Amtsblatt der Stadt Steyr 1979/4

3mtrßt m<tnbern in bie 0t<tbt Nur wenige Steyrer wissen von der Existenz eines „Zwergengart~ns" im Park des ehemaligen Stiftes Gleink. Hohe Mauern säumen ·den Bestand alter Bäume, unter denen die 250 Jahre alten Figuren träumen. Die Sandsteinplastiken sind von hoher künstlerischer Qualität, in ihrer Schönheit vergleichbar mit den Darstellungen im Salzburger Mira- bellgarten. Im Laufe der Jahrhun- derte haben die Figuren stark gelit- ten. Um das wertvolle Kulturgut vor dem Verfall zu retten, hat der Steyrer Stadtsenat für die Restaurierung der Plastiken, die der Diözese Linz ge- hören, 170.000 Schilling freigegeben. Die Zwerge wandern nun nach Steyr. Sie werden vom akademischen Bildhauer Hollnbuchner restauriert und sollen zum Stadtjubiläum im Jahre 1980 im Hof des Schlosses Lamberg aufgestellt werden. Der Zwergengarten in Steyr- Gleink besteht aus zwölf knapp einen Meter hohen Zwergen, drei männlichen und zwei weiblichen größeren Figuren aus der Mytholo- gie, vier Statuen - die Jahreszeiten darstellend -, vier kleineren Stein- vasen und vier ehemals als Wasser- speier dienenden Löwen. Diese Kunstwerke wurden 1720 von dem Linzer Bildhauer Johann Baptist Wanscher aus Eggenburger Sandstein gefertigt und sind somit zehn Jahre jünger als ihre bekann- teren Gegenstücke aus Untersberger Forellen-Marmor 1m Salzburger Mirabellgarten. Johann Baptist Wanscher wird 1708/09 zunächst als Stukkateur und später in seiner eigentlichen Profession als Bildhauer genannt. 1715 fertigte er für den Prälaten- garten des Stiftes Lambach sechs Zwerge an . Der Zwergengarten des aufgehobenen Stiftes Garsten, der ebenfalls von Wanscher stammte, ist ,,Don Guappos, von dem Geblüth des Don Quixote, heutiger General der französischen Spaniere. Foto: Hartlauer nicht erhalten geblieben. Weitere Zwergengärten, aber nicht von der Hand Wanschers, gab es im Stift Kremsmünster, im Schloß Puchberg bei Wels, im Schloß Neuburg am Inn, in Obernzell an der Donau, im Schloß Helfenberg/Mühlviertel, dar- über hinaus im niederösterreichi- schen Waldviertel - so in Eggenburg, Horn, in den Schlössern Stockern, Greillenstein, Wildberg sowie im Stift Altenburg. Die Zwerge in Steyr-Gleink waren keine Erfindungen ihres künstleri- schen Schöpfers. Vorlage für die meisten Figuren war das seinerzeit sehr beliebte „Augsburger Zwergen- buch", welches nach den Ideen des Radierers Jacques Callot (1592 bis 1635) entstanden, auf 50 Tafeln Kupferstiche von männlichen und weiblichen Zwergen mit fantasti- sehen Namen und lustigen Versen brachte. Dieses Werk wurde 1715 in Augsburg gedruckt und zählt heute zu den seltensten und daher wert- vollsten deutschen Büchern (Neu- druck 1921 bei Eugen Rentsch/ Zürich). Erklärbar sind Zwergengärten aus der Vorliebe _vor allem des italieni- schen Barocks für die deformierte Natur und deren Absonderlichkei- ten. Die Darstellung in Steyr-Gleink bringt diese aber schon in abge- schwächter, eleganter Form, verzich- tet auf körperliche Mißbildungen, sondern übertreibt nur gewisse kör- perliche Merkmale zur treffenderen Charakterisierung und erheiternden Betrachtung und läßt somit kein peinliches Gefühl, kein Mitleid, aber auch keinen Arger aufkommen. Fortsetzung nächste Seite swyr 17

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