Amtsblatt der Stadt Steyr 1971/6
4 AMTSBLATT DER STADT STEYR 1971 Kepler war wohl auch mit den Professoren der Steyrer Lateinschule befreundet. Daß er auch zur Stadt- obrigkeit, vor allem zu Bürgermeister Cosman Mann von Mannsperg in Beziehung stand, bezeugt folgende Eintragung im Ratsprotokoll vom 5. August 1616: "Johann Kepler p. recompens Verehrter Exemplar. - Dem Herrn Suppl(ikanten) sein 8 Taller Zuuerehren gewilligt". Der Titel der Dedikationsexemplare ist im Rats- protokoll nicht angeführt. Da aber Kepler sein Buch "Ausszug auss der Uralten Messekunst Archimedis und deroselben ncwlich in Latein aussgangener Ergentzung betreffend Rechnung der Körperl. Figuren, holen Gefes- sen und Weinfässer", das im Jänner dieses Jahres in Linz von dem aus Erfurt stammenden Buchdrucker Hans Plank, den der Astronom zur Übersiedlung in die Donaustadt bewogen hatte, gedruckt worden war, den Bürgermei- stern, Richtern und Räten der Städte im "Erzherzog- tum Österreich unter und ob der Enns" gewidmet hatte, kann mit Recht angenommen werden, daß er dem Ma- gistrat zu Steyr dieses Werk verehrte. Die Schrift han- delt von der Raumausmessung der Weinfässer und anderer Gcfiißc mit einer Visierrute. Kepler hatte sie in latei- 111scher Sprache schon 1615 unter dem Titel "Stereo- 111eLC1a l)o l10rum Vinariorum" veröffentlicht. In der de11Lsc-hen Ausgabe fehlen die gelehrten Bemerkungen, daf!!r wurde aber ein Anhang mit Gewichts- und Maß- angaben beigefügt. ln der humorvollen Widmung be- tolll Kepler die große ßedeuLUng der Geometrie: "Edle, Veste,auch Ehrnveste, Ehrsame, FUrneme, Fürsichtige, Wohlweise, Gross- vnd GUnsuge llerren. Das Vralte Mütterlein aller vnd Jeder Obrigkeiten, Gemaindcn, guter Würte, vernünfftiger Kauffleute, Freykünstler vnd Handwerker, namens Geometria, mein gebiettende Fraw, lesset E.V.E.F.W. vnd G. als einem grossen vnd sehr lieben thail ihrer Kinder vnd Angehörigen ihren mütterlichen Gruss vermelden". Ob der Gelehrte in den folgenden Jahren noch an- dere Werke dem Magistrat zu Steyr überreichte, ist nicht bekannt. Von dem Drucker Hans Plank wissen wir, daß er am 11. Jänner 1619 dem Stadtrat etliche Ka- lender zur Verfügung stellte und dafür 4 Taler erhielt. Zu den Bekannten Keplers in Steyr gehörte wahr- scheinlich auch der Kleinuhrmacher Daniel Scheyrer, von dem berichtet wird, daß er um 1624 einen Him- melsglobus aus Messing anfertigte. Vermutlich erfolgte die Herstellung unter Anleitung des Astronomen, der sich gerne mit Leuten aus dem Volke unterhielt. Ge- hörte ja auch in Prag der Uhrmacher Jost Bürgi zu seinen Freunden. In der Zeit der konfessionellen Wirren und des Bauernkrieges verließen Scheyrer und Kepler das Land ob der Enns. Scheyrer kehrte jedenfalls zurück in seine Vaterstadt Augsburg, Kepler zog 1626 mit seiner Familie nach Ulm und trat später in den Dienst Wallen- steins. An den weltberühmten Gelehrten erinnert in der Eisenstadt eine Straße auf der Ennsleite. Dr. Josef Ofner (Archivalien im Stadtarchiv Steyr. -1. Neumann, Steyr und die Glaubenskämpfe, 1952. -V. Preuenhueber, An- nales Styrenses, 1740. -M. Caspar, Johannes Kepler, 1958.-A. Fischer-Colbrie, Johannes Kepler, 1958.-M. Caspar und W. v. Dyck, Johannes Kepler, in seinenBrie- fen. -K. H. Stranitz, Von der Harmonie der Sphären, 1968. -Für Hinweise über Scheyrer danke ich Herrn Hof- rat Dr. Kinauer, Nationalbibliothek Wien und Herrn OSchR. Dir. J. Wilk) EINTRAGUNG IM RATSPROI'OKOLL VOM 5. 8. 1616 * Die neue Dambergwarte f n der Aprilnummer des Amtsblattes wurde darüber berichtet, daß sich ein aus namhaften Persönlichkeiten gebildetes Komitee die Wiedererrichtung einer Aussichts- warte auf dem Damberg zum Ziele gesetzt hat. Von dem Steyrer Architekten, Dipl. Ing. Helmut Reitter, wurde in der Zwischenzeit ein Planentwurf für eine neue Dam- bergwarte ausgearbeitet und dem Komitee zur Begutach- tung vorgelegt. Die neue Aussichtswarte soll in verzink- ter Stahlkonstruktion errichtet werden. An den Endpunk- ten eines quadratischen Grundrisses werden 4 ausgefach- te Stahlsäulen eine Treppe tragen, welche außen um die Säulen herumgeführt wird. Über diese Treppe erreicht man in ca. 25 m Höhe eine 8-eckige Plattform, die ei- ne weitreichende Fernsicht bietet. Sämtliche Treppen 84 und die Plattform sind durch Geländer gesichert. Die Fundierung der gesamten Konstruktion wird durch eine Stahlbetonplatte mittels Felsanker erfolgen. Bei der Be- rechnung wurden der starke Windanfall, der Schneedruck und vor allem die Vereisung der Konstruktionsteile be- rücksichtigt. zweifellos wird auch die neue Dambergwarte, wie ehedem ihre Vorgängerin, die 1934 wegen Baufälligkeit abgetragen werden mußte, wieder zu einem beliebten Ausflugsziel werden. Die Zeit der Autoausflüge ist viel- fach schon überholt und immer weitere Bevölkerungs- kreise beteiligen sich an ausgedehnten und erholsamen Wanderungen.
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