Amtsblatt der Stadt Steyr 1980/12

D Der Vormarsch der elektroni- schen Datenverarbeitung macht auch vor dem Grund- buch nicht halt. In einigen Jah- ren wird man nicht mehr in schweinsle- dernen Folianten handschriftliche Ein- tragungen über Hauseigentümer und Hypotheken studieren. Die Gewerbeord- nung 1973 löschte im Grundbuch die jahrhundertelange Tradition der radi- zierten Gewerbe. Seit Maria Theresias Zeiten gab es im Bereich der Stadt Steyr auf vielen Häusern radizierte Gewerbe, wie Messerschmiedgerechtigkeiten mit ihren Meisterzeichen, Wirth- und Leut- gebschaftsgerechtsame (Gasthöfe) usw. Ein Gewerbe war radiziert, wenn es durch gleiche Gewerbeleute auf demsel- ben Objekt durch mindestens 32 Jahre ausgeübt wurde und somit einen Teil des Hauses und seines Wertes ausmachte. Der Rechtspfleger Helmut Begsteiger vom Steyrer Grundbuch hat nun auf einem Steyrer Stadtplan im Maßstab l :1000 die am jeweiligen Haus betriebe- nen Gewerbe handschriftlich eingetra- gen. Dazu hat Begsteiger alle Objekte, soweit sie nicht demoliert wurden, mit der alten Conscriptionsnummer bis 1846, der neuen Konskr.-Nr. und der heutigen Anschrift bezeichnet. Der Rechtspfleger verfaßte außerdem eine Broschüre mit alphabetischem Verzeichnis der alten le, Doktormühle, Heindlmühle, Spitaler- haus, Riesengebäude u. a. lassen die Vergangenheit wieder auferstehen. Dazu ein interessantes Beispiel unter vielen: Beim Geburtshaus Josef Werndls am Wieserfeldplatz, bis 1846 die Consc. Nr. 44 Wieserfeld, ab 1846 KNr. 304, zeigt uns das Eigentumsblatt des Grund- buches Generationen von Neiger- schmiedmeistern (Bohrerschrniede): Vor 1782 bereits Gottfried Werndl, danach Benedict Werndl, Leopold und Josefa Werndl (die Eltern Josef Werndls) und ab 1846 den Neigeschrnied Josef Hauser. Die Neigerschmiedgerechtigkeit auf dem Haus hatte das Meisterzeichen „zwei Kreuze" oder „doppeltes Kreuz". Ist es im Steyrdorf der eisenverarbei- tende Einzelbetrieb, im Bereich des Stadtplatzes der reiche Handel sowie die Wirt- und Leutgebschaften, so erkennt man im Ennsdorf handwerkliche Zen- tren der Färber, Lederer, Weißgerber (deren drei Meister im Ennsdorf, einer im Reichenschwall vor dem Neutor seß- haft waren), und Hafner mit ihren tradi- tionsreichen Betrieben in der Langen Gasse, der Haratzmüllerstraße. Nicht zu- letzt war hier auch das Zentrum der Bräuer. Neben den fünf Bräumeisterge- rechtigkeiten mit Meistern wie Jäger von Waldau, Pacher, Seidl, Dorn, Haratz- So manche Bezeichnung erinnert an jene Epoche, da an allen Zufahrtsstraßen Mauthäuser standen: Neben dem Schnallentor ist das in der Langen Gasse gelegene kleine „Mauthhäusl", auch ,,Contumatshäusl" vielen bekannt. We- niger bekannt ist, daß direkt auf der heute so großzügig ausgebauten Schön- auerkreuzung ein Mautha us (Mauth- haus in der Schönau CNr.160), stand, ebenso in der Ortschaft Ramingsteg - heutiger Bereich Kreuzung Stadtbad und an der Kreuzung Sierninger Straße/ Annaberg, ein „Schrankenzieherhäusl" stand an der Kreuzung Sierninger Stra- ße / Mittlere Gasse, weiters ein Mauthaus im Bereich der Bahntrasse, CNr. 354, in Ennsdorf (heutige Bahnhofstraße bzw. Hessenplatz). Dem interessierten Betrachter des Pla- nes noch einige Bezeichnungen aus der Fülle der über tausend Eintragungen: „Insel Elba" - Grundstück im Bereich der 4. Zeugstatt; ,,Dreispitzelwiesel" - im Bereich Leitner- berg; ,,Wuest-, Paulingenius-, Morlin-, Mün- del-, Kraker- und Hörnerstadl" - Stadl- gebäude in der Schönau; „Ahlschmied mit dem Zeichen des Reichsapfels" - Ahlschmiedgerechtigkeit vormals auf dem Haus Sierninger Straße 111; Feilhauer 1'-lte Steyrer Gewerbe In Grundbuchaufzeichnungen und Bohrerschmiede Gewerbe, den Meisternamen und den Meisterzeichen. Als Grundlage dienten Helmut Begsteiger die beiden Grund- buchserien von 1773 und 1794 im OÖ. Landesarchiv, das nunmehr hundertjäh- rige und noch immer in Verwendung stehende Grundbuch von 1880 sowie das alte Bergbuch, aus dem alte Hammer- werke, Hütten und Bergwerke zu erse- hen sind. Das Bezirksgericht Steyr ist noch immer das Berggericht Oberöster- reichs. Begsteigers Aufstellung ergibt ein fas- zinierendes Bild der alten Gewerbe. Be- sonders in Steyrdorf ergibt sich bis in die sechziger und siebziger Jahre des ver- gangenen Jahrhunderts eine Ballung kleiner Einzelbetriebe der eisenverarbei- tenden Industrie. In jedem zweiten Haus wurde gehämmert, geklopft, gefeilt - an den vier Zeugstätten des Wehrgrabens gema].i.len, poliert und geschliffen. Namen wie Ennstaller - Kettenhuber- schleifen, Millnerhammer -, im Zusam- menhang mit Josef Werndl: Jochermüh- müller, Paulingenius u. a. erinnern alte Bezeichnungen, wie Bierquelle, Dünger- haus, Malztenne, an dieses Bräuerzen- trum. An die Wichtigkeit der Ennsschiff- fahrt erinnern die Schiffmeistergerech- tigkeiten, deren drei, und zwar die „Pet- zische, Winklersche und Lamperstorfer- sche" zuletzt am Haus CNr. 274 neu/16 alt im Eigentum der Faßzieherkommune (heute das lange Objekt an der Bahnhof- straße-Pachergasse) gemeinsam auf- scheinen. Hiezu die Bezeichnungen wie ,,Schiffbauplätze, (Zillen-)Schopper- häusl" und Generationen bekannter Schiffmeister wie Franz Xaver Gapp, Ignatz Gapp, Andreas Schradtbaur - Johann Riener, Joseph Riener - Joseph Reder als Hauseigentümer. Die Einzeichnungen im Plan erinnern aber auch an die Zeit des Bahnbaues der Kronprinz-Rudolf-Bahn: So kann man ersehen, daß um 1865/69 im Bereich der Schönau das Kronbachnerbaus , Buch- nerhaus, Schönfeinerhaus und Haller- Stadlhäusel demoliert wurden. ,,Feilhauer mit dem Zeichen der Helle- barten" - Feilhauergerechtigkeit auf Haus Sierninger Straße 36, zuvor Haus Fabrikstraße 32; „Messerschmied mit dem Zeichen des Rösls mit dem geraden Stingl" - Messer- schmiedgerechtigkeit auf dem Haus Mehlgraben 3; ,,Amoleia Haimbergerische Stiftung" - Heimbergerisches Benefiziatenhaus in der Berggasse; Flezerzöchs Stiftshaus" - Haus in der Berggasse; „Eisenheberhäusl" - Ennskai beim Landeplatz der Flösser; ,,Weisgärberwalk" - Walke der 4 bgl. Weißgerbenneister in der Fabrikstraße; „Schreinerhütte am Berg" - Objekt des Kürschners Franz Schreiner in der Berg- gasse; „Gartenhaus des Johan Christian Hirt in der Schweitzergassen" - späteres Petzen- gütl' ,,Maxenhäusel Unterm Himmel 27" - Geburtshaus Michael Blümelhubers. 35 / 447

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