Amtsblatt der Stadt Steyr 1979/11

Blick auf neue Bücher Schönheit der Natur Fernand Rausser: ,,NOCH LEBT DAS PARADIES." Bildband mit 112 Seiten Farbbildern und Textbeiträgen. 168 Seiten, Leinen 1m Schuber. DM 58.-. Walter-Verlag. Was ist eine wünschbare Landschaft? Jeder von uns zieht die Ideallinie an- derswo. Je nachdem, was er unter Lebensqualität versteht, je nach den Erkenntnissen, die ihm Herkunft, Beruf und Interesse vermitteln, bildet er sich eine Vorstellung der zukünftigen Welt. Deshalb versuchen in diesem Buch Fachleute verschiedenster Gebiete, jeder von seiner Warte aus, eine Antwort zu geben auf die Frage: ,,Wieweit ist der menschliche Einfluß wünschbar im Haushalt der Natur?" Keiner wird eine endgültige Definition finden. Es sind Beiträge zu einem heute dringend not- wendigen Gespräch, um der Öffentlich- keit die brennenden Probleme bewußter zu machen. Der Bildteil ist unproblematisch. Er beschränkt sich auf Mitteleuropa, von der Toskana etwa bis zur Nordsee. Fernand Rausser verzichtet auf die Tier- welt und zeigt nur Pflanzen, Steine, Wasser, Luft - vom unscheinbaren Dorn bis zur hehren Landschaft. Bewußt zeigt er nur das Schöne. Das Häßliche hat jeder vor der Tür, er braucht nur den Kopf zu drehen und aus dem Fenster zu sehen. Vielleicht werden diese Bilder den einen oder anderen veranlassen, das Schöne selbst zu entdecken und sich einzusetzen für die Erhaltung der Natur. Faszinierende Künstler-Biographie Ragna Stang: ,,EDVARD MUNCH - Der Mensch und der Künstler. " 320 Seiten, 360 Abbildungen, davon 200 farbig, zwei Bildverzeichnisse, Anmer- kungen, Bibliographie, Zeittafel, Na- menregister, 23,5 x 29,5 cm, Leinenein- band, Schuber. DM 148.-. Bis 31. 12. 1979 Subskriptionspreis DM 120.-. Verlag Langewiesche, Kö- nigstein. Dieses Buch befaßt sich mit allen Aspekten des Lebens und Werks von Edvard Munch (1863-1944) und ist hinsichtlich seines Textumfangs und der Zahl seiner Abbildungen und Farbbilder die bisher umfangreichste Munch- Monographie. Munchs Hauptthemen Angst, Schmerz, Eros und Tod und seine künstlerischen Mittel wirkten z. T. bahnbrechend und stießen zu seiner Zeit vielfach auf vehemente Ablehnung (die Munch-Ausstellung des Berliner Kunst- vereins 1892 wurde geschlossen, was zur Bildung der Berliner Sezession führte). Sein immenses Oeuvre bot immer wie- der neue Anlässe zur Beschäftigung mit seiner Kunst. In unseren Tagen wurden Ausstellungen mit Munchs Arbeiterbil- dern oder seiner Grafik - deren Tech- niken er erfinderisch erweitert hat - stark beachtet. Munchs Bedeutung für die Entwicklung der modernen Kunst ist schwer zu überschätzen. Als Direktorin des Munch-Museets in Oslo war Frau Dr. Ragna Stang wie wenige in der Lage, die zahlreichen Briefe, Notizen und Schriften Munchs und seine künstlerischen Arbeiten aus- zuwerten. Deshalb trat sie mit diesem Buch auf Grund ihrer Sprach- und Quellenkenntnisse einigen verbreiteten Schlußfolgerungen ausländischer Wis- senschaftler entgegen. Sie belegt ihre Ansichten durch .Gegenüberstellungen verschiedener Bilder und Fassungen so- wie mit 370 Zitaten von oder über Munch, die den Haupttext und die Abbildungen begleiten. Damit entstand ein Buch, das für Fachleute ein unentbehrliches Nach- schlage- und Quellenwerk ist und zu- gleich eine menschlich faszinierende Künstlerbiographie, in der der Künstler selbst ausgiebig zu Wort kommt. Barbarei oder Renaissance der humanistischen Tradition Erich Fromm: ,,DIE SEELE DES MEN- SCHEN." Ihre Fähigkeit zum Guten und zum Bösen. 170 Seiten, DM 22.-. Deutsche Verlagsanstalt. Aus Sorge, sagt Erich Fromm, daß das Phänomen der Gleichgültigkeit dem Le- ben gegenüber in einer immer stärker mechanisierten Industriewelt überhand nehme, und daß dies dazu führen könn- te, daß wir dem Leben mit Angst, wenn ni cht gar mit Haß gegenüberstehen, habe er dieses Buch geschrieben. Der Mensch wird zu einem Ding in dieser Welt, denn weshalb sind - trotz allen guten Willens und obwohl wir uns der Folgen eines Atomkriegs bewußt sind - die Versuche ihn abzuwenden im Ver- gleich zur Größe der Gefahr und der Wahrscheinlichkeit eines Krieges so schwach? In gewissem Sinn ist „Die Seele des Menschen", 1964 geschrieben und jezt neu übersetzt, ein Gegenstück zu Erich Fromms berühmten Buch „Die Kunst des Liebens". Während dort die Liebes- fähigkeit des Menschen das Haupt- thema war, ist es hier seine Fähigkeit zu zerstören. Die Erörterung der Nicht- Liebe nimmt den größten Teil in „Die Seele des Menschen" ein und doch wird auch hier das Problem der Liebe - nämlich im Sinn der Liebe zum Leben, im Sinn eines neuen, tieferen Verständ- nisses von Freiheit - wieder aufgegrif- fen. Die Liebe zum Lebendigen mit der Unabhängigkeit und der Überwindung des Narzißmus definiert Fromm als „Wachstumssyndrom". Aber womit er sich in seinem neuen Buch vor allem auseinandersetzt is t das „Verfallssyn- drom" , gebildet aus der Liebe zum Toten, der inzestuösen Symbiose und dem bösartigen Narzißmus. So stellt dieses Buch die Frage, ob wir uns auf eine neue Barbarei zubewegen oder ob eine Renaissance unserer huma- nistischen Tradition möglich ist. Analyse eines Ökonomen Walter Wannenmacher: ,,DER ZER- DACHTE STAAT." Ein Versuch, die Zeit zu verstehen. Gebunden mit Schutzumschlag, 255 Seiten, DM 34.-. Deutsche Verlagsanstalt. „Der zerdachte Staat" - was heißt das? Walter Wannenmacher zeigt, indem er sehr unkonventionell, aber präzise mit dem Blick des Ökonomen die Epo- chen der Geschichte anvisiert, daß das System Staat nach langen Phasen des Intaktseins immer wieder neu in die Krise der „Zerdenkprozesse" geraten ist. Den unaufhaltsamen „Erdenkprozes- sen", der ständigen Ausweitung mensch- lichen Wissens vom Faustkeil bis zum Computer, verbindet sich unauflösbar die Rückkoppelung der „Zerdenkpro- zesse". Die staatstragenden Glaubensin- halte und nationalen Wir-Gefühle lösen sich auf, das Establishment wird in Frage gestellt und dessen Staat als ungerecht und böse entlarvt. Dies ge- schieht verstärkt in unserer Gegenwart, in der sich trotz allen Wohlstands Ratlosigkeit, Unlust und die Neigung zur Flucht in unrealistische, aber glück- verheißende Ideologien häufen. Walter Wannenmacher hat von sei- nem ökonomischen Standpunkt darüber nachgedacht, weshalb das, was ist, gar nicht anders sein kann, als so wie es ist. Weshalb etwa ein Sohn mit herabgezo- genen Mundwinkeln das Werk seines Vaters kritisiert und diesen am Sinn seines Lebens verzweifeln läßt ... Wes- halb der angenehmste Staat, den die Deutschen je hatten, zugleich auch der von ihnen ungeliebteste ist . .. In „Der zerdachte Staat" entwirft Wannenmacher gleichsam ein Röntgen- bild der historisch gewachsenen globalen Situation heute. Das Ergebnis ist keines- wegs erheiternd. Illusionen bleiben nicht übrig - nur Erklärungen, aus denen man, immerhin, Konsequenzen ziehen kann. Mit bestechender, ja spannender Prägnanz führt Wannenmacher die Zwangsläufigkeit der Entwicklung vor. sieyr 31

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2