Amtsblatt der Stadt Steyr 1972/8

4 AMTSBLATT DER STADT STEYR 1972 e1mge sachliche Feststellungen zu treffen, die nicht durch emotionelle Darstellungen entstellt und aus dem Zusammenhang gerissen sind: Unbestritten dürfte wohl sein, daß das Volkskino- gebäude in seiner heutigen Gestalt ein Werk des Wirt- schaftsvereines Arbeiterheim und seiner Rechtsvorgänger ist. Eine Epoche der Ausgestaltung, die sich über fünf Jahrzehnte erstreckt, wenn man von der erzwungenen Unterbrechung zwischen den Jahren 1934 und 1945 ab- sieht. Die Ausgestaltung und der Ausbau dieses Hauses dienten - wohl ebenso unbestritten - nicht Vereinsinter- essen·, sondern dem gesamten kulturellen und gesell- schaftlichen Leben unserer Stadt. Seit Jahrzehnten stellt daher das Volkskino für alle Ereignisse dieser Art einen echten gesellschaftlichen Mittelpunkt dar. Ich möchte nur auf die Vielfalt der verschiedenen Konzerte, Feiern, Festakte und auch Kundgebungen verweisen, die seit eh und je in diesem Gebäude abgewickelt wurden. Wenn auch der Rechnungshof den bestehenden Vertrag zwischen der Stadtgemeinde Steyr und dem Wirtschaftsverein Arbeiterheim kritisierte, waren sich doch alle Gemeinderäte in den vergangenen Jahrzehn- ten im klaren, daß es sich um den Fall einer Wieder- gutmachung gegenüber dem gewaltsamen Entzug des Verfügungsrechtes in der Zeit der Undemokratie zwi- schen 1934 und 1945 handelt. Zwischen dem Wirtschaftsverein Arbeiterheim und der Stadtgemeinde Steyr besteht ein Vertrag, der noch bis zum Jahre 1981 läuft. Gleichgültig, ob nun dieser Vertrag einvernehmlich vorher aufgelöst wird, ob das vertragliche Ende abgewartet wird, oder ob er allenfalls eine Verlängerung erfahren würde, sind sich doch alle im Gemeinderatssaal Anwesenden darüber im klaren, daß unter Anerkennung wohlerworbener Rechte vorge- gangen werden muß, wie dies von der Stadtgemeinde Steyr auch gegenüber allen anderen Mietern, Pächtern und sonstigen Bestandnehmern stets geübt wird, gleich- gültig, ob es sich um ein Geschäft, eine landwirtschaft- liche Fläche, eine Sportstätte oder sonst etwas handelt. Die gleiche Einstellung muß die Stadt naturgemäß auch gegenüber dem Wirtschaftsverein Arbeiterheim anwen- den, zumal seine Investitionen dazu beitrugen, daß die Stadtgemeinde Steyr, ohne selbst größere Kosten auf- wenden zu müssen, einen kulturellen Mittelpunkt be- sitzt. Auch muß ich wohl darauf hinweisen, daß es einem abtretenden Pächter, der für seine Investitionen keine Ablöse erhält, nicht zugemutet werden kann, in den letztenJahren eines Pachtverhältnisses noch größere Geldmittel für die Erhaltung aufzuwenden. Zweife llos ist abe r auch zu berücksichtigen, daß durch de n laufende n Pachtvertrag die Stadtgemeinde Steyr in ihre n Möglichkeite n, über das Gebäude zu ve r- fügen und zu planen, beschränkt wurde. Es ist dahe r zweckmäßig, zum gege be nen Ze itpunkt die volle, un- eingeschränkte Verfügungsgewalt zurückzubekommen. Dies bietet in Zukunft den Vorteil, daß die Stadtge- meinde Steyr selbst entscheiden kann, ob sie e iner Kino- vorstellung oder eine r kulture llen Veranstaltung den Vorzug geben wird, daß sie mehr als bisher ihre Groß- veranstaltungen aber a uch die aller übrigen Vereine, politischen Parteien und Körperschaften frei in diesem Gebäude abwickeln lassen kann.Gerade durch das allei- nige Verfügungsrecht wird dem Charakter einer Stadt- halle, die von allen politischen Parteien in ihren Pro- grammen in Steyr seit Jahren gefordert wird, echt näher- 132 gekömmen. Es wird dabei dem Gemeinderat überlassen bleiben, vorläufig mit den baulichen Gegebenheiten zufrieden zu sein und später den Zeitpunkt eines etap- penweisen Ausbaues zu einem echten Kulturzentrum, eventuell zu einer Stadthalle zu bestir- :nen. Es erscheint selbstverständlich, daß der abtretende Pächter für das, was er tatsächlich geleistet hat und was auch für den Eigentümer zweckmäßig 11nd verwendbar ist, eine Entschädigung des Zeitwertes erhält. Daß der Pächter, der Wirtschaftsverein Arbeiterheim, eine Orga- nisation ist, die eine enge Verbundenheit mit der Sozia- listischen Partei in Steyr aufweist, ist ein Umstand, der die sachliche Beurteilung der Angelegenheit nicht auf eine · emotionelle Basis verschieben soll und nicht zum Schaden des Abtretenden führen darf. Bisher hat jeden- falls der Wirtschaftsverein Arbeiterheim bewiesen, daß es den Ausbau seiner Einrichtungen in der Form vor- nimmt, daß sie der gesamten Stadtbevölkerung dienten. Dies gilt für das Volkskino ebenso wie für dasCasino. Es ist mit Sicherheit anzunehmen, daß mit der Ablöse wiederum Werte geschaffen werden, die der gesamten Bevölkerung zum Vorteil gereichen. Es muß natürlich demjenigen, der die Pachtablöse erhält, überlassen blei- ben, selbst darüber die Entscheidung zu treffen. Man muß, um objektiv zu sein, die sachlichen Gegeben- heiten in der Gesamtheit sehen und beurteilen. Wenn man sich bemüht, die größeren Zusammen- hänge zu erkennen und man schließlich den rechtsstaat- lichen Grundsatz der Ablöse von getätigten Investitionen so wie sonst auch in diesem Falle zur Anwendung bringt, glaube ich, wird der Gemeinderat im Sinne des Amts- antrages zu einem positiven Beschluß kommen. Wohl- erworbene Rechte eines Vereines sind gegeben. Sind wir froh, daß wir in einer Demokratie darüber entschei- den können, denn zu anderen Zeiten wurde anders da- mit verfahren. Als Berichtserstatter, aber auch als Bürgermeister dieser Stadt treffe ich die verantwortliche Feststellung, daß derWirtschaftsverein Arbeiterheim Steyr nicht über das Maß der notwendigen Wiedergutmachung in den letzten Jahrzehnten bevorzugt wurde, daß aber auch kein Anlaß besteht, diesen Verein schlechter zu stellen als jeden anderen Bestandnehmer, den die Stadtgemein- de Steyr besitzt. Der Wirtschaftsverein Arbeiterheim hat durch eine planvolle wirtschaftliche Tätigkeit in den letzten Jahrzehnten aus eigenem Werte geschaffen, deren Ablöse notwendig ist, damit die Stadtgemeinde Steyr wiederum frei verfügbare Eigentümerin des Volks- kinogebäudes wird". An di e Ausführungen des Bürgermeisters schloß sich eine länge re sachliche Debatte an, die eine Fest- legung der ve rschiedenen Standpunkte ergab. Schließ- lich fa ßte der Gemeinderat mehrheitlich den Beschluß, de n Pachtvertrag zwischen der Gemeinde Steyr und dem Wirtscha ftsv erein Arbeiterheim mit sofortiger Wirkung einvernehmlich zu lösen. Die Investitionen, insbeson- dere das gesamte bewegliche Inventar gehen gegen Zah- lung von S 3,598.500, -- auf die Gemeinde Steyr über. VOLKSHOCHSCHULE DER STADT STEYR Der Gemeinderat hatte sich mit einigen Anträgen des Stadtsenates, welche die Führung der Volkshoch- schule betrafen zu befassen: Mit dem ersten Beschluß wurden die Kursbeiträge und Kursleiterhonorare für das Arbeitsjahr 1972/73 neu

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