Amtsblatt der Stadt Steyr 1973/11

2 AMTSBLATT DER STADT STEYR ·1-973 ZUM ÖSTERREICHISCHEN NATIONALFEIERTAG Sehr geehrte Mitbürger! Am 26. Oktober feiert Österreich seinen Nationalfeiertag. Vor einigen Jahren wurde zu den überlieferten Feiertagen dieser Festtag, der dem Erin- nern an die endgültige Befreiung unseres Landes nach dem 2. Weltkrieg ge- widmet ist, geschaffen. Ist dieser Tag nun bloß ein zusätzlicher arbeitsfreier Tag oder finden wir in ihm noch einen tieferen Sinn? Kann man heute noch einen nationalen Festtag feiern, wo mit nationalen Gefühlen überall in der Welt Mißbrauch getrieben wird? Kann es in einer Welt, die von einer Welle von Gewalt, Haß und Terror überflutet wird, wo im Konzert der Völker die Kriegs- trommel eine dominierende Rolle spielt, noch eine echte Festesfreude ge- ben? Ich bin der Meinung, daß jeder sich gerade in diesen Stunden seines Lan- des und seiner Nation besinnen sollte. Laute Feste wären zum jetzigen Zeit- punkt sicher fehl am Platz. Es ist auch nicht nach dem Sinn des Österreichers, seiner Freude allzu lautstark Ausdruck zu verleihen. Ein wechselvolles Schicksal in der Rolle als Prellbock zwischen West und Ost hat uns gelehrt, auch in der Freude leiser zu treten und dankbar und bescheiden zu bleiben. So würde es sicher auch dem Sinn des Tages wider- sprechen, wollte man ihn mit großem Gepränge feiern. Eine einmalige Manifestation in Form einer Feier via Fernsehen oder eines FIT-Marsches ergibt sicher keine Nation und dokumentiert auch nicht deren Geschlossenheit. Der heurige Nationalfeiertag soll vielmehr alle Bürger unseres Landes zur Einheit mahnen, zu einer Einheit, die sich gerade zur Stunde der Welt gegenüber bewähren kann. Gerade jetzt, wo viele den Stein gegen unser Land erheben, soll ein einiges österreichisches Volk seinen Standpunkt entschlossen auch gegen die Großen dieser Welt vertreten. Wir sollen diesen Tag jedoch auch in Dankbarkeit allen jenen gegenüber feiern, die mitgewirkt haben, unser Land in Freiheit und eine Periode des Wohlstandes zu führen. Als Bürgermeister darf ich jedoch auch gewissermaßen einige Worte in eig ner Sache sagen. Gerade in einer Gemeinde ist diese Einigkeit, die wir unserem Lande wünschen, von besonderer Bedeutung. Die Einigkeit der- Bür- ger einer Stadt spiegelt sich letztlich in den gemeinsamen Leistungen wider und nur ein gemeinsames Wollen kann den Fortschritt bringen. So wie in der Welt stehen aber auch in einer Gemeinde Meinungen gegeneinander. Besonders deutlich wird dies zu Wahlzeiten·, wenn gegenteilige Ansichten oft etwas heftiger als sonst zusammenprallen. Wenn Sie, sehr geehrte Mitbürger, diese Zeilen lesen, werden in Stadt und Land bedeutende Entscheidungen gefallen sein. Gleich wie sie auch aus- gefallen sein mögen, soll der Nationalfeiertag alle, die verschiedener Meinun- gen sind , wieder zu einem gemeinsamen Wollen zusammenführen, denn nur E inigkeit wird unser Heimatland Österreich weiter auf dem Weg des Fort- s chritts in eine glückliche und schöne Zukunft führen. 190

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