Amtsblatt der Stadt Steyr 1971/10

1971 AMTSBLATT DER STADT STEYR 3 Schöne Bauten unserer Stadt DAS STALZERHAUS {Stadtplatz Nr. 34 - Maria Stalzer. Emma Lang. Helene Staudacher) "Lieber Bruder 1 Steyr. den 13. Juli 1819 Ich glaube wohl. daß dich dieser Brief in Wien treffen wird. und du dich gesund befindest. Ich schreibe dir eigentlich, mir das Stabat mater. welches wir hier auf- führen wollen, so bald als möglich, zu schicken. Ich befinde mich bis jetzt recht wohl, nur will das Wetter nicht günstig sein. Es war hier gestern den 12. ein sehr starkes Gewitter. welches in Steyr einschlug, ein Mäd- chen tödtete und zwei Männer am Arme lähmte. In dem Hause. wo ich wohne, befinden sieb 8 Mädchen, bey- nahe alle hübsch. Du siehst, daß man zu thun hat. Die Tochter des Herrn v. K{oller), bei dem ich und Vogel täglich speisen, ist sehr hübsch. spielt brav Klavier, und wird verschiedene meiner Lieder singen. Ich bitte dich, beiliegenden Brief weiter zu fördern. Du siehst. daß ich nicht gar so treulos bin, als du vielleicht glaubst. Grüße mir Eitern und Geschwister, deine Frau und alle Bekannten. Vergesse ja nicht auf das Stabat mater. Die Gegend um Steyr ist über allen Begriff schön. Dein ewig treuer Bruder Franz" Diesen Brief schrieb Schubert jedenfalls im Hause Stadtplatz Nr. 34, das in der Biedermeierzeit Albert Schellmann gehörte. Daß der Liederfürst. der mit dem Hofopernsänger Johann Michael Vogel erstmals nach Steyr gekommen war, 1819 in diesem Hause wohnte, bezeugte der mit dem Komponisten befreundete Albert Stadler: "Es ist nun ganz gewiß, daß Schubert im Jahre 1819 im Hause meines Onkels, des Berggerichts- und Landes-Advokaten zu Steyr, Albert Schellmann (gestor- ben am 14. März 1844) gewohnt hat, jedoch nicht im ersten, sondern im zweiten Stock. Meine Frau erinnert sieb dessen ebenso bestimmt als ich, weil sie als Mäd- chen damals nebst meiner seligen Mutter und mir in dem nämlichen Hause und Stocke wohnte. Denersten Stock bewohnte mein Onkel mit seiner Frau (gestorben am 27. Jänner 1845, Schwester meiner Mutter) mit seiner zahlreichen Familie. Für Schubert wäre im er- sten Stock gar kein Platz gewesen". Auch im Sommer 1823 dürfte Franz Schubert wie- der bei dem Berggerichtsadvokaten zu Gast gewesen sein, widmete er doch Schellmanns Tochter Seraphine eine Ekossaise (scbott. Tanz) mit den Worten: "Hüpfen Sie mit diesem Eccossaise Froh durch jedes Ach und Web!" Bei seinem letzten Besuch in Steyr (1825) wohnte Schubert im Hause des Vizefakrors der Hauptgewerk- schaft SylvesterPaumgartner, Stadtplatz Nr.16 (Treber). Das mächtige aus dem Mittelalter stammende Bau- werk zeigt eine im 19. Jahrhundert gestaltete, in letzter Zeit vorzüglich renovierte Fassade, die ein Erker in un- gleiche Hälften gliedert. In der Zeit der Renaissance. vermutlich um 1600, wurden im Hof die zweigeschossigen Arkaden aufge- führt. Besonders reizvoll sind die mit Diamantquaderung ausgestatteten Brüstungen. Eigentümer des Hauses, das auch noch gotische Merkmale aufweist, waren nach 1550 die Händel von Ramingdorf. Im 17. und 18. Jahrhundert gehörte es den Geschlechtern Sprinzenstein und Salburg. 1799 erwarb das Gebäude die Familie Seheilmann.Es folgten als Be- sitzer: 1851 Johann und Karoline Straßer, 1883 Johann Straßer, 1884 Josef und Josefa Stalzer, 1900 Johann und Theresia Stalzer, 1936 Maria Stalzer, Emma Lang und Helene Staudacher. Dr. Josef Ofner (O.E. Deutsch, Schubert. Die Dokumente seines Lebens, 1964. -Ders. Schubert, Die Erinnerungen seiner Freun- de, 1957. - Dehio, Oberöste,reich. 1958. -1. Krenn, Häu- serchronik der Altstadt Steyr. Diss. 1950. -Bezirksge- richt Steyr/Grundbuch) * BORGER UND MITBORGER IN ALT-STEYR D ie Bevölkerung der Eisenstadt war in früheren Jahr- hunderten in drei Gruppen gegliedert: Bürger, Mit- bürger und Inwohner. Wer innerhalb der städtischen Burgfriedsgrenzen dauernd Aufenthalt nehmen und ein Gewerbe ausüben wollte, hatte bei der Stadtobrigkeit schriftlich um das Bürgerrecht anzusuchen und die Geburtsurkunde, eine Bestätigung über die konfessionelle Zugehörigkeit und den "Abschied" vorzuweisen. Dieser wurde, sofern der Supplikant nicht ein "Bürgerskind" war, von der Stadt- oder Grundobrigkeit, der er bisher unterstand, ausgefer- tigt. 147

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