Amtsblatt der Stadt Steyr 1980/11

Bundeskanzler Dr. Bruno KREISKY ging in seiner Ansprache kurz auf den Vorredner ein und würdigte dann besonders das Werk von Prof List: ,,Herr Landeshauptmann, Herr Bürger- meister, wenn man der letzte in einer langen Reihe von Rednern ist, sagt mir die Erfahrung, daß man nicht mit vorverfaß- ten Meinungen hierher kommen soll, weil man nicht weiß, ob man nicht Gefahr läuft zu wiederholen , ob man auch in der Lage ist, auf das einzugehen, was die Vorredner gesagt haben. Das zeigt sich auch heute wieder. Vor allem möchte ich dem Herrn Landeshauptmann von Oberösterreich danken für seinen ausgezeichneten Exkurs in die Gebiete des historischen Materialis- mus, den ich am wenigsten von ihm er- wartet habe. Mich hat seine Einleitung, daß er sehr oft nach Steyr kommt, an eine Feststellung erinnert, die ich vorher schon erwähnt habe, die ich als einer der Ehrenbürger der Stadt vielleicht machen darf, um so mehr als sie auch mich betrifft in anderen Tei- len. Als Kennedy nach Columbus, Ohio, kam, hat er gemeint, nirgends werde ich so freundlich empfangen, aber nirgends be- komme ich gleichzeitig so wenig Stimmen wie hier. Ich freue mich, daß wir hier erleben, wie eine Ehe ihre Verwirklichung findet. Als sehr junger Staatssekretär bin ich zu Herrn Prof. List nach Graz gekommen und habe mir damals sein Institut angesehen, und da ich kein technisch begaber Mensch bin - zumindest behauptet das meine Frau, was mich aber nicht daran hindert, gele- gentlich Dinge zu reparieren-, so habe ich mich natürlich für das sehr interessiert, was dort geschieht und geschehen ist, vor allem im Hinblick auf die vielen Aufträge, die aus dem Ausland kamen. Immer dann, wenn sich die Techniker nicht mehr zu helfen wußten, haben sie ihre Motoren- probleme der Anstalt des Prof. List über- geben und sie von dort in der Regel gelöst bekommen. Beim Weggehen hat Prof. List etwas gesagt, was mir für mein weiteres Leben sehr wichtig war. Ich weiß nicht , ob er sich selbst daran erinnert. Sinngemäß hat er zu mir gesagt: ,Wissen Sie, wenn bei einem Motor etwas Lärm macht, dann ist immer etwas schlecht daran. ' Das ist eine große Lebensweisheit, das gilt auch für andere Bereiche. Immer wenn irgendwo viel Lärm gemacht wird, muß etwas falsch sein. Ich freue mich, daß ich später seine Arbeiten an einem neuen Dieselmotor kennenlernen konnte, und ich freue mich auch, daß die Bundesregierung ihm in verschiedenen Augenblicken jene Förde- rung zuteil lassen werden konnte, die es ihm vielfach erlaubt hat, weiter zu arbei- ten. Das ist eine ideale Situation, die wir hier vorfinden. Ein bedeutender, großer österreichi- scher Wissenschaftler, ein Techniker, der es einfach nicht lassen lann, sein eigener Herr zu sein, der aber an der rauhen · Wirklichkeit immer wieder zu scheitern droht, er bekommt von der öffentlichen Hand immer wieder jene Förderung, die es ihm erlaubt, sein bedeutendes Werk zu vollenden. 12 / 376 Bundeskanzler Dr. Iüeisky: „l{ehre immer wieder zum Tatort zurück" Wenn wir uns heute hier in dieser wunderbaren Fabrikshalle besonderer Art befinden, dann ist das eigentlich sozusa- gen das Ergebnis dessen, was in kleinen, bescheidenen Werkstätten und Instituten des Herrn Prof. List hervorgebracht wur- de. So gratuliere ich den Steyr-Werken und Ihnen von BMW für die rasche Erkennt- nis, zu einem Zeitpunkt, wo andere noch lange überlegt haben, und dann schließ- lich das Rennen verloren haben, sie zuge- griffen haben und das mit zur Grundlage dieses gewaltigen Werkes gemacht haben, das hier sozusagen vor unseren Augen entsteht. Ich verspreche, daß ich bei jeder wesentlichen Eröffnungsfeierlichkeit gerne mit dabei bin, weil es nichts Schöneres gibt für jemanden, der an einem Schreib- Die Erfindungen des Motorenbauers Prof List haben bei der Entscheidung, dieses neue Werk zu bauen, eine wesentliche Rolle gespielt. Foto: Kranzmayr tisch sitzt und der in der Politik wirkt, Folgen und Auswirkungen dessen zu se- hen, was gedacht und geplant wird und wo er mit dabei sein konnte. Wir haben auch einen Beitrag geleistet, der nicht unwe- sentlich - ich weiß, daß die Herren von BMW und von Steyr etwas unzufrieden sind, weil sie der Meinung sind, daß es nicht ganz so viel ist, wie es hätte sein können - zum Gelingen beigetragen hat. Aber wenn jetzt auch nicht die Zeit für Versprechungen ist, so möchte ich doch sagen, daß ich mir jedenfalls bewußt bin , daß es zwischen uns noch eine Reihe offener Fragen gibt und da ich die Ge- wohnheit habe, immer wieder zum Tatort zurückzukehren, so werde ich mir immer wieder dieses Umstandes bewußt sein und auch weiter versuchen, einiges von dem wenigstens zu erreichen, was uns seinerzeit vorgeschwebt ist. Sie haben in einer erstaunlich kurzen Zeit diese Betriebsstätte fertiggestellt und ich möchte Sie dazu herzlichst beglück- wünschen, es ist ein Beweis für die Effekti- vität, für die Effizienz, mit der in beiden Unternehmungen gearbeitet wird. Ich bin auch mit den Problemen der Steyr-Werke auf verschiedenste Art konfrontiert wor- den und die Herren der Steyr-Werke wis- sen, daß es dort , wo es geht, ich Ihnen gerne zur Seite stehe. Daß es na türlich da und dort Probleme gibt, über die man in einem anderen Rahmen wird reden müs- sen, möchte ich nicht leugnen. Ich möchte meinen Glückwunsch ab- schließen in ähnlicher Weise, wie das der Herr Bürgermeister getan hat. Ich gehöre zu der Generation, die noch als Junger diese Stadt und die Region um diese Stadt erlebt haben. Erlebt haben das grenzen- lose, für junge Menschen von heute unvor- stellbare Elend der Menschen dieser Stadt. Sie war die ärmste in der armen Republik. Ich gebe der Hoffnung Ausdruck, daß diese Entwicklung so weitergeht wie bis- her, und daß diese Stadt und die Region um sie herum zu den reichsten in dieser Republik einmal zählen sollen." Bundeskanzler Kreisky im Gespräch mit BMW-Generaldirektor Eberhard von Kuenheim. Fotos: Hartlauer swyr

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