Amtsblatt der Stadt Steyr 1982/2

nicht von ungefähr, sondern hat seinen Ursprung auch im Fleiß der Bevölkerung und im Wissen der Steyrer, daß für sie alles geschieht was möglich ist und Sinn hat. Mit Phrasen oder Schönfärberei wäre das nicht zu erreichen gewesen. Dem liegt das Bewußtsein der übernommenen Ver- antwortung zugrunde, zudem ist erhebli- ches Geld notwendig und dieses stammt auch wieder aus der gemeinsamen Arbeit aller. Auch mit verklärenden Aussagen wird man vermutlich bestenfalls ein kurz- fristiges persönliches Image erreichen, je- doch kaum einer konstruktiven Arbeit dienen können. So gesehen wird man auch zur Kenntnis nehmen müssen, daß in Steyr jene Produkte zu erzeugen sind , die abgenommen werden und verkaufbar sind. Wir müssen uns auch dazu beken- nen, daß die Pflege und Erhaltung unseres Stadtbildes nur ein Teil unserer gemeinsa- men Bemühungen sein kann, da nach wie vor der Mensch selbst im Mittelpunkt aller Interessen steht. Der Philosoph Friedrich Nietzsche prägte einen kurzen, aber auch für unser gemeinsames Leben sehr treffen- den Satz: ,,Jedem das Seine geben - das wäre die Gerecht igkeit wollen und das Chaos erreichen." Für uns, die wir ein Leben lang arbeiten, ist es daher geradezu eine Herausforderung, wenn eine Schwei- zer Jugendzeitschrift das Idealziel für jun- ge Menschen im ewigen Urlaub, in der Arbeitslosigkeit für alle, im Schwarzfahren sieht und das Stempeln für schön empfm- det. Der Begriff „Leistung" oder „Arbeit" scheint in1 Vokabular Gleichgesinnter nicht mehr auf. Es müßte also alles von selbst kommen und die Freiheit grenzen- los sein, auch wenn der Nachbar darunter leidet oder andere zur persönlichen Erhal- tung herangezogen werden. Zum Glück sind solche Vorstellungen auf kleine Min- derheiten beschränkt, doch geben sie im- merhin Zeichen einer völlig irrealen Le- bensvorstellung und Anlaß darüber nach- zudenken . Das Wort Leistung wird weder in Gewerkschaftskreisen vermieden noch bei der Arbeitgeberschaft. Wir werden uns also weiter mit dem Begriff Leistung aus- einanderzusetzen haben, jetzt noch mehr vielleicht als bisher und nicht um ständig Neues zu begehren, sondern um das Er- reichte zu halten. Wir leben in einer Zeit eines rückläufi- gen Wählerbewußtseins und einer ver- stärkten Bewegung zur direkten Demokra- tie im Wege von Bürgerbefragungen und Bürgerinitiativen. Sinn solcher Maßnah- men ist es, die für das öffentliche Leben Verantwortlichen auf Probleme hinzuwei- sen und Meinungen als Entscheidungshil- fe zu äußern. Problematisch wird diese Bewegung dann, wenn sich ein Gemeinde- rat auf die Meinung einer Minderheit verlassen soll, wie es sich deutlich bei zwei Bürgerbefragungen in Wien erwiese~. hat. 16 Prozent Wahlbeteiligung bei der OVP- Umfrage und 23 Prozent B~teilig~ng bei der Volksbefragung durch die SPO haben deutlich die Schwäche und den Mangel im Vergleich zu den Kosten und zur Bedeu- tung der Sachfragen gezeigt. Wenn man noch die Ja- und Neinstimmen zur Ge- samtheit der Wählerschaft ins Verhältnis setzt, werden solche Ergebnisse noch frag- würdiger. Damit möchte ich sagen, daß 12 / 56 der Bürgerauftrag nach wie vor über die politische Wahl erteilt wird, die wir re- spektieren, und jeder öffentliche Manda- tar ist sich bewußt, daß er mit dem Man- da t Verantwortung übernimmt, die er aus seinem Wissen und aus seiner Kenntnis der Zusammenhänge tragen muß. Es wird ·auch immer „moderner", sich über den Weg der sogenannten Kontrolle öffentli- ches Gehör zu verschaffen und Bedeutung zu erlangen . Wie sehr sich hier Initiative, Aktivität und Verantwortung zur Kontrol- le unterscheiden, läßt sich an Hand eines prominenten Beispieles beweisen. Der all- seits geachtete ehemalige Präsident des Rechnungshofes, Dr. Kandutsch, dem in dieser Funktion die Kontrolle sämtlicher öffentlicher Einrichtungen der Republik, der Länder, der Gemeinden und ange- schlossener Unternehmungen zustand, hat selbst die Unfähigkeit eingestehen müssen, das Management zum Bau des Allgemei- nen Wiener Krankenhauses ordnungsge- mäß zu führen. Mag der eine in dieser Erklärung Mut erblicken oder ein Versa- gen, deutlich wird jedenfalls, daß es ein großer Unterschied ist, ob jemand mit allen Risken der Entscheidung und der Verantwortung zu leben hat oder in der Prüfung diese Risken aufgedeckt werden. So gesehen, will ich mich als Sprecher aller jener machen, die sehr wohl wissen, daß man beim Arbeiten auch Fehler ma- chen kann, aber bevor kontrolliert wird, muß gearbeitet werden . Dessen ungeach- tet stehe ich natürlich auch dazu, daß die Kontrolle eine wertvolle Ergänzungsfunk- tion zur Arbeit besitzt. Die allgemeine Tendenz, den Gemein- den immer mehr Aufgaben durch Gesetz- gebung und Verordnungen aufzulasten, hat sich verstärkt und wird vermutlich anhalten. Damit verbunden erhöhen sich aber jene Ausgaben einer Gemeinde, de- nen jede Umwegrentabilität fehlt, daher als Subventionen zu werten sind, die die Gemeindefinanzen mehr belasten als jene, die Strukturverbesserungen zur Folge ha- ben und Rückflüsse erwarten lassen. Un- sere Finanzierungsüberlegungen zielen daher auf die Weiterentwicklung unserer Wirtschaftskraft und auf die Verfeinerung unseres Strukturgefüges ab. So hoffen wir, die Begriffe Vollbeschäftigung, gehobener Sozialstandard, reiches Bildungs- und Kulturangebot weiterhin zu halten. Mög- liches und Unmögliches wird verlangt. Mögliches versuchen wir in der Gemein- destube gemeinsam zu lösen, jedoch er- greift das Unmögliche immer mehr von uns Besitz, wenn wir die Beziehung Ge- meinde, Land, Bund zusammenhängend mit der internationalen Wirtschaftslage betrachten. Gerade bei Preis- und Tarifbe- wegungen am Energiesektor und in der Versorgung wird unsere Ohnmacht deut- lich sichtbar. Es steht zuwenig, aber teure Energie zur Verfügung. Wir kämpfen mit immer mehr Widerstand bei der Errich- tung von Energieerzeugungsstätten, ob es sich um Kernkraft, E-Werksbauten oder Kohlekraftwerke handelt. In diesen Tagen gibt es sowohl innenpolitische als auch internationale Turbulenzen, die uns zu größter Sorge Anlaß geben. Die Ereignisse in Polen zeigen uns, wo die Grenzen der Freiheit jenseits des Eisernen Vorhangs liegen. Sie zeigen aber auch, daß sich die Führer der Freiheitsbewegung den Aufga- ben nicht gewachsen zeigten, und damit auch interna tionale Gefahren, die auch Österreich angehen , entstanden sind. Die Zwänge und Nöte, denen die Polen jetzt ausgesetzt sind, haben aber auch wir vor dem großen Umdenken erleben müssen. Als Zeitgenosse dieser Jahre in Steyr fühle ich mich auch berufen, den Jüngeren die Mahnung auszusprechen, diese Ereignisse nicht als unwiederbringliche Vergangen- heit anzusehen und die Ursache dafür in den nicht beherrschten wirtschaftlichen Niedergängen in der Ersten Republik, Ende der zwanziger Jahre und Anfang der dreißiger Jahre zu suchen. Haben wir beute eine Beschäftigungsquote von 23.500 Arbeitsplätzen und eine Arbeitslo- senrate von etwa 3 Prozent, so lagen diese Ziffern Ende 1931 weit über dem österrei- chischen Durchschnitt. Von etwas über 22.000 Einwohnern waren nach einem Bericht des damaligen Fürsorgereferenten Klaus Azwanger im Gemeinderat 11.700 Menschen oder 53 Prozent auf öffentliche Hilfe angewiesen. 1100 Bewohner waren ohne jedes Einkommen, 2600 bezogen eine Notstandsunterstützung oder waren ausgesteuert. Pensionsanspruch hatten nur Beamte und Angestellte. Wenn man sich diese Ereignisse und die Umstände in Erinnerung ruft, kann man vielleicht auch die Not in Polen, aber auch den Stand unserer heutigen Lebenssituation daran messen . Freuen wir uns über das Erreichte und hüten wir uns vor der Gefahr, das Maß zu verlieren. Verlierer dabei wären in erster Linie jene, um die wir uns Sor- gen machen, nämlich die Jungen." Nach den Ausführungen von Bürger- meister Weiss informierte Diplomkauf- mann Alfred Herzig, Vorstandsdirektor der Steyr-Daimler-Puch AG, über die wirtschaftliche Situation aus der Sicht sei- nes Unternehmens. Herzig vermutete eine weitere Ausbreitung der bestehenden Re- zession, trotz großer Anstrengungen in aller Welt, der Entwicklung gegenzusteu- ern. Die stark exportorientierte Steyrer Industrie sei weitgehend von weltwirt- schaftlichen Einflüssen abhängig. ,,Für die Steyr-Daimler-Puch AG ist es unumgäng- lich notwendig", sagte Herzig, ,,insbeson- dere für den Raum Steyr, im Rahmen der Militärproduktion arbeiten zu können, ex- portieren zu können, das hat einerseits den direkten Beschäftigungseffekt, aber auch den ebenso wichtigen Ertragseffekt, wir müssen auf die Ressourcen, die aus diesem Geschäft zu holen sind , zurückgreifen, dies im Interesse der notwendigen Innova- tionen im Zivilsektor. " Herzig bekannte sieb zur Weiterführung zukunftsorientier- ter Investitionen zur Erhaltung der Wett- bewerbsfähigkeit und nannte als Voraus- setzung zur Erreichung der für 1982 ge- setzten Ziele die volle Förderung der Ex- porte und der Steyrer Auslandskoopera- tionen durch die Kontrollbank, die Bereit- stellung langfristiger Kredite zur Finanzie- rung der Kreditwünsche ausländischer Kunden. Als wichtigste Bedingung nannte Herzig die Erhaltung des Arbeitsfriedens, des „guten Klimas" in den Betrieben, das den bisher erreichten Wohlstand über- haupt erst möglich gemacht habe.

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