Amtsblatt der Stadt Steyr 1978/11
Wie inzwischen aus Presse, Rund- funk und Fernsehen vermutlich schon überall bekannt geworden ist, gelang es, das so vielzitierte Motorenwerk, das von einer neuen Gesellschaft zwischen BMW und Steyr-Daimler-Puch AG in Öster- reich errichtet werden wird, für Steyr zu sichern. Einen ausführ- lichen Bericht les(!n Sie in diesem Amtsblatt. Es würde in meiner Einleitung zu weit führen, auf all die vielen Ein- zelheiten, auf die Schwierigkeiten der Verhandlungen, auf das oft- malige Erhöhen der gestellten For- derungen und auf vieles andere mehr einzugehen. Maßgeblich für uns in der Stadt Steyr und weit darüber hinaus für das Enns- und Steyrtal und für große Teile des angrenzenden Bundeslandes Nie- derösterreich ist die Tatsache, daß durch eine vertragliche Unterfer- tigung am 6. Oktober dieses Jahres und durch große finanzielle Lei- stungen der Stadt Steyr bereits 1979 der Bau dieses 2 1/2 Mil- liardenprojektes begonnen wird. Gegenwärtig ringen die Steyr- Werke mit Personalproblemen, da nach Aussage der Direktion ein zu hoher Personalstand gegeben ist. Umsomehr wird in diesem ent- scheidenden Moment die Tragwei- te der Standortsicherung des neu- en Betriebes erkennbar, weil da- durch für künftige Jahre, vielleicht sogar für Generationen, ein erhöh- tes Angebot von Arbeitsplätzen entsteht. Aus meinen eigenen Ju- genderlebnissen noch sehr stark J/On dieser Zeit beeindruckt, weiß ich, wie Not und Elend, Arbeits- losigkeit und Armut sein können. Umsomehr war ich bei allen Ge- sprächen und Verhandlungen, an denen ich teilnahm, b,estrebt, auch unter Ansetzung beträchtlicher Mittel der Stadt Steyr, das Moto- renwerkprojekt in Steyr verwirk- licht zu sehen. Wer fragt heute oder einige Jahre später noch um alle Erschwernisse, die dazu geführt haben? Entschei- dend ist und muß es sein, neue Zukunftschancen für die gegen- Motorenwerk für Steyr errungen wärtige und für künftige Genera- tionen gesichert zu haben, der Re- gion Steyr ein starkes Gewicht in gesamtwirtschaftlichen Fragen im Land Oberösterreich zu verschaf- fen, wozu sich auch die Forderung auf schnellere und bessere Ver- kehrsanbindungen zu den Haupt- verkehrsadern anschließt. Freuen wir uns also alle über den Erfolg, nutzen wir die nunmehr gebotene Chance, um 1981 bei Inbetrieb- nahme des neuen Werkes einen Zwentendorf - Durch Entscheidung des österrei- chischen Nationalrates wird am 5. November ·eine Volksabstimmung durchgeführt, die darüber befinden soll, ob das Kernkraftwerk Zwen- tendorf in Niederösterreich mit ei- nem Investitionsaufwand von rund 8 Milliarden Schilling in Betrieb genommen werden soll oder nicht. Ich setze voraus, daß sich jeder Österreicher und damit auch jeder Steyrer der Tragweite dieser Ent- scheidung für unsere Wirtschaft, für unsere Arbeitsplätze, für die Modernisierung unserer Haushalte und für weitere Lebensbequem- lichkeiten, die von der elektri- schen Energie beeinflußt werden, im klaren ist. Es ist müßig, hier über die technischen Probleme zu diskutieren. Dazu gibt es eigene Fachleute. Alles übrige kann nur aus Meinungen heraus beurteilt werden, weshalb - Zwentendorf JA oder NEIN - auch als Ver- trauensfrage für die Technik zu werten ist. Als Bürgermeister der Stadt Steyr wurde ich eingeladen, dem Komi- tee „Pro Zwentendorf" beizutre- ten und habe dies auch getan. Begründbar ist diese meine Ent- Meilenstein in der heimischen Wirtschaftsgeschichte mit gesetzt zu haben. Dem Gemeinderat dan- ke ich bei dieser Gelegenheit für das vorweg erbrachte Vertrauen , in den Verhandlungen das A"ußer- ste aber Notwendige einsetzen zu können und es von ihm bestätigt zu erhalten. JA oder NEIN ~cheidung aus dem Wissen, daß z . B. ein neuer Betrieb mit 1.500 oder 2. 000 Arbeitsplätzen in Steyr enorme Energiemengen benötigen wird, die gegenwärtig nicht greif- bar sind. Wir müssen uns als Öster- reicher auch dessen bewußt sein, daß rund um uns Kernkraftwerke existieren und teilweise in Öster- reich verbrauchter Strom aus sol- chen Kernkraftwerken stammt. Für mich und für viele andere ist die Inbetriebnahme auch eine wirtschaftliche Frage, denn man kann nicht 8 Milliarden Steuergel- der ohne Nutzen lassen. Mit diesen Hinweisen und Über- legungen werde ich sicherlich nicht überall auf Zustimmung stoßen , wobei ich Gegenmeinun- gen natürlich respektiere, da wir in einer Demokratie leben. Dessen ungeachtet sollte jeder Wahlbe- rechtigte in Steyr sein Recht auf Stimmabgabe nützen. Franz Weiss Bürgermeister
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