Amtsblatt der Stadt Steyr 1980/4
Erinnerung an die Vergangenheit: Vor 35 Jahren Geburtsstunde der Zv Steyr nach dem zweiten Weltkrieg Vor 35 Jahren endete mit dem Zusam- menbruch der Hit/er-Diktatur der Zweite Weltkrieg. Am 27. April l 945 wurde die Zweite Republik Österreich gegründet. Vor 25 Jahren, am 15. Mai 1955, unterzeich- neten die Außenminister der vier Groß- mächte im Marmorsaal des Schlosses Bel- vedere in Wien den österreichischen Staats- vertrag. Historische Fakten, an die wir uns in diesen Tagen erinnern sollten. Welch existentielle Bedeutung diese Ereignisse für die leidgeprüften Menschen unseres Landes hatten, wird aus der Radioansprache spür- ba,~ die der damalige Bundespräsident Theodor Körner anläßlich der Unterzeich- nung des Staatsvertrages gehalten hat: „Der Tag der vo llen Freiheit für Österreich ist endlich angebrochen, der Tag, auf den wir durch ein halbes Menschenalter gehofft und gewartet haben. Ein we ltgeschicht liches Unrecht, das einem wehrlosen Lande zuge - fügt wurde, ist gutgemacht. Das österreichi- sche Volk, das sich in den letzten Jahren aus 1iefster No t und unvorstellbarem Elend zu neuem bescheidenem Wohlstand empor- gearbeitet hat, wird sich der Freiheit würdig erweisen und, ganz auf sich selbst gestellt, erst recht zeigen, was es kann ... " Der 35. Jahrestag der Gründung der Zweiten Republik ist uns Anlaß zum Rück- blick, wie es Steyr in der letzten Phase des Krieges und in der Zeil der Besatzung ergangen ist. Wir zitieren Auszüge eines Berichtes von Dr. Erlefried Krobath. Obgleich Steyr im Zweiten Weltkrieg von direkten Kampfhandlungen verschont blieb, erlitt es doch durch die im Jahre 1944 einsetzenden amerikanischen Luftan- griffe bedeutende Verluste an Menschen- leben und mußte große Materia_lschäden hinnehmen. Den schwersten Bombenan- griffen war die Stadt am 23. und 24. Februar 1944 sowie am 2. April 1944 ausgesetzt. An diesen Tagen wurden drei Luftangriffe auf die Stadt durchgeführt, darunter ein Nachtangriff. Am ersten nah- men 30 und am zwei ten 100 Bomber teil. Beim achtangriff konnte die Zahl der Flugzeuge nicht festgeste llt werden. Es wurden in der Stadt insgesamt 199 Perso- nen getötet: 103 einheimische Männer, Frauen und Kinder, 21 Soldaten, 45 aus- ländische Arbeiter und Arbeiterinnen und 30 Kriegsgefangene. Außerdem waren 103 Schwerverletzte und 97 Leichtverletzte zu verzeichnen. 1603 Zivilpersonen wurden obdachlos, da 87 Gebäude totale, 103 schwere, 77 mittlere und 355 leichte Schä- 12 / 120 Russische Zonen- grenze an der Ennsbrücke. den erlitten. Die Tage des Dritten Reiches waren gezählt. Am 27. April 1945 war in Wien schon eine provisorische österreichi - sche Regierung gebilde t worden . In Steyr berieten sich am frühen Vor- mittag des 2. Mai führende Funktionäre der NSDAP, unter Vorsitz des Kreisleiters, mit Offizieren der Garnison, um zu erör- tern, ob man die Stadt beim Heranrücken der alliierten Truppen verteidigen solle oder nicht. Man kam zum Schluß, keinen Widerstand zu leisten und die bereits an den Stadtbrücken angebrachten Sprengla- dungen entfernen zu lassen. Anschließend an diese Besprechung erfolgte eine weitere Konferenz eines Teiles der Parteifunktio- näre, die mit diesem Beschluß nicht ein- verstanden waren. An dieser nahmen kei- ne offiziellen Vertreter der Wehrmacht teil, doch wurden zwei Offiziere beigezo- gen. Diesmal wurde endgü ltig beschlos- sen, die Sprengladungen an den Brücken nicht entfernen zu lassen und diese, bei drohendem Heranrücken der Gegner, zu sprengen. Steyr sollte mit dem in der Artilleriekaserne befindlichen Militär und dem am 4. Mai aus Steyr nach Molln verlegten und am folgenden Tag wieder nach der Eisenstadt in Marsch gesetzten Grenadier-Ersatz- und Ausbildungsbat- taillon II / 130 verteidigt werden. Inzwi - schen war der Kampfkommandant der Stadt abgerückt. Der Wehrbezirkskom- mandeur, Oberst Lechner, übernahm nun I das Kommando über die Stadt. Als neuer Befehlshaber verfügte er die Entfernung der Sprengladungen an den Brücken und verbot militärischen Widerstand. Ehe je- doch diese Befehle zur Durchführung ka- men, erschien Gauleiter Eigruber in der Stadt, hielt in der Bibliothek des Schlosses Lamberg in Gegenwart der politischen Leiter und der Kommandanten der Ein- heiten des Volkssturms über den Rund- funk eine Ansprache an die oberösterrei- chische Bevölkerung, in der er sie zum Ausharren aufforderte. Hierauf setzte er seine Flucht ins Ennstal fort. Er lud auch den Steyrer Oberbürgermeister Ransmayr ein, ihn zu begleiten, doch dieser erklärte, er sei alt und krank und habe auch niemand ein Leid zugefügt, er wolle in Steyr bleiben. Bein1 Näherkommen der Amerikaner zogen sich die in der Stadt noch vor hande- nen Truppen der deutschen Wehrmacht, wie die Flakeinheiten auf der Ennsleite und die im Reithofferlager stationierten Angehörigen der SS, kampflos zurück. Der Befehlshaber der SS-Abteilung er- schoß sich. F ür die Verteidigung waren im engeren Stadtgebiet 30 Panzersperren und Tor- sperren in den Häusern am Ennskai, be_i_m Schloß Lamberg und in der oberen O1- berggasse errichtet worden. Am Tabor und im Karolinental hatte man Bunker- gruben oder Schützengräben angelegt. Als steyr
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