Amtsblatt der Stadt Steyr 1970/11

4 AMTSBLATT DER STADT STEYR 1970 Steyr, die "Hauptwerkstätte" der Messerer A ls mächtigster Handwerksverband der Stadt Steyr galt in früheren Jahrhunderten die "Liebfrauenzeche der Messerer ". Im Jahre 1407 bestätigte Herzog Ernst den Messerermeistern. zu Steyr neuerdings die in der zweiten Hälfte des 14, Jahrhunderts ihnen von den Herzogen Al- brecht und Wilhelm verliehenen Handwerksprivilegien. Die durch Kriegsereignisse bedingte schlechte Wirt- schaftslage der Eisenstadt am Ausgang des Mittelalters bekam auch das Handwerk zu spüren. 150 Messerer und andere Handwerker wollten damals die Stadt verlassen. Erst im vierten Jahrzehnt_ des 16.Jahrhunderts besserten sich die wirtschafltichen Verhältnisse. Messerer aus dem Reich und aus der benachbarten Stadt Wels ließen sich in Steyr nieder. Außerhalb der Stadtmauern, auf dem Wie- serfeld, erbauten sie und andere Eisenarbeiter ihre Werk- stätten. Die Steyrer Messererzunft schrieb eine Lehrzeit von fünf Jahren und Meistergebühren im Betrage von etwa 50 Gulden vor. Während die anderen Handwerksverbände die Wahl des Vorstandes in ihren Herbergen durchführen mußten, durften die Messerer im Hinblick auf ihre be- deutende Stellung im städtischen Wirtschaftsleben die Wahl der Zech- und Fürmeister am St. Thomastag nach der Bürgermeister- und Ratswahlim Rathaus vornehmen, In Steyrdorf, wo die Messerer ein Zechhaus besaßen (Kir- chengasse Nr. 1), befand sich auch ihre Herberge, die um 1718 in das Gasthaus des Johann Hammer in der Glein- kergasse, später zu Adam Beham in der Kirchengasse ver- legt wurde. Die Zeche ließ in diesem Jahrhundert eine neue Zunftfahne anfertigen, und zwar "auf die Art, wie die Fahnen in Wien gebräuchig" waren. Nach V. Preuenhueber (Annales Styrenses, 1740) sollen zwei oder drei Angehörige des Messererhandwerks "von alters her" dem Rat der Stadt angehört haben. Wahrscheinlich handelte es sich um vermögende Mes- serverleger. Im Jahre 1668 beschloß die Stadtobrigkeit, daß unter den vier Ratsmitgliedern aus Steyrdorf a,tch ein Messerer sein müsse. Seit 1478 waren in Steyr auch die Messerergesel- len in einem eigenen, von Fürgesellen geleiteten Ver- band geeinigt. Die Messerproduktion vollzog sich seit dem 15, Jahr- hundert in der Weise, daß der Klingenschmied die Roh- klinge lieferte, der Schleifer ihr die "Schneid" gab und der Messerer dazu aus Bein, Perlmutter, Messing oder Buchsbaumholz die Schale anfertigte. Messing lieferte meist das Hüttwerk in Reichraming, Buchs die Nürnber- ger Handelsle11re 11 11d M11sc.he1n fiir die Perlm11rrersc.halen bezog man aus Venedig. Zu den gangbarsten Messersorten zählten "Steyrer Netterl" (Taschenmesser), Steinbacher Messer, Tiroler Messer,"Profanter" und die besonders schön ausgeführten "Ehrmesser" für Geschenkzwecke. Als vollwertige Han- delsware qualifizierte sie die Handwerksmarke oder das "Zeichen". Ein kaiserliches Privileg berechtigte die Messerermeister, auf ihre Erzeugnisse, die in bedeuten- den Mengen nach Venedig geliefert wurden.zum Meister- zeichen das Wappen "Neuösterreichs" (Bindenschlid) auf- zuschlagen. Die den Meistern verliehenen Marken ver- zeichnete von 1516 bis 1666 die Zunft im sogenannten "Schuldt Buech" und auf einer Bleitafel. Nach diesem Jahre überwachte die Eisenobrnannschaft die Verleihung der Meisterzeichen. 156 ZUNFTBECHER DER MESSERER Heimathaus Steyr. Aufnahme: Landesbildstelle OÖ. Zur Regelung des Materialbezuges, des Absatzes, der Arbeitsverhältnisse und anderer wirtschaftlicher Fra- gen, vereinigten sich die Messerer der Städte Wien, Steyr, St. Pölten und Waidhofen a. d. Ybbs schon im 15.Jahr- hundert zur mächtigen "Gottesleichnamszeche ", die erstmals 1439 als "Vereinigte niederösterreichische red- lirhP MPssPrPrwerksrärre" erwähnt wird. Tm Jahre 1470 tratendieserVereinigung, inderWien die führende Rolle inne hatte, auch die Meister der Städte Krems und Wels bei. In der Reformationszeit übernahm die Eisenstadt die Führung. 1546 wurde Steyr die "Hauptmesserwerkstätte" und damit Mittepunkt des großen Zunftverbandes. In der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts suchten auch die Messerer von Steinbach a.d.Steyr (1559) und von Frei- stadt (1581) Anschluß an diese Vereinigung, der um 1662 auch das Messererhandwerk zu Preßburg angehörte. Wenn in der einschlägigen Literatur behauptet wird, daß in der Zeit der Glaubensspaltung in Steyr ungefähr 300 Messererwerkstätten bestanden haben, so ist diese Angabe wohl übertrieben. Denn es ist undenkbar, daß von den im Jahre 1576 im Burgfried der Stadt gezählten 702 Wohnbauten rund 43 o/o Messererwerkstätten gewesen

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2