Amtsblatt der Stadt Steyr 1980/9
Neue Bilche 1000 Jahre österreichische Lyrik Joachim Schondorff: ZEIT UND E~IGKEIT. ~erausgegeben und einge- leitet von Joachim Schondorff, zweite, völ- lig_ neu bearbeitete Auflage. 616 Seiten, Lernen, Claassen-Verlag, Düsseldorf- Wien, DM 48.-. Die österreichische Lyrik wurde und wird in den traditionellen Lyrikantholo- gien unbekümmert der deutschen Dich- tung zugeschlagen, ihre Eigenständigkeit i:i:ur zögernd zur Kenntnis genommen. Osterreichische Dichter sind auch in neu- eren Gedichtsammlungen unterrepräsen- tiert. Welch große Bedeutung jedoch gera- de die österreichische Lyrik für die deutschsprachige Dichtung hat, ist in ZEIT UND EWIGKEIT - der ersten großen ~thologie nach der 1948 erschie- nenen „Osterreichischen Lyrik aus neun Jahrhunderten" - eindrucksvoll dokumen- tiert. Die Namen von Walther von der Vogelweide, Oswald von Wolkenstein, Ferdinand Raimund, Johann Nestroy, Ni- kolaus Lenau, Adalbert Stifter, Marie von Ebner-Eschenbach, Arthur Schnitzler, Hugo von Hofmannsthal, Karl Kraus, Rainer Maria Rilke, Georg Trakl, Josef Weinheber, Theodor Kramer, Ernst Schönwiese, Rose Ausländer, Friedrich Torberg, Heinz Politzer, Paul Celan, Erich Fried, llse Aichinger, Ingeborg Bachmann, Peter Handke und vieler anderer stehen für ?i_e eigenständige Entwicklung und Trad1t1on österreichischer Dichtung. Joachim Schondorff hat „gegenüber der ep1_gonalen Gefühls- und Bildungslyrik weit größere Zurückhaltung geübt als dies m den populär gewordenen Anthologien üblich war. " Statt dessen wurden zum Teil unveröffentlichte Gedichte junger Auto- ren, Dialektgedichte, Volkslieder, Mar- terln, Trouvaillen, Flugblattgedichte, Lie- der und die österreichischen National- hymnen aus hundertfünfzig Jahren aufge- n?mmen und . so die Lebendigkeir und Vielfalt von tausend Jahren österreichi- scher Lyrik sinnfällig gemacht. ZEIT UND EWIGKEIT ist ein Buch, in dem Entdeckungen zu machen sind, ein Lese- buch, das unerschöpflich ist. Wunder der Verwandlung Willy Puchner: BÄUME. Texte von Hermann Hesse. 48 Seiten mit 26 Farbab- bildungen, 27 mal 21 cm, Leinen, vierfar- biger Schutzumschlag, S 298.-, Maiden Verlag. steyr ,,Es gehört zum Wesen der Natur", sagte Hermann Hesse, ,,daß sie Realität zu gesteigertem Ausdruck bringt und einen geheimen Sinn der Natur enthüllt, den zu fmden oder zu verdichten dem Menschen ein uraltes Bedürfnis ist." Der österreichi- sche Fotograf Willy Puchner zeigt uns mit Bildern flüchtiger Naturstimmungen, wel- che Schönheit sich einem sehenden Men- schen offenbaren kann. Als Symbolfigur des Außermenschlich- Lebendigen bringt Puchner die Baumge- stalt ins Bild, die uns im wechselnden Licht des Tages und im Laufe der Jahres- zeit mit Wundern der Verwandlung be- glückt. Daß solche Erlebniswerte in einem Buch sichtbar werden, ist auch beglük- kend. Stimmig mit der Bildaussage sind die Texte von Hermann Hesse. Sie ergän- zen einander in großartiger Weise. Hüte auf Köpfen aus Beton Johann Kräftner / Peter Daniel Wolf- kind : DÄCHER. 96 Seiten mit 65 Bildern. S 198.-, Verlag Niederösterreichisches Pressehaus. Johann Kräftner, Assistent am Institut für Gestaltungslehre der TU Wien, lenkt unseren Blick auf Formen, die der Mensch den Dächern seiner Bauwerke gibt. Mit künstlerisch gestalteter Schwarzweißfoto- grafie macht der Autor die herrlichen Strukturen des Materials (Ziegel, Schiefer, Stein) sichtbar, das im spannungsreichen Kontrast zur Formensprache der Archi- tektur steht. Kräftners Fotos machen schmerzlich spürbar, welche Erlebniswerte verloren gehen, wenn auf die in unseren Tagen entstehenden Bauwerke Dächer mit gesichtslosem Material aufgebracht wer- den. Dem Bildteil des Buches hat Peter Daniel Wolfkind eine bezaubernde Erzäh- lung über die „Hüte auf Köpfen aus Beton" vorangestellt. Zeit-Dokument E. M. Cioran: LEHRE VOM ZER- FALL, Essays. Übertragen von Paul Ce- . Jan. 222 Seiten, Leinen mit Schutzum- schlag, 24 DM, Verlag Klett-Cotta. 25 Jahre ist es her, daß die erste deutsche Ausgabe dieses Werkes fast gleichzeitig erschien und verschwand. Kri- tiker und Leser bemerkten damals nicht, daß hier ein Schriftsteller (Rumäne von Geburt, aber seit langem in Paris lebend) den · französischen Existentialisten an die Seite trat, der die Welt anders sah als sie. Nicht Revolte forderte er - wie Camus - , sondern Resignation und Tatenlosigkeit. Denn alle Tat ist für ihn unweigerlich ein Beitrag zum Zerfall zur weiteren Zerset- zung der Welt, sie verstärkt nur das Elend des Menschen, wie das auch die Empfin- dungen tun, die „Auswirkungen der Drü- sen". Die „Heiligkeit des Müßiggangs" und die Kontemplation sind die einzig möglichen Formen des Verhaltens. Nur der Einsame ist der Mensch, der die ursprüngliche Reinheit, mit der jeder von uns in die Welt gekommen ist, dauernd zu bewahren vermag. Die „Lehre vom Zer- fall" ist ein desillusionierendes Buch, aber auch ein Buch voller Paradoxien. Es ist ein wichtiges Dokument für das Weltver- ständnis unserer Zeit. Das Werk war lange vergriffen und wurde unverändert neu gedruckt. Steyr im Mundartgedicht Josef Hochmayr: ,,A GSENGTS LANDL." Illustration: Georg Hochmayr. 59 Seiten, S 85.-, Verlag Welsermühl. Zur Feier des tausendjährigen Beste- hens der Stadt Steyr ist soeben ein Mund- artbändchen erschienen. Josef Hochmayr tut dies als Bürger dieser Stadt und noch dazu als begeisterter Freund unserer Mundartdichtung mit dem Bändchen „A gsengts Landl". Wie könnte es zu diesem Anlaß und als Bürger der Stadt anders sein, als daß er gleich einleitend mit dem Gedichtzyklus „Wo ih aufgwachsn bi" einen Kranz zum Schmuck des Steyrtals windet. Blumenbinder zu diesem Kranz finden wir auch im nächsten Zyklus „Was oan' olls unterkimmt". Da steht er bei der „hohn Lindn" oder am „Goaßberg" und hält so seine Betrachtungen über die Schönheit der zu seinen Füßen liegenden Stadt. Ja sogar mit einem „alten Eisen- hammer" oder einer „Boanstampr' hält er Zwiesprache und ist betrübt, daß es diese idyllischen Arbeitsstätten nicht mehr gibt. Ganz besonders schöne Bilder finden wir im Gewinde dieses Kranzes im letzten Abschnitt, ,,A weng wo.s fürs Gmüat", der von seinem Leben und seinen Erlebnissen in der Jubiläumsstadt berichtet und mit dem Jubel- und Preislied „Der Steyrer Stadt zan Tausender" ausklingt. Gesundheit und gebaute Umwelt Rudolf Preuner: GESUNDHEIT UND GEBAUT_E UMWELT. Einführung in die Wohnhygiene Paperback, 112 Seiten, Deutsche Verlagsanstalt. Die Wohnungen, die in den letzten Jahrzehnten gebaut wurden, sind oft we- der familien - noch kinderfreundlich. Lan- ge Zeit wurde fahrlässig versäumt, den Wohnbedürfnissen der Familie in der je- weils erforderlichen Art Rechnung zu tra- gen und sie in die zentrale Planung des Siedlungs-, Städte- und Wohnungsbaus zu übernehmen. Außerdem kamen die Ar- beitsphysiologie und der Unfallschutz fast immer zu kurz. Um wieder anziehende und lebendige Städte und familiengerechte Wohnungen zu schaffen, ist eine Zusammenarbeit der Architekten mit Fachleuten anderer Diszi- plinen unerläßlich. Hier zeigt Professor Preuner die Gefahren aus der Sicht des Hygienikers auf. Er verdeutlicht, welche Fehler in der Vergangenheit gemacht wur- den und welche sozialen und hygienischen Schäden die Folge waren . Besonderes Ge- wicht legt er auf die zunehmend bekannt gewordenen psychohygienischen Folgezu- stände. Hieraus leitet er physiologisch be- gründete Forderungen für zukünftige Pla- nungen ab. 17/ 313
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