Amtsblatt der Stadt Steyr 1980/5

A llein die Tatsache, daß in Steyr erstmals ein ernsthafter Literatur- wettbewerb veranstaltet wurde, ist a priori zu honorieren. Durch die- se Ausschreibung wurden junge Talente gleichsam ans Tageslicht geholt und einem breiter gestreuten Publikum bekanntge- macht. Die Themenkreise „Steyrer Zeitge- schichte" und „Arbeitswelt" forderten eine kritisch-literarische Auseinandersetzung mit der Grundsituation eines jeden Men- schen. Eine zweite Absicht war es , die Festlichkeiten zur 1000-Jahr-Feier mit ei- ner für Steyr unverwechselbaren Aktion zu ergänzen. Eine Jury, bestehend aus Schriftstellern (Christian Wallner, W. J. M. Wippersberg, Heinz V. Vegh) , AHS- Lehrern (Gerhard Klausberger, Karl M. Kubizek) und Journalisten aus Rundfunk und Presse (Peter Kraml, Georg Schipek) befand bei den mit Kennwort versehenen eingesandten Arbeiten über Qualität und Preiswürdigkeit. Der in Wien lebende Steyrer Ernst HA CKL (links im Bild) erh ielt den Literatu,preis fü r Z eitgeschichte, Harald FRJEDL aus Steyr, der in Salzburg studiert, wurde fü r seine Arbeit zum Th ema ..Arbeitswelt " mit dem ! . Preis ausgezeichnet. Fotos: Kranzmayr Beim Thema „Zeitgeschichte" gab es einige Schwierigkeiten bezüglich der Be- griffsbestimmung: Die Auffassungen reichten bei den Bewerbern von lexika- lisch verwertetem Wissen, z. B. über die Entstehung der Styraburg, bis zu losen Bezügen von Zuständen ganz allgemeiner Natur. Es bedeutete also für die Juroren einige Mühe, überhaupt themengerechte Texte herauszufinden. Für junge Autoren war es aber auch schwierig, die beiden Die anschließende Diskussion entzün- dete sich am Text Grünmüllers, um als- bald in persönlichen Ping-Pong abzuglei- ten. Es ging um die grundsätzliche Frage, ob das Privatleben eines Autors, ja sein Charakter, für den Gehalt seines Textes von Bedeutung sei . Die Meinungen hiezu gingen heftig auseinander. Das zum Teil emotionale und agressive Reagieren er- klärt sich aus der Situation der örtlich gegebenen literarischen Großfamilie, wo Lebenszeichen einer bisher stummen Autorenschaft Preisverleihung zum Literaturwettbewerb ,,Junges Steyr 80" Kriterien - historische Auseinanderset- zung und persönliches Erlebthaben - unter einen Hut zu bringen; zumindest waren Mißverständnisse nicht auszuschlie- ßen. Der verdiente 1. Preis ging an Erich Hackl, geb. 1954 in Steyr, derzeit als Lehrer und Journalist in Wien tätig. Er veröffentlichte bereits in in- und ausländi- schen Zeitungen, bekam 1979 die Talent- förderungsprämie des Landes Oberöster- reich. In seinem Text „Hunger nach Wi- derstand" geht es um einen jungen Mann, dem es ein brennendes Anliegen ist, Ge- schichte als gegenwärtig zu erfahren, der Steyrer Widerstandskämpfer befragt, um sein Manko an schulischem Wissen auszu- gleichen. Dieses historische Beispiel des Mutes ermöglicht ihm ein Ausharren in der Gegenwart. Es gab noch zwei Aner- kennungspreise. Der eine entfiel auf Ka- tharina Varjai, geb. 1957 in Steyr, die in ihrem Text „Jänner 57" das Schicksal ungarischer Flüchtlinge in Steyr aufgriff. Die Autorin aktualisierte, indem sie ihren Beitrag stellvertretend für das Flüchtlings- problem im allgemeinen verstanden wis- sen wollte. - Den anderen bekam Andreas Grünmüller, geb. 1960 in Steyr, für seinen Text „Man saß zusammen" , wo es um die Schwierigkeiten geht,. in Steyr kulturelle Initiativen zu setzen. 36/180 einer den anderen kennt, wodurch zu subjektivem Urteilen verleitet wird. Das Thema „Arbeitswelt" war klarer definiert und auch durch das vorangestellte Motto ,,Fragen eines lesenden Arbeiters" (B. Brecht) in eine eindeutige Richtung gelei- tet. Es war daher in den Beiträgen nur von schwerer körperlicher Arbeit die Rede. In die engere Wahl kamen Texte, die die Realität gegenwärtiger Arbeitsbedingun- gen schildern und die Möglichkeit einer Veränderung nicht ausschließen; ebenso zählte sachliche Wahrhaftigkeit. Der Stey- rer Harald Friedl (geb . 1958) geann den 1. Preis. Neben seinem Studium erwarb sich der Autor des Textes „Zwiebelsuppe" Er- fahrungen als Akkordarbeiter in den Stey- rer-Werken. Es gelang ihm über das Maß einer Talentprobe hinaus, diese Erfah- rungen literarisch umzusetzen. Es war der einzig heitere Text. Anerkennungspreise bekamen 1. der Steyrer Manfred Maurer (geb. 1958), der in seinem Text „Buster Oder das Leben ist nicht immer ein reines Vergnügen" in detaillierter Selbstdarstel- lung die Situation eines arbeitslosen Ju- gendlichen in Form von Selbstgesprächen nahezubringen versteht. 2. der Linzer Jo- hann Distlbacher (geb. 1936), der schon bei einigen Bewerben als Preisträger her- vorging. In seinem Text „Ungelernt" wer- den Zusammenhänge zwischen Familie und Arbeitsplatz aufgezeigt, die wechsel- seitige Beeinfluss ung beider Bereiche. Auch am zweiten Abend wurde hefti g diskutiert, diesmal ging es aber um allge- meinere Anliegen. Es ergab sich zwangs- läufig die Frage, ob ein Akkordarbeiter in seiner Tä tigkeit Befriedigung oder gar Freude find en könne: sie mußte mit nein beantwortet werden. Es kam schließlich zur res ignativen Einsicht, daß es nicht Aufgabe der Literatur sein kann, di e Welt zu verändern, daß sie bestenfa lls Mißstän- de aufze igen könne, um Bewußtseinsände- rungen herbeizuführen. An beiden Bewerben beteiligten sich insgesamt 28 Autoren. Ein bescheidener Beginn. Die Qualität der prämiierten und weiteren Texte der engeren Wahl bestätigt jedoch nachträglich die klare Berechti- gung solcher Initiativen und läßt auf Fort- setzung hoffen. Marlen Krisper Dechant Ernst Pimi11gs- torfer zelebrierte am 2 7. April in der Pfarrki rche St. Michael anläßlich der Eröffnung der Ha/1- stall-A usstellung einen Festgottesdienst, bei dem die Harmoniemesse von J oseph Haydn auf- gefiihrt wurde. Es sang der Madrigalchor S1ey1; die Solisten waren Gun- di Klebe i (Sop ran) Si- grid Hagmüller (A lt), Adolf Tomaschek (Te- nor) und Friedrich Of- ner (Baß). Es spielte das Bruckner-Orchester Linz, die Gesamt leitung lag in den Händen von Prof Otto Su /zer. Auf der Orgel spielte Prof Johann Wilfried Hübl aus Linz Werke vo11 J . S. Bach. Alle M it wir- kenden dieser kirchen- musika/ischen A uffiih- rung fanden sich zu ei- ner großartigen künstle- rischen Leistung. Dieses Hochamt war eines der großen Ereignisse des J ubiläwnsjahres. Fotos : Kranzmay r

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