Amtsblatt der Stadt Steyr 1980/1

E r kennt die Fußballstadien in ganz Europa und hat Dänemark zu seiner zwe iten Heimat ge- macht - aber von Zeit zu Zeit zieht es ihn doch wieder in seine Heima t- stadt Steyr zurück: Rudi Strittich, derze it Trainer des dänischen Erstdivisionärs Esb- jerg. Seine ersten Fußballschuhe ze rriß er als Jugendlicher im Dreß des SK Vorwärts Steyr. Als er sch ließlich von Vienna enga- giert wurde , brnchte er es auf je sechs Be- rufungen in Osterreichs A- und B-Team. Als man im Ausland auf ihn aufmerksam wurde und er nach Kolumbien (San Ma- rias) übersiedelte, war es mit seiner Team- karriere vorbei, denn Legionäre wurden damals nicht ins Team geholt. Nach dem Abstecher nach Südamerika ging Strittich in die Schweiz (Young Fellows) und dann nach Fra rkreich (Racing Besancon). Dort beendete er se ine Karriere als Aktiver und widmete sich der Tätigkeit a ls Trainer, wo- bei er ziemlich nahtlos an seine Erfolge a ls Spieler anknüpfen konnte. Von Sturm Graz über den FC Base l, Vorwärts Steyr und Apollon Saloniki kam er nach Däne- mark, wo er außer in Esbjerg auch in Aal- borg wirkte und sieben Jahre lang das Na- ti onalteam betreute. Sein Aufenthalt in Steyr gab Gelegen- heit, mit ihm ein wenig über die Situation in Österreichs und na türlich speziell in Steyrs Fußball zu pla udern~ Rudi Strittich hält von Österreichs Nationalteam sehr viel und macht dafür in erster Lin ie di e Rudolf Strittich Startrainer aus Steyr E1folgreich im Ausland: der S1eyrer Rudolf Strillich große Zahl der Legionare verantwortlich, die im Ausland einfach profihafter a rbei- ten müssen und mit ihrer vorb ildli chen Einstellung den Rest des Teams mitreißen. Österreichs Klubfußball steckt nach wie vo r in einer Krise. Die Leistungsbereit- schaft der Spieler ist noch lange nicht so, wie sie sein sollte, die Vereine sind fin anz- sc hwach und können Spielträger nicht da- vo n a bhalten, ins Ausland abzuwandern. Viele Spieler sind überheblich, was durch eine wenig sachliche Presse noch gefördert wird . Der Vergleich mit Dänemark drängt sich auf: Das Land ist etwa halb so groß wie Österreich und hat rund zwei Mil- lionen Einwohner weniger. Dennoch: Rund 70 (!) dänische Fußballer verdienen ihr Brot im Ausland, sie sind ein begehrtes Objekt für die Einkäufer renommierter Klubs - weil sie einfach eher für bemharte Arbeit zu gewinnen sind und im eigenen Land finanziell nichts zu holen ist. Könnte Dänemarks Nationalteam so wie unseres rege lmäßig auf Legion.äre zurückgreifen, so wä re es sicher ähnlich erfolgreich. So g_ib t es aber kein eingespieltes Team. Osterreichs Vereine treiben emander 111 fi- nanzielle Schwierigkeiten, meint Rudi Strittich. Er spricht von einem Teufels- kreis: Die Zuschauerzahl en sind gering, weil das Niveau der meiste n Spiele zu schwach ist. Der im Fernsehen mögliche Vergleich zur deutschen Bundesliga trägt dazu bei. Geringe Zuschauerzahlen be- deuten wenig Einnahmen . Nun werden die Spieler nach Strittichs Meinung an ih~ rer Leist ung gemessen überbezahlt, die bei Übertritten geforderten und bezahlten Horrorbeträge reißen volJends Riesenlö- cher ins Budget. Fazit: Man verkauft Spit- zenspieler ins Ausland, das Niveau steigt dadurch natürlich nicht: Es kommen nicht mehr Zuschauer. Zum Problem Zuschauer sagt Strittich: ,,Entscheidend ist nur die Leistung, das Service oder das Eintritts- geld spie len kaum eine Rolle . Es zeigt sich immer wieder, daß die Zuschauer kom- men, wenn gut gespielt wird, auch wenn es im Zuschauerraum nicht sonderlich be- quem ist oder wenn alles über zu hohe Eintrittspreise ~~rrt. " .Dennoch sieht .er die Zukunft für Osterreichs Fußball rosig: Die Leistungszentren und die Schülerliga (trotz einiger Ungereimtheiten) sieht er als Garant für den Aufschwung. ,,Nur sollten die Sponsoren und Mäzene endhch einse- hen, daß es sinnlos und nachteilig 1st, sich in sportliche Bel ange einzumisch.en ", schneidet Strittich das Problem vieler Trainer an. Vom Steyrer Fußball ist Rudi Strittich enttäuscht. ,, Ein eklatanter AbfalJ des Ni- veaus" ist sein hartes Urteil. Als Haupt- grund da für sieht er eine ungenügende Nachwuch sa rbeit, das Fehlen geeigneter Anlagen und den Wohlstand, der zu ei- nem Rückgang der Grundkond1t10n ge- führt ha t. Steyr habe doch immer meister- liche Kicker hervorgebracht und es habe den Anschein, als ob der Talentsuche und dem Nachwuchstraining nicht die notwen- dige Sorgfalt gewidmet werde. Mit einem einzigen Spielfeld sei freilich in einer. Zeit , in der alles verbaut wird und die Wiesen, auf denen früher die Talente entstanden sind, nicht viel Staat zu machen. ,, In Dä- nemark ha ben die meisten Vereine sieben bi s ze hn Pl ätze zum Training zur Verfü- gung und können oft über 20 Nachwuchs - mannschaften betreuen", wundert sich der Weltenbummler über die tristen Zustände in seiner Heimat. Die Situation von Vor- wä rts nach dem Herbstdurchgang bezeich- net Strittich als sehr ernst. Für die Zukunft sieht er die einzige Chance in einer Fusion der Steyrer Vereine. Vorläufig denkt der Erfolgstrainer nicht da ran , seine Zelte in Dänemark abzubre- chen. ,,Wenn aber eines Tages ein interes- santes An oebot a us Österreich kommt, wäre es z{; überlegen" , hält er sich die Möglichkeit für eine endgültige Rückkehr offen . Wir könnten ihn wahrscheml!ch brauchen! Steyr 21

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