Amtsblatt der Stadt Steyr 1979/5

tung. Wie schon der Herr Bürger- meister erwähnt hat, war die Stadt Steyr die Stadt der Armut, des Elends und der Arbeitslosigkeit in dieser Zeit, und so arm und so groß die Not auch in ganz Österreich, in der ganzen Republik war, denn wir hatten ja damals mehr als 500.000 Arbeitslose, so war die Stadt Steyr geradezu durch die Qualifikation, von der Sie sprachen, Herr Bürger- meister, der konzentrierteste Aus- druck dieser Situation, dieses Zu- standes und es hat das mehr als statistische Bedeutung gehabt. Dieses Schicksal traf ein Gemeinwesen, dessen Bürger zu den hervorragend- sten Arbeitern, Technikern unserer Republik gehören. Die ganze Un- sinnigkeit, die ganze Sinnlosigkeit der damaligen wirtschaftlichen Ver- hältnisse hat sich so einem jungen Studenten vermittelt, der hier in dieser Stadt erst so richtig erkannt hat, wie notwendig es ist, alles zu tun, um eine Ordnung gesellschaft- licher Verhältnisse mitverwirklichen zu helfen, die eben besser sein soll. Und aus dem Erlebnis der Stadt, aus der Begegnung mit den Menschen ist je~1er Entschluß in mir entstanden, mich mehr als nur am Rand mit politischen Fragen zu beschäftigen, mich tiefer zu engagieren in der politischen Arbeit und ich bitte mir zu glauben, daß das in einer Zeit ge- schehen ist, in der damit keinerlei rosige Karriereaussichten verbunden waren . Es war das die Zeit des Ab- stiegs der Demokratie, es war das die Zeit, in der Österreich umgeben war entweder von Diktatur oder von werdenden Diktaturen. Es war das Der Jubel von tausend Mensch en und strahlender Sonnenschein waren ein schöner Empfang für Bundeskanzler Dr. Kreisky bei seinem Eintreffen auf dem Steyrer Stadtplatz. Foto: Hartlauer die Zeit, in der die politische Be- wegung, der ich mich verbunden fühlte und meine Freunde hier auch, in der dieser politischen Bewegung keine Zukunft mehr gegeben wurde. Vor allem nicht von jenen, die als Zukunft das betrachtet haben, was unmittelbar sich entwickelte und nach der Macht strebten. Wer sich damals dieser Bewegung verschrieb, der konnte von ihr nichts erwarten, außer einem, nämlich dem Vertrauen der Menschen, die dieser Bewegung angehörten. Mir wurde, das wissen meine Freunde, die Zeit in Steyr, dieser lange Aufenthalt hier, tatsäch- lich zum Schicksal und ich habe mich - statt mich für andere Auf- gaben vorzubereiten, wozu ich viele Möglichkeiten hatte, denn ich ge- hörte zu einer Familie, der es auch in der Krise gutgegangen ist, mit zahl- reichen Verbindungen - und ich habe mich, ohne daß ich mich dessen Ein Kamerateam des Ersten Deutschen Fernsehens filmte den Besuch des Kanzlers in Steyr, der hi,er von Landeshauptmann-Stellvertreter Dr. Hartl und Bürgermeister Weiss begleitet wird. Foto: Hartlauer rühmen wollte, dennoch entschlos- sen, meine ganze Kraft neben der Absolvierung meines Studiums, weil das mit eine der Voraussetzungen für meine Tätigkeit war, der österreichi- schen Arbeiterbewegung gewidmet. Das habe ich seitdem getan und jeder kennt meinen Lebensweg, es ist der Lebensweg eines sozialdemokra- tischen Vertrauensmannes in dieser Zeit gewesen, mit all dem, was dazu gehört. Verbot, Illegalität, Gefäng- nisse .. ." Kreisky sprach dann von den Kriegsjahren, der Rückkehr nach Österreich und dem Neubeginn auf den Trümmerhaufen des Zweiten Weltkrieges. Dann sagte Kreisky zum Staatsvertrag: ,,Der Staatsver- trag war die Begründung unserer Unabhängigkeit und Freiheit. Der Staatsvertrag war aber auch der An- fang einer wirtschaftlichen Entwick- lung, von der sich die Öster- reicherinnen und Österreicher da- mals, als wir ihn abgeschlossen haben, nichts träumen ließen. Denn allzusehr stand noch im Bewußtsein der Menschen zutiefst verankert das Erlebnis der großen Krise und .nie- mand glaubte damals, daß ein Tag kommen werde, an dem in den Bankfilialen der Schilling lieber ge- nommen wird als der Dollar, weil man vom Schilling wußte, was er am nächsten Tag wert ist, was man vom Dollar heute nicht sagen kann. So haben wir auch die große Krise, die im Jahr 1975 abermals in der Weltwirtschaft sichtbar wurde, besser überwunden als andere und einen der Gründe dafür, daß uns das gelungen ist, erleben Sie an verschie- denen Beispielen hier an Ort und Stelle in Ihrer schönen alten Stadt. Daß es Schwierigkeiten gegeben hat für die hier angesiedelten Betriebe, große, fast existenzielle Schwierigkei- ten gegeben hat, das können die Herren Generaldirektoren hier be- stätigen. Daß sie aber überwunden

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