frau als persönliches Eigentum des Mannes, über das er frei verfügen kann. Zuweilen mußte sie ihm sogar in den Tod folgen . Die Muntehe kam - erstmals - durch Vertragsabschluß zwischen dem Vater der Frau als Inhaber der Gewalt (Munt) über sie und dem künftigen Ehemann zustande. Die Frau kam in die „Munt" des Mannes. Auf ihren Willen kam es dabei nicht an . Wie bei einem Veräußerungsvertrag war der Kauf hinfällig, wenn es der Frau an einer zugesi- cherten Eigenschaft mangelte. Allmählich stieg die Frau unter dem Ein- fluß des römischen Rechtes zur Genossin des Mannes auf. Sie wurde nicht mehr wie eine Sache gekauft, sondern an Stelle des früheren Kaufpreises hatte der Mann der Frau selbst die Dos (Dotierung) zu geben, die der Frau als Witwenversorgung nach seinem Tod ver- blieb . Die ersten Eheformen waren nicht monogam. Der Mann konnte jederzeit weite- re Frauen „erwerben". Schon in der Form der Friedelehe, di e neben der Kebsehe und Standesamt Steyr: 43Jahre im Dienste der Bevölkerung der Muntehe bestanden hat , gab es allerdings eine unserer heutigen Ehe ähnliche Form des Zusammenlebens zweier freier, gleichberech- tigter Partner aufgrund gegenseitiger Zunei- gung, ohne daß ein Partner einen Kaufpreis zu bezahlen hatte und ohne daß die Frau unter die Gewalt des Mannes kam. Erstmals bei der Friedelehe entwickelten sich Bräuche für deren Eingehung. Nicht formloses Einig- se in der Partner, so ndern förmliche und öffentliche Erklärung des Ehewillens in Gegenwart der Volksgemeinde im Ring war Voraussetzung für das Zustandekommen der Ehe. Als Fragesteller, also Standesbeamter im heutigen Sinne, fungierte der Graf oder jemand, der der althergebrachten Formeln kundig war. Die aufkommende christliche Kirche ließ zunächst die bestehenden Formen der Ehe- schließung unangetastet und beschränkte sich bis in das 13. Jahrhundert hinein mit der Einsegnung der Ehe vor der Kirchentür. Die Eheschließung - wie vorher ein weltliches Rechtsgeschäft - wurde immer häufiger auf den Platz vor der Kirche verlegt. Die erste urkundlich verzeichnete Ziviltrauung im Rat- haus zu Steyr fand am 1. Februar 1892 statt. Die Pflichtzivilehe, wie sie zum Beispiel in Frankreich seit dem Jahre 1790, in Deutsch- land und der Schweiz seit 1875 , in Italien seit 1865 und in Ungarn seit 1895 besteht, wurde in Österreich am 1. August 1938 eingeführt. Vorher bestand sie seit 1870 für Personen, die keiner gese tzlich anerkannten Religionsge- meinschaft angehört haben. Die seit 1784 wiederholt geforderte Reform des Eherechtes brachte an Stelle des früheren , nach Konfes- sionen verschiedenen Eherechts einheitliches Recht für alle Staatsbürger. Das Standesamt nimmt Trauungen seit dem 1. Jänner 1939 vor, zuerst im Rathaus (Gemeinderatssitzungssaal), seit 1940 im Schloß Lamberg, mit einer durch die bei Bombenangriffen in den Jahren 1944/45 ent- standenen Schäden bedingten Unterbre- chung. Während der anläßlich der Tausend- jahrfeier der Stadt veransta lteten Hallstatt- auss tellung fanden die Trauungen wieder im Ein Bericht über die Bevölkerungsbe 26/146 SK')'I'

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