Amtsblatt der Stadt Steyr 1972/4

8 AMTSBLATT DER STADT STEYR _1972 VERKEHRSPROBLEME EINST UND HEUTE Wenige Probleme sind in der heutigen Zeit für eine Kommunalverwaltung bedeutungsvoller, als die Be- wältigung des immer mehr ansteigenden Straßenverkehrs. Es ist dies durchaus keine Frage, welche nur die Stadt Steyr berührt. Die Aufgaben, die gleich wie anderswo geartet sind, stellen sich durch die Lage der Stadt nur in anderen Größenordnungen dar. Heute, da mittels schnel- ler Autos in kurzer Zeit große Entfernungen zurückgelegt werden können, werden an die Beschaffenheit und die An- lage der Straßen immer größere Anforderungen gestellt. Daß der Autofahrer auch im Stadtbereich im Rah- men des Erlaubten so rasch als möglich vorankommen möchte, ist sicher verständlich. Die Bewältigung dieses Problems wurde nun in Steyr in großzügiger Weise in An- griff genommen. Umfahrung Hundsgraben, Schönauer- brücke, U1:nfahrung Seifentruhe und anderes sind bereits für die meisten Steyrer zu feststehenden Begriffen gewor- den. In nächster Zeit wird viel über die Baufortschritte bei den einzelnen Vorhaben zu berichten sein. Daß es aber auch in früheren Zeiten bereits derar- tige Sorgen gab, ist nicht so allgemein bekannt. Der fol- gende Beitrag aus der Feder des bekannten Stadtge- schichtsforschers Dr. Josef Ofner soll uns die Probleme einer lange vergange nen Zeit in Erinnerung rufen: Als man noch mit der Postkutsche fuhr ( f'eisezeit Steyr - Linz fünf Stunden) Inden Jahrzehnten nachdem Wiener Kongreß (1814/ 15) besserten sich allmählich die Verkehrsverhält- nisse. Die Personenbeförder"ng besorgten Lohn- und Landkutscher, "Einrößler" , Boten und Lehenrößler (Pfer- deverleiher). STELLWAGEN UM 1840 (Aus: österr. -ung. Monarchie in Wort und Bild) Seit dem Jahre 1752 verkehrte zwischen Steyr und Linz ein Wagen des im Hause Stadtplatz Nr. 46 (Elek- trobau) untergebrachten k. k. Abstellpostamtes. Der Postwagen fuhr jeden Dienstag und Freitag in der Früh in die Landeshauptstadt und kehrte am folgenden Tage wieder zurück. Die Durchführung dieser Fahrten lag bis 1802 in den Händen der alten Postmeisterfamilie Paum- garten. In diesem Jahre erwarb der Postmeister Anton Mayrhofer das Posthaus, elf Postpferde, zwei Kaleschen und andere Fahrzeuge. Größere Bedeutung erlangte diese Postwagenver- bindung durch ihre Weiterführung bis Graz im Jahre 1819. 64 Ab Mai 1845 verkehrte ein Postwagen auch zwischen St. Peter in der Au und Steyr. Im Postwagen kostete ein Platz für eine Strecke von zwei Meilen(= 14, 84 km) 24 bis 40 Kreuzer. Dazu ka- men ein Trinkgeld (3 Kreuzer) und ein "Schmiergeld" (4 bis 8 Kreuzer). Diese Abgabe wurde für das Schmie- ren der Räder eingehoben. Das noch heute geläufige Sprichwort "Wer gut schmiert, der fährt gut" war dem- nach in zweifacher Hinsicht berechtigt. Für die Bewohner der Eisenstadt, die durch die zu- nehmende Industrialisierung immer häufiger in Linz zu tun hatten, waren die um 1840 zur Verfügung stehenden Verkehrsmittel unzureichend, da die Postwagenfahrten nicht vermehrt wurden, die Fahrt mit einem Botenfuhr- werk zu lange dauerte und die Lohnkutscher hohe Fahr- preise forderten. Zur Verbesserung der Verkehrslage im Raume Steyr- Linz trugen 1841 drei zum Personentransport befugte Linzer Boten wesentlich bei. Die in Steyr wohnhaften Unterneluner Marianne Buchegger, Matthäus Hölzl und Matthias Mittend orfer ließen zwei moderne Stellwagen anfertigen. In diesen "auf Federn ruhenden Glaswagen" war Platz für zwölf Personen. Die Fahrten erfolgten nach folgendem Fahrplan: Steyr ab 5 Uhr, Linz an 10 Uhr Steyr ab 14 Uhr, Linz an 19 Uhr Linz ab 5 Uhr, Steyr an 10 Uhr Linz ab 15 Uhr, Steyr an 20 Uhr. Beim Ochsenwirt in Enns wurde der Pferdewechsel vor- genommen. Am 7. September 1842 erteilte der Magistrat auch dem Gastwirt Johann Neudorfer, Besitzer des Gasthauses zum "Goldenen Pflug" in der Sierninger Straße die Li- zenz "zur Unternehmung periodischer Personentranspor- te mittelst Stellfuhren". Neudorfers "Wagenkasten" ruh- te ebenfalls auf federn. Der um 6 Uhr in Steyr abfah- rende Stellwagen traf um 12 Uhr in Linz ein. Die Rück- fahrt erfolgte am nächsten Tag um 6 Uhr früh.Der Pfer- dewechsel in Enns unterblieb. Konnte auf den holprigen Straßen eine längere Reise im Stellwagen, in dem die Menschen dicht gedrängt sitzen mußten, zur Qual wer- den, so waren jedenfalls Fahrten nach Linz auch kein Vergnügen. Schließlich sei erwähnt, daß damals jeden Diens- tag ein gedecktes Frachtschiff von Steyr nach Wien, manchmal auch nach Budapest geführt wurde. Ein altes Reisehandbuch warnte aber die Schiffreisenden vor den Gefahren der prallen Sonne: "Ihre sengenden Mittags- strahlen, von dem Spiegel des Stromes zurückgeworfen, verbrennen die Haut mit furchtbarer Gewalt. Selbst Män- ner sind in Gefahr, den Sonnenst ich zu bekommen, und keinem Frauenzimmer isr es z t. •aten, ohne Sonnenschirm in der Mittagssonne auf dem Floße oder Schiffe sich außer der Hütte auch nur blicken zu lassen". Dr. Josef Ofner (Archivalien im Stadtarchiv - G. Brachmann, Herr Bie- dermeier reist, 1936. - F. X. Pritz, Beschreibung und Geschichte der Stadt Steyr, 1837. - I. Krenn, Häuser- chronik der Altstadt Steyr, 1951. - J. Ofner, Postmei- ster und Lehenrößler, 1954)

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