Amtsblatt der Stadt Steyr 1971/3

6 AMTSBLATT DER STADT STEYR 1971 stadt. Im Gegensatz zu anderen Kirchen liegt es in der Nord-Südrichtung, wodurch die Hauptfassade wirkungs- voll zur Geltung kommt. Den bar·ocken, dem Gotteshaus St. Michael in München verwandten Bau ließ in den Jah- ren 1635 bis 1677 die Gesellschaft Jesu aufführen, die im Zuge der katholischen Glaubenserneuerung mit kai- serlicher Unterstützung 1630 in Steyr eine Niederlassung gegründet und 1632 ein Gymnasium eröffnet hatte. Elf Bürgerhäuser wurden abgetragen, um für die Kirche und den von 1657 bis 1661 erbauten Kollegiumtrakt (heute Bundesrealgymnsaium) Platz zu schaffen. In großzügi - ger Weise förderten den Kirchenbau die Lamberge, Bern- hard Graf von Thonhausen und der Fürst von Eggenberg. Kaiser Ferdinand gab 8000 Gulden. Im Jahre 1715 erhielt das Gotteshaus durch eine Spende des Bürgermeisters Adam Wilhelm und andere Wohltäter eine große Glocke, 1737 mußte das von ei-, ner Muttergottes-Statue gekrönte mächtige Kirchenportal erneuert werden. Größere Bauarbeiten wurden in der Zeit von 1766 bis 1770 durchgeführt, u. a. erfolgte eine Erhöhung der Türme. Der Zeichenmeister Franz Xaver Gürtler schmückte damals Lias Giebelfeld der Kirche mit dem Fresko "Sturz der gefallenen Engel". Das einschiffige helle Langhaus, das zu beiden Seiten je drei Kapellen mit Emporen einsäumen, geht in einen eingezogenen Chor über. Der in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts errichtete Hochaltar wird ei- nem italienischen Meister zugeschrieben. Das Altarblatt, darstellend den hl. Michael, schuf ebenfalls F. X. Gürtler. Der bekannte Kunsthistoriker M. Riesenhuber bezeichnet * den Altar "als den schönsten der klassizistischen Kunst" im Lande ob der Enns. "Dieses um 1766 aufgestellte Prachtwerk", schreibt er, "stellt uns so klar und glücklich die Vereinigung des strengen, aber durchaus nicht schwer- fälligen Säulenbaues mit den überaus zierlichen und hübschen Rokokovasen und Schnörkelornamenten vor Augen". Besondere Beachtung verdient die Kanzel. Den Ab- schluß des wappengeschmückten Schalldeckels bildet die Statue des Guten Hirten. Bemerkenswert sind die Gemäl- de im Langhaus, Chor und in den Seitenkapellen. Am 21. Juni 1773 befahl Papst Klemens XIV . die Auflösung des Jesuitenordens. Die Aufsicht über die Kir- che führten nun der Stadtpfarrer Anselm Egger und Bene- fiziat Johann Michael Wessiken. Nach Gründung der Vor- stadtpfarre in Steyrdorf im Jahre 1784 wurde das Gottes- haus der Jesuiten, in dem 1779 neue Kirchenstühle auf- gestellt worden waren, zur Kirche dieser Pfarre erhoben und J. M. Wessiken zum Pfarrer ernannt . Die alte , "gänz- lich ruinierte" Orgel ersetzte man 1778 durch die Ege- dacher Orgel aus der Stiftskirche Garsten. Dr. Josef Ofner (Archivalien im Stadtarchiv Steyr.- J.Fröhler, Zur Ge- schichte der Schule und des Schuldramas der Jesuiten in Steyr, 1955 . - M. Riesenhuber, Die kirchliche Barock- kunst in Österreich, 1924. - Dehio, Die Kunstdenkmäler Österreichs/Oberösterreich, 1958, - J. Bayer, Die älteste Orgel von Steyr, 1967. - J. Lenzenweger, Die Entwick- lung des Pfarme tzes der Benediktiner-Abtei Garsten, 1939) Die Anfänge der Steyrer Waffenindustrie HANDHABUNG DER LUNTENSCHLOSSMUSKETE (AUS: "SOLDATENBUCI-I", 1610) D ie Herstellung von Feuerwaffen war seit dem Ende des 16. Jahrhunderts der mächtigste Zweig der Steyrer Waffenproduktion. Als um 1592 der Krieg gegen die Türken wieder größere Ausmaße annahm, mußte die bisher nur in den Werkstätten der Büchsenmacher und Büchsenschifter betriebene Anfertigung von Schießwaf- fen auf eine breitere Basis gestellt werden. Um diese Zeit wurde Steyr als Verlagstadt des Innerberger Eisens von der Niederösterreichischen Regierung aufgefordert, 38 Musketen in größeren Mengen zu erzeugen und der Eisen- obmann Johann Christoph Struz mit derDurchführung die- ses Befehls betraut. Die mit finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen- de Obrigkeit der Eisenstadt war über diesen Auftrag, der größere Geldmittel erforderte, keineswegs erfreut, konn- te sich aber im Hinblick auf die Türkengefahr nicht ab- lehnend verhalten. Da auch die obderennsische Land- schaft einen Betrag von 2000 Gulden hiefür in Aussicht

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