Amtsblatt der Stadt Steyr 1971/9

1971 AMTSBLATT DER STADT STEYR 3 Jene Plattner, die sich nur auf die Herstellung von Kopfschutz (Marions, Schützen- und Sturmhauben) be- schränkten, nannte man Haubenschmiede. In den vierziger Jahren des 17. Jahrhunderts er- richtete der Großeisenhändler und Gewerke Johann Eg - ger von Marbach in der Eisenstadt eine eigene Plattner- werkstätte. Er besaß auch das Messinghüttwerk in Reich- raming und Häuser in der Stadt, in Aichet und Ennsdorf. Durch mehrere Jahre versah er die höchsten Stadtämter: 1637 - 1640 Stadtrichter, 1646 - 1650 Bürgermeister. In seiner Werkstätte arbeiteten um 1646 die Plattner Martin Kern, Hans Rock und Kaspar Kalchschmidt. Für die städ - tischen Harnischmacher bedeutete Eggers privilegierte Plattnerei eine fühlbare Konkurrenz. Vor allem war es der aus Innsbruck stammende Plattnermeister Hans Hör- burger, der sich abfällig über Eggers Erzeugnisse äußer- te. Er und seine Söhne bezeichneten die bei Egger be- schäftigten Plattner als Schelme, Diebe und Fretter. Als er 1647 sogar dem Kaiser schrieb, daß die von Egger ge- lieferten Harnische" nicht in der rechten Güte" angefer- tigt wären, wurde er vom Bürgermeister aus dem Burg - fried verwiesen. Die nach dem Dreißigjährigen Kriege anhalten- de Wirtschaftskrise führte zur Verschuldung Eggers und zum Verlust seiner Liegenschaften. Damals dürfte auch rnine Plattnerwerkstätte ihr Ende gefw1den haben. Da in den folgenden Jahrzehnten die in den Stey- rer Werkstätten erzeugten Waffen (Musketen, Pistolen, Säbel, Degen, Piken, Ilellebarden) und Rüstungen grö- ßtenteils in die landesfürstlichen i\fsenale geliefert wur- den, kam für diesen Industriezweig die Bezeichnung "Kaiserliches Armaturswerk" auf. Nach Egger beherrsch- ten meist geschäftstüchtige Ratsherren wie Maximilian Luckner, Georg und Hans Ludwig Mittermayr, Benedikt Schöttl u. a. den Armaturenverlag. Über den Umfang und die Absatzgebiete der von den Verlegern durchgeführten Waffenlieferungen finden sich in den Quellen nur dürftige Angaben. In erster Li- nie wurden wohl die Zeughäuser in Wien w1d Graz be- liefert. Im Jahre 1680 verkaufte H. L. Mittermayr 2565 Stück Ilarnische, jeder 12 Pfund(= 6, 72 kg) schwer, 9 Jahre später 1190Stück Kürasse zu je 12 Pfund, 500 Stück zu je 10 Pfund. In den Jahren 1701 und 1708 versandte B. Schöttl je 1000 Kürasse ä 12 Pfund. Die von Mittermayr gelieferten Armaturen waren nicht immer von bester Qualität. Das steiermärkische Landeszeughaus in Graz war sogar einmal gezwungen, Waffensendungen an ihn zurückzuleiten. Als Kaiser Leopold I., aus Prag kom - mend, sich im August 1680 einige Tage in Steyr auf- hielt. veranstaltete Mitterrn;iyr im l1,111se des Max Sr.hin - nerer (Stadtplatz Nr. 39) eine Ausstellung der von ihm verlegten Schutz- w1d Angriffswaffen "als Küres, Toppel- häggen, Mußqueten / Kärbiner / Pistolen /Helleparten / Piquen / vnd Degen/ so alles bey Statt Steyr / sauber / schön/vnd so gerecht vnd guett/ als in all andern Ländern in der ~1änge auffgebracht würdet". Die Plattner, deren Werkstätten in Steyrdorf und Ennsdorf lagen. gehörten noch 1696 zw11 I-Jandwerksver- band der Schlosser-, Uhr- und Büchsenmacher. Erst zu Anfang des 18. Jahrhunderts bi ldcten Plattner und Polie- rer eine eigene Zunft. lrn Jahre 1716 befand sich die Handwerkslade im Gasthaus desBartholomäus Gugg (Kir- chengasse Nr. 9). Siegel und l la11dwerkszcicl1e11 verwahrt heute das lleimathaus Steyr. SIEGEL DER PLATTNER UND POLIERER ZU STEYR Heimathaus Steyr Aufnahrne: Landesbildstelle für OÖ. Durch die Feuerwaffen wurden die alten Rüstungen überflüssig, so daß Maria Theresia, die eine einheitli- che Bewaffnung der österreichischen Truppen anstrebte, die Auflassung der Zeughäuser anordnete. Nur in der Steiermark konnten die Landstände das Grazer Zeug- haus mit seinen wertvollen Beständen als "teures Denk - mal der Geschichte des Landes" erhalten. In diesem Jahrhundert stellten die meisten Plattnerwerkstätten den Betrieb ein. Um 17 GO arbeitete in Oberösterreich nur 1rehr ein Meister in Steyr. Bisher konnten in den städtischen Archivalien nachstehend angeführte Plattner und Ilaubenschmiede in der Eisenstadt festgestellt werden: Büchler Veit(l614), Dunst Michael(l694, 1711), Fenndt Christoph (1526, 1531) Gogl Ägidws (1615), Grueber Christoph (1694, 1696), Hack Hans (1649), Ilärtmann Franz (1709, 1729), Ilörburger Hans (1644, 1647), Hör- burgerPaul (1644), HopfingerIIans (1524, 1543), Kalch- schmidt Kaspar (1647, 1659), Kern Martin (1647, 1659), Kern Thomas (1694, 1716), Kogler Gillig (1609), Mayr Sebastian (1589), Müller Kaspar (1768), Müllner Mi- chael (1 R04), Polixmayr Andreas (1694), Rock lians (1647), Ruhrer Johann Michael (1747), Schinder Georg (1678), Schneider Georg (1681), Ursprung Franz (1694), Zehethoffer Thomas (1768, 1770). Dr. Josef Ofner * (Stadtarchiv: Ratsprotok olle 1600 - 1780. - B. Thomas, llarnische, 1947. - A. lloffmann, Wirtschaftsgeschich- te des Landes Oberösterreich, 1952. - E. Krobath, Die Bürgermeister der Stadt Steyr und ilue Zeit, 1963. - V. Poschenburg, Die Schutz- und Trutzwaffen des Mit - te laltcrs, 1036 . - 0. Schwarz, Das steiermärkische Lan- deszeughaus in Graz, 1068). 135

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2