Amtsblatt der Stadt Steyr 1970/10

8 AMTSBLATT DER STADT STEYR 1970 storiker Karl Lamprecht (1856 - 1915) und Dietrich Schäfer (1845 - 1929). Im Jahre 1892 erwarb er den philosophischen Doktorgrad. Nach einem längeren Aufenthalt in Rom vermählte sich Kaser 1905 in Wien mit Eugenie (1881 - 1959), Tochter des Generalmajors F. Michniowski. Aus dieser Ehe gingen hervor die Kinder Max (geb. 1906, derzeit Ordinarius für Römische Rechtsgeschichte an der Univer- sität Hamburg und mehrfacher Ehrendoktor) und Else (geb. 1915, verehelichte Kern). Seine Vorlesungstätigkeit begann der Historiker im Wintersemester 1908/09 an der Universität Graz. In der Zeit des Ersten Weltkrieges war er Ordinarius an der Uni- versität Czernowitz. Ab 1920 bis zu seinem Tode am 1. November 1931 wirkte er wieder in Graz, und zwar als "Honorarprofessor" an der Universität und an der Tech- nischen Hochschule, ab 1924 als ordentlicher Professor für "allgemeine Geschichte der Neuzeit und für Wirt- schaftsgeschichte". Professor Kaser entfaltete als Forscher und Lehrer eine vielseitige Tätigkeit. Er war geschätzt als vorzüg- licher Redner und Verfasser hervorragender historischer Schriften. Vonseinen Abhandlungen und Werken können im Rahmen dieses kurzen Aufsatzes nur erwähnt werden das 1899 erschienene Buch "Politische und soziale Be- wegungen im deutschen Bürgertum zu Beginn des 16. Jahr- hunderts mit besonderer Rücksicht auf den Speyrer Auf- stand im Jahre 1512" und drei Bände der von L. M. Hart- mann herausgegebenen "Weltgeschichte in gemeinver- ständlicher Darstellung". Im ersten Band behandelt Kaser das Spätmittelalter, im zweiten das "Zeitalter der Re- formation und Gegenreformation" und im dritten die "Gesschichte Europas im Zeitalter des Absolutismus und der Vollendung des modernen Staatensystems (1660 - 1789) ". In Graz beschäftigte sich der Forscher eingehend mit der Geschichte des steirischen Eisenwesens. Sein Fleiß trug reiche Früchte. Zwei überaus wertvolle, in einem blendenden Stil verfaßte Werke zur österreichi- schen Wirtschaftsgeschichte erschienen: 1927 "Der in- nerösterreichische Eisenhandel in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts", 1932 "Eisenverarbeitung und Eisen- handel. Die staatlichen und wirtschaftlichen Grundlagen des innerösterrreichischen Eisenwesens". In diesem Buch, dessen Erscheinen Kaser leider nicht mehr erlebte, wür- digt er ausführlich die Stellung seiner Vaterstadt Steyr im Eisenwesen vergangener Jahrhunderte. "In Steyrs Mauern", so schreibt er, "sitzen in ihren behäbigen und stattlichen Bürgerhäusern die großen Verleger, von de- nen es abhängt, ob die Radwerke Innerbergs (Eisenerz), die Hämmer an der Enns arheitsfähig sind oder nicht. Aus ihren Händen empfangen die Industriewerkstätten in Steyr selbst und in den benachbarten Tälern ihr Roh- material, das dort zum Ruhm und Gewinn der Stadt ver- arbeitet wird. Von Steyr beziehen die Eisenhändler ge- wisser bevorrechtigter Städte ob und unter der Enns ihre Waren, die sie an die heimischen Verarbeiter und ins Ausland absetzen. In Steyr schlägt das Herz des ganzen Innerberger Bezirkes. Mit Recht können seine Bürger sich rühmen, daß sie durch ihre Arbeit und ihr Vermögen den Berg erhalten. Sie ernten aber auch den Löwenanteil an den Früchten, die der Rad- und Hammergewerk mit sau- rem Schweiß erringen muß. So wird Steyr zur hochbe- rühmten "alten Eisenstadt", zum "österreichischen Birmingham" - ein Ehrentitel, dem ihm das 19. Jahr- hundert wohl mit starker Übertreibung gegeben hat. Ein 144 vielleicht nicht genug geschätztes Juwel unter den Städ- ten Österreichs, ein Juwel, dem die Natur die herrlichste Umrahmung verliehen hat, stellt Steyr das stolzeste Denk- mal der einstigen Größe unseres Eisenwesens dar, von dessen Bedeutung dort die Steine, selbst die Gassennamen er- zählen". Dr. Josef Ofner (Literatur: F. Tremel, Kurt Kaser. Zeitschrift des Histo- rischen Vereines für Steiermark. Jg. LXI, 1970, Seite 231 - 254) * DER HUNDSGRABEN D ie neue Brücke, die seit geraumer Zeit die Leo- pold-Werndl-Straße mit dem Werndlpark verbin - det, überquert ein enges Tal, das schon im 16. Jahr- hundert als "Hundsgraben" bezeichnet wurde. Der die Niederterrasse durchziehende tiefe Gra- ben, welcher von der Stelzhamerstraße abzweigt und von der Leopold-Werndl-Straße zur Enns abfällt, wur- de einst von der aus dem Gebiet des Garstner Teiches ("Herrenweideholz") abfließenden Sabinicha (aus urslaw. Zabinica = Krötenbach) geformt. Um da s Ge fälle des Baches zu mildern, versah man schon um 1509 sein Bett mit Schwellen. Wahrscheinlich bestand in der Nähe des Stieglhofes damals auch die Mög - lichkeit, ihn im Kriegsfalle zur Füllung des zwischen Pfarrhof und Styraburg angelegten Stadtgrabens ableiten zu können. In diesem Jahrhundert behauptete die Klosterherr- schaft Garsten, daß sich ihre Hofmark bis an den Sar- mingbach, wie die Sabinicha auch genannt wurde, er - streckte. Steyr wies diese Behauptung energisch zurück, da eine Verwechslung mit dem in der Nähe des Klosters in die Enns mündenden Garsmerbach vorlag. Im Jahre 1584 wurde der seit 1523 währende Streit zu Gunsten der Eisenstadt entschieden. Bei starken Regengüssen trat der beim Neutor in die Enns strömende Bach aus den Ufern und verursachte schwere Schäden an den kleinen Häusern "im Graben". Er wurde deshalb, wahrscheinlich nach der großen Hoch- wasserkatastrophe im Jahre 1572, zwischen Neulust und Quenghof in die Steyr abgeleitet. Ob der argen Verwü - stungen, die er anrichtete, erhielt er jedenfalls die Be - zeichnung "Teufelsbach". In der Folgezeit aber ergoß er sich bei heftigen Regenfällen, das alte Flußbett be- nützend, wieder in die Enns. Noch im vergangenen Jahr- hundert war dies der Fall. So berichtet F. X. Pritz in seiner 1837 erschienenen Stadtgeschichte über den Teu- felsbach: "Jedoch, wenn er sehr hoch anschwillt, sucht er oft noch seinen alten Weg, und stürmt verwüstend in die Enns und Steyr zugleich im doppelten Ausflusse hin". Der Name "Hundsgraben" dürfte zurückgehen auf eine vielleicht damals übliche Gepflogenheit der Stadt- bewohner, in diesem etwas abgelegenen Gelände Tier- kadaver zu verscharren. Berichten doch die Ratsproto- kolle des Jahres 1644, daß im Hundsgraben ein Hund "begraben" wurde. Den Graben überquerten wohl schon in ältester Zeit einfache Stege oder Holzbrücken. Wie die Rats- protokolle andeuten, erbauten die Kapuziner im Jahre 1735 einen zu ihrem Kloster führenden Steg. Die Er- richtung einer Holzbrücke fällt in das Jahr 1862. Bau -

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