Amtsblatt der Stadt Steyr 1970/12

4 AMTSBLATT DER STADT STEYR 1970 A. Dürer, Stadtmusikanten Empfang des Landesfürsten, bei der Eröffnung des Jahr- marktes, bei Schulfeiern und anderen offlz1ellen Veran- staltungen. Auch das Aufspielen bei Hochzeiten stand nur dem Turnermeister und seinen Gesellen zu. Gar oft mußte er sich bei der Stadtobrigkeit beschweren, weil fremde Geiger und Schulmeister seine Vorrechte miß- achteten. Besoldung und Bekleidung der Turner erfolgte durch die Stadtverwaltung. Gewöhnlicherhieltensie "gemei- nes Lindisch Tuch" von grüner Farbe oder einen entspre- chenden Geldbetrag zur Anfertigung ihrer Uniform. Be- sondere Naturalien- oder Geldspenden bekamen sie für Extraleistungen. In der Weihnachtszeit spielten sie vor den Häusern der Bürger, die sie dafür beschenkten. Schließlich gab im 17. und 18. Jahrhundert das Pfarr- kirchenamt dem Turnermeister jährlich 20 Gulden und 24 Metzen Korn. Die lauten Instrumente waren in erster Linie den Adeligen vorbehalten. Diese Bestimmung, die be- hördliche Anordnungen immer wieder einschärften, wurde von den Turnermeistern im allgemeinen genau beachtet. da Übertretungen auch von der Stadtobrigkeit scharf ge- rügt wurden. So mußte sich 1666 der Turnermeistec Lauffensteiner vor dem Bürgermeister verantworten. weil er den Schreiber des Schiffmeisters Georg Wilhelm, der auf dem Wasserwege nach Mauthausen abreiste, "nicht nur in dem Haus von dem Fenster aus. sondern auch auf dem Wasser auf der Zillen abfahrend. mit Trompeten aufgewartet und bedient" hatte. Im Jahre 1677 feierten die Turner das Fest derhl. Cäcilia mit Pauken und Trom- peten. Der Rat beschloß, "den Turnermeister bei näch- ster Session zu erfordern und demselben neben einem scharfen Verweis den Gebrauch der Pauken und Trom- peten in derlei Fällen alles Ernstes abzustellen". Großes Aufsehenerregte 1710 der Nadler Straßnizkhi. Anläßlich seiner Hochzeit veranstaltete er mit seinen Gästen und den Turnern eine Schlittenfahrt durch Steyrdorf. wobei die vorausfahrenden Musikanten auf Trompeten und Hör- nern Märsche bliesen. Für diesen "Exzeß" hatte der Nad- lermeister laut Verfügung des Stadtgerichtes vier Reichs- taler zu erlegen. Dem Turnermeister drohte man mit "empfindlicher Straff". Gelegentlich spielten die Stadtmusikanten mit Er- laubnis des Rates auch auswärts (z.B. Enns, Seitenstetten, Lambach. Steinach), doch mußte die "Wacht auf dem Turm" gesichert sein. 172 Die Stadtturnerei lag nahezu ein Jahrhundert lang rn den Händen der Famllie Schmidtberger (1548-1638). Durch mehrere Jahrzehnte wirkten die Kapellmeister Wolf Jakob Lauffensteiner (1666-1689) und Ferdinand Sertl (1691-1725). Bekanntlich geht die Entstehung der Wallfahrtskirche Christkindl auf Sertl zurück. der hier durch seine Bittandachten vor einem aus Wachs geform- ten Christkindl von der Fallsucht geheilt wurde. Nach 17 50 wurden die Privilegien der Turnermeister durch behördliche Maßnahmen und bürgerliche Musiker aus dem Handwerkerstand wesentlich eingeschränkt. In der Folgezeit betätigten sie sich fast nur mehr als Turm- wächter und Kirchenmusiker, nur das "Abblasen am Pfarr- turm durch die Sommermonate und viermal des Jahres vom Rathausbalkon" gehörte zu ihren offiziellen Ver- pflichtungen. Alle in der Öffentlichkeit tätigen Musikanten ge- hörten zur 1228 gegründeten "Zech und Bruderschaft Sancti Nicolai" bei der Sankt-Michaels-Pfarrkirche in Wien. Diese Organisation unterstand dem Spielgrafenamt der Erzherzogtümer Österreich unter und ob der Enns. Nach dem kaiserlichen Spielgrafenamtspatent vom 12. Juni 1665 waren alle Personen, "so vor den Leuten Spiel und Kurzweil um Geld machten", verpflichtet, die Inkorporationsgebühr und den Jahrschilling zur Nikolai- Bruderschaft bei dem Spielgrafenamts-Viertelmeister zu erlegen. Sie erhielten eine Z<'hlungsbestätigung ("Spiel- zettel"), die sie zum öffentlichen Auftreten berechtigte. Die Bruderschaft umfaßte nicht allein die Turner. son- dern auch die Organisten, Kleinzimbler. Lautenschläger. Harfenisten, Geiger, Pfeifer, Hackbrettler, Schwägler "und dergleichen Spielleuth / so Hoch-Mahlzeiten und Pancketen umb die Bezahlung bedienen / wie auch theils derselbenauff den Tantz-Böden / in denen Wirtshäusern und Tafernen / mit ihrer gemeinen Kunst auffmachen", sämtliche Freifechter. Hafenschupfer. Glückshafner. Ko- mödianten, Gaukler, Seiltänzer, Trommelschläger. Leyrer, Bären-, Affen- und Hundstanzmacher. Schwert- fänger, Freisinger, Würfel- und Taschenspieler. Schalks- narren "und in Summa alle andere / so vor den Leuthen Spill und Kurtzweill (dabey aber bei Leib- und Guts- Straff / das Gottslästern / Fluchen und Schwören / wie auch einige unzüchtige Reden / Gebärden und Verstel- lungen nicht zugestatten) auff dem Jahr-Wochen- Märckt und anderen Fest- und Freuden-Tägen" vorführten. Das Spielgrafenamt bestand bis in die Zeit Kaiser

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