Amtsblatt der Stadt Steyr 1982/1

weist zwar eine rund zwölfprozentige Steige- rung gegenüber dem Vorjahr auf, der Haupt- umsa tzzuwachs entstammt jedoch auch in der Sparte Wälzlager den Exportgeschäften. Zusammenfassend kann zu den Budgetzie- len 1982 bemerkt werden, daß sie neben wirtschaftlichen Gesichtspunkten verstärkt unter dem Aspekt der Aufrechterhaltung des hohen Beschäftigungsniveaus erstellt wurden. So ist für 1982 die Beschäftigung von durch- schnittlich mehr als 9500 Arbeitnehmern ge- plant, was einer Beibehaltung des 1981 er- reichten hohen Beschäftigungsniveaus ent- spricht. Die Voraussetzungen dafür bilden nicht zuletzt die budgetierten Investitionen, welche für 1982 in der Vorjahrsgrößenordnung lie- gen _und etwa 460 Mi llionen Schilling im Bereich Nutzfahrzeuge , Landmaschinen und Wälzlager ausmachen werden . Wir blicken nun mit gemischten Gefühlen und der Hoff- nung, daß sich die We ltwirtschaft erholen möge, in das Jahr 1982. Meinungsumfragen ergaben , daß die Menschen in der Welt verunsichert sind, um ihre Arbeitsplätze und um il1re soziale Sicherheit fürchten. Und dies nicht unbegründet. Hören wir doch täglich von Millionen von Beschäftigungslosen, vom Anstieg der Insolvenzwelle, von der zukünfti- gen Nichtfinanzierbarkeit unseres sozialen Sys tems. Sehr oft wird nun die Frage gestellt, wie es weitergehen soll , Nachdem diese Ver- unsicherung nicht seit gestern, sondern schon seit eini_gen Jahren , genaugenommen seit der ersten Olkri se im Jahr 1974, anhält, glaube ich , daß es an der Zeit ist, unsere Position, wo wir stehen und was wir zu erwarten haben, genau festzulegen. Man spricht von konjunk- turellen Abtlachungstendenzen, von vorüber- gehender Krise oder Strukturkrise. Liegt eine soche tatsächlich vor? Können wir die Pro- bleme, die vor uns liegen, lösen, ohne unsere Verhaltensweise grundsätzlich zu ändern? Begehen wir nicht den Fehler, die Gegenwart relativ zur Zukunft zu überschätzen? Ich bin der festen Überzeugung, daß die wahre Be- drohung für uns in den schleichenden Folgen der ungelösten Probleme aufgrund zu kurz- fristig orientierter Entscheidungen und Maß- nahmen liegt. So zum Beispiel versucht unser Unternehmen seit Jahren, dem zunehmen- den Kostendruck durch Rationalisierung und Emsparungsmaßnahmen zu begegnen. Wir haben stolze Erfolge erzielt. Allein im Be- reich Nutzfahrzeuge und Landmaschinen ha- ben sich seit 1977 die Kostensenkungspro- gramme auf rund 357 Millionen Schilling j ährlich addiert. Trotzdem hat sich dadurch unsere Konkurrenzfähigke it nicht wesentlich verbessert, weil gleichzeitig der Personalauf- wand sich überproportional zur Anhebung der Preise für unsere Produkte entwickelt hat. So sind zum Beispiel die Nettopreise im Nutzfahrzeugbereich von 1970 auf 1980, je nach Type, zwischen 53 und 67 Prozent angehoben worden. Die Personalkosten pro Mitarbeiter jedoch sind im selben Zeitraum um mehr als 160 Prozent gestiegen. Die ungünstige Entwicklung der Preis-Kosten- Schere kann durch Rationalisierungs- und Einsparungsmaßnahmen, so notwendig und wichtig sie sind, nicht verhindert werden, weil einerseits immer mehr und billigere Produkte angeboten werden und wir ander- seits der Kostensteigerung nicht Einhalt ge- bieten konnten. Auch die laufenden technischen Verbesse- rungen unserer Produkte, sei es die Lebens- dauer, die Verbrauchsoptimierung, der Fahr- komfort, hat unsere Konkurrenzfähigkeit gegenüber dem Mitbewerb zwar erhalten, ein J ohan J ulius Feichtinger bedeutender Vorsprung ist uns aber damit nicht gegeben. Wenn wir daher die Proble- me, die uns vor allem die zweite Hälfte der siebziger Jahre gebracht hat, meistern wollen, nämlich den starken Warenüberschuß durch Rückgang des Bedarfes nach Beendigung des Aufholprozesses und der damit gegebenen Marktsättigung; die Rohstoffverteuerung, insbesondere der Erdölprodukte bis zum 20fachen innerhalb weniger Jahre und starke Wechselkursveränderungen; neues Verhalten zwischen Industrie und Entwicklung.sländer - Zug zur internationalen Arbeitsteilung. Wenn wir diese Veränderungen meistern wollen, dann müssen wir vorerst erkennen, daß wir es nicht mit einer kurzfristigen Krise zu tun haben, sondern daß - wie Prof. Tichy es bezeichnet -, ein tiefgreifender Struktur- bruch vodiegt. Dieser Strukturbruch wird noch überlagert durch ein offensichtlich be- vorstehendes langes Tal der Weltkonjunktur, das erfahrungsgemäß nur mit neuen Techno- logien und dem damit gegebenen Bedarfs- schub gemeistert werden kann. Nach dieser Erkenntnis müssen wir handeln. Die ersten Schritte diesem Strukturbruch zu begegnen, sind wir bereits gegangen. Durch unsere Kooperations-, Lizenz- und Kompensationsverträge sind wir der Forde- . rung nach internationaler Arbeitsteilung ge- recht geworden, dem weltweiten Warenüber- schuß sind wir durch Erschließ ung teilweise geschützter Märkte begegnet, der Rohölver- teuerung d_urch verbrauchsgünstigere Aggre- gate. Wir werden uns in Zukunft noch stärker der Innovation und den technisch anspruchs- vollen Produkten widmen, uns auf „Speziali- täten" verlagern müssen, um die Zukunft bewältigen zu können. Unserem Unternehmen stellen sich damit konkret drei Hauptaufgaben: Das Forcieren von Produkten, welche we- der jetzt noch in unmittelbarer Zukunft in Billiglohnländern erzeugt werden können. Dabei handelt es sich um Produkte, deren technologische Entwicklung noch nicht abge- schlossen ist, welche sich daher noch nicht zur Massenproduktion eignen und ZlLderen Fertigung hochspezialisierte Arbeitskräfte benötigt werden. Um zu solchen Produkten zu kommen, werden effiziente Entwicklungs- und Marke- tingabteilungen gebraucht. Ein einmaliger Entwicklungsschub wird nicht genügen, um einen Vorsprung nicht nur zu erringen, sondern dann auch dauernd halten zu können. Wenn wir uns nach den unmittelbaren Voraussetzungen zur Realisierung dieser drei Forderungen bei uns umschauen, werden wir feststellen, daß sehr wohl etwas in dieser Richtung vorhanden ist: Wir verfügen über hochspezialisierte Ar- beitskräfte. Wir haben sowohl eigene Entwicklungs- und Marketingabteilungen. Es existiert aufgrund der Einführung der spartenorientierten Organisationsform ein in- stitutionalisierter Kontakt zwischen Ver- kaufs- und Entwicklungsabteilungen . Was uns noch fehlt , ist die Erkenntnis , daß gewisse alte Erfahrungsregeln nicht mehr gelten und daß von einigen ILiusionen be- wußt Abschied genommen werden muß: In einer wahren Inflation der Ansprüche und Bequemlichkeit verloren die Menschen mehr und mehr die Fähigkeit, der harten Realität ins Auge zu sehen und sich zu behaupten. Die gegenwärtigen Probleme sind nicht vor- übergehend, haben wenig mit der derzeitigen Konjunkturlage und nichts mit irrationalen Angeboten einzelner Konkurrenten zu tun. Unsere Kalkulation dürfen wir nicht mehr an den Kosten ausrichten, die erzielbaren Erlöse sind es, we lche uns Aufwendungen diktieren werden . Dieses Umdenken mit einer Hin- wendung zu längerfristigen Strategien mag zwar einigen persönlichen Umstellungsauf- wand bedingen, viel schmerzhafter dürften jedoch die Folgen eines Vor-sich-Herschie- bens unserer Probleme mit einem dadurch bedingten Herabsinken unsererseits zur Be- deutungslosigkeit sein. Die Bewältigung des Strukturbruches kann jedoch nicht allein den Unternehmen und dem Markt überlassen werden. Eine ange- messene, den geänderten Verhältnissen ange- paßte Wirtschaftspolitik wird ebenfalls ihren Beitrag dazu leisten müssen. Sie muß die Voraussetzungen dafür schaffen , daß der Markt funktioniert bzw. funktionieren kann, sie muß ihn unterstützen. So ist zuallererst eine Unzah l administra- tiver Hemmnisse abzubauen, der Zugang zu Risikokapital zu erleichtern, auch im Hin- blick auf Betriebsgründungen. Das Problem des Innovationstransfers wird ebenfalls von der Wirtschaftspolitik aufzugreifen sein, denn dort ist der Markt allein nicht in der Lage, das zu lösen . Wie ein Zahnrad ein zweites benötigt, um seiner Funktion· gerecht werden zu können, wird auch die für ein langfristiges überleben notwendige Problembewältigung nur durch ein gesundes „Miteinander" zu bewerkstelligen sein. Wenn wir die Verände- rungen , die in der Welt vor sich gegangen sind, erkennen und der Realität ins Auge sehen und auch danach handeln, so können wir auch auf unsere Situation das Sprichwort anwenden: Die Lage ist ernst, aber nicht hoffnungslos. Die Hoffnung beruht darauf, daß man nun langsam den Ernst der Lage zu erkennen beginnt." 19

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