Amtsblatt der Stadt Steyr 1980/2

reich von Rußland bis Frankreich mit Kontakten zu Südeuropa, zu den Grie- chen und Etruskern. Am deutlichsten sprech~n für die Hallstattzeit die kulturel- len Erzeugnisse. So fand man als Grabbei- gaben eine Fülle von Fibeln, mit denen die Frauen ihre Kleider - gewissermaßen wie mit einer Sicherheitsnadel - zusam- menhielten. Die Fibeln sind so zahlreich, daß man sie - nach ihrer Form - in Tierfibeln, in Kahnfibeln, in Halbmondfi - beln, in Schlangenfibeln, in Scheibenfi- beln und in Spiralfibeln ordnete. Dazu kommen Nadeln, Ringe, Gürtel, Kultge- genstände, Gefäße usw. Alle diese Dinge verraten einen hohen Geschmacksinn und ein bedeutsames künstlerisch-hand~erk- liches Können. Das Wissen um den hallstattzeitlichen Menschen nimmt laufend zu: Forscher und Gelehrte sind bemüht, immer mehr von ihm zu erfahren, und das ist nötig, denn es gibt noch viel Ungeklärtes. Dazu gehören die Fragen nach der Religion, nach den Formen des Gemeinwesens und der Gesellschaftsstruktur, nach der Stam- mesgliederung und nach dem Zusammen- leben überhaupt. Es fehlen eben für die Hallstattzeit weitestgehend schriftliche Zeugnisse, wodurch die Arbeit der Wis- senschaftler sehr erschwert wird. Das Land Oberösterreich sieht es nun als eine Aufgabe an, das Thema „Hall- 12 / 48 Weinkanne aus Bronze, Ende 8. Jahrhundert vor Christus, aus Pertuis (Frankreich). stattzeit und Hallstattkultur" in jeder Hin- sicht zu unterstützen und zu fördern . Die Ursache für dieses Bemühen ist leicht erklärbar: die Siedlung Hallstatt - ur- kundlich 1311 als Markt bezeichnet - liegt in Oberösterreich, und die „Hallstattzeit" wird nach ihr benannt. Es war daher ein langgehegter Plan, in Oberösterreich eine internationale Ausstellung zu etablieren, mit der die gesamte Hallstattkultur prä- sentiert werden soll. Als Ort dazu wurde die Stadt Steyr bestimmt, die 1980 ihre Gründung vor tausend Jahren feiert. Für die Ausstellung „Die Hallstattkultur - Frühform europäischer Einheit", die am 22. April 1980 eröffnet wird, mußte das Schloß Lamberg zu Steyr umfassend reno- viert werden. Für die Schau stehen 1500 Detail der Weinkanne aus Pertuis. Quadratmeter zur Verfügung; als Leihge- ber scheinen neben österreichischen Mu- seen prähistorische Sammlungen in Deutschland, Frankreich, Jugoslawien, Ungarn, in der Schweiz, der Tschechoslo- wakei und der Sowjetunion auf. Als Höhe- punkte und Schätze von Weltbedeutung werden unter anderem das Golddiadem aus dem Fürstengrab von Vix, der Fund von Fokoru aus Budapest, die Situla (Schnabelkanne) von Vace (Laibach) und ein hallstattzeitlicher Panzer samt Maske und Händen gezeigt. Ein Stollen, wie er vor mehr als 2000 Jahren zum Salzabbau Verwendung fand, wird originalgetreu nachgebildet und kann von den Besuchern begangen werden. · Die Akademie der UdSSR hat dem Land Oberösterreich offiziell zugesichert, daß sie für die internationale Ausstellung „Die Hallstattkultur" wertvolle Leihgaben zur Verfügung stellt. Bei den Gegenstän- den handelt es sich um Funde aus der Zeit von etwa 900 bis 650 v. Chr. Da die Hallstattkultur an diese Epoche an- schließt, sind die sowjetischen Exponate für die Schau im Schloß Lamberg von ganz besonderer Bedeutung. Zu erwarten sind Dolche, Schleifsteine, Schläfenringe, Fibeln und Gefäße aus Gold, Bronze und Eisen, die in einem Kurgan (Grabhügel) im Gebiet von Laporoschje entdeckt wur- den . Nach Steyr kommen ferner der Hauptfund aus dem Kurgan des Dorfes Zolnoje bei Simferopol und der Schatz von Nowotscherkassk, der vorwiegend aus Bronzeobjekten besteht. Außerdem wer- den zahlreiche Einzelstücke wie Zaum- zeug, Pfeilspitzen, ein Schwert, eine Axt usw. erwartet, die zum Teil aus dem Kurgan von Nosatschewo stammen. Die Leihgaben werden von zwei sowjetischen

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2