Amtsblatt der Stadt Steyr 1968/9

1968 Amtsblatt der Stadt Steyr 5 DAS STEYRER LEINWEBER-HANDWERK IM 17. JAHRHUNDERT 1 m Steyrcr Wirtschaftsleben vergangener Jahrhun- derte spielte das Handwerk der Leinweber eine nicht unbedeutende Rolle. Wie die Schuster, Binder, Scherschmied, Schar- sager, Hafner, Ahlschmied und Bürstenbinder gehörten die im städtischen Burgfried ansässigen Weber zur St. Ja- kobs-Bruderschaft. Die in den Landgerichten Steyr und Bad Hall ar- beitenden Meister erhielten am 1. September 1577 eine vom Burggrafen der Herrschaft Steyr Ferdinand Frei- herrn zu Grünbühel bestätigte Handwerksordnung. Eine für alle Webermeister des Erzherzogtums Österreich cb der Enns verbindliche Zunftordnung sanktionierte Kai- ser Rudolf II. am 3. Oktober 1578. Die Hauptlade die- ser Landesinnung befand sich in Linz, Viertelladen be- standen in Freistadt (Machland), Wels (Hausruckvier- tel), Linz (Mühlviertel) und Enns (Traunviertel). bie Lade des Leinweber-Handwerks in Steyr un- terstand der Viertellade in Enns. Zu den von der Haupt- lade in Linz angesetzten Versammlungen entsandte Steyr zwei Vertreter. Mitunter waren die Linzer Zusammen- künfte sehr schlecht besucht. So kamen z. B. zur Ver- sammlung arn 8. Oktober 1646 aus 20 Orten keine Mei- ster. Die Lehrzeit dauerte im Weber-Handwerk vierJah- re. Laut Handwerksbeschluß vom 26. Oktober 1642wa- ren für das Aufdingen und Freisagen der Lehrlinge jedes- mal 1 Gulden 4 Schilling zu bezahlen. Die Webergesellen, auch Knappen genannt, be- saßen eine eigene Geldbüchse, die von dem "Pixen- knappen" verwahrt wurde. In der Zeit des Dreißigjäh- rigen Krieges und in den folgenden Jahren führten die Gesellen, dem Beispiel der einquartierten Soldaten fol- gend, ein liederliches Leben. Am Jahrtag 1651 sollen zehn Knappen nicht weniger als 38 Kandl Wein, etwa 62 Liter, genunken haben. In diesem Jahre untersagte das Handwerk den Gesellen auch das Würfelspiel oder "Paschen". Knappen, die keine Wanderzeit nachweisen kormten, hatten bei der Aufnahme in die Meisterschaft einen Geldbetrag zu erlegen. ·Im Jahre 1664 mußte der Geselle Paul Tiernperger, weil er "auf seinem Hand- werk nicht ein Stund gewandert ist", drei Gulden bezah- len. Das Meisterstück wurde erst in der Landes- Hand- werksordnung vom Jahre 1628 für alle Weberzünfte in Oberösterreich vorgeschrieben. In Steyr hatte 1649 ein angehender Stadtmeister als Meisterstück einen Web- stuhl aufzurichten und drei Leinenstücke anzufertigen. Entsprach die Arbeit nicht ganz den Anforderungen, zeig- ten sich "Tädl und Mangl", dann brauchte sie der Prüf- ling nicht wiederholen, sondern hatte als Strafe einige Gulden zu erlegen. Die mit der Prüfung und Meisteraufnahme verbun- denen Kosten waren Schwankungen unterworfen. Im Jah- re 1649 z. B. bezahlte der Stuckmeister für das Festes- sen bei Beschau des Meisterstückes ( "Beschaumahl") 13 fl. 10 kr., für das Meistermahl 10 fl. 38 kr., außer- dem drei Kandl Wein um 36 Kreuzer. Nach "altemGe- brauch und Handwerksgewohnheit" hatte 1670 der ange- hende Meister auch die ungefähr drei Liter fassendeMei- sterkanne ("MeisterKandl") "mitgutemWein" füllen zu lassen, "einem ehrsamen Handwerk zu Ehren, dem jun- gen Meister aber zu einem glückseligen Anfang zu sei- nem angehenden Meisterstand, und damit er auch in Lieb, Fried und Einigkeit sich in dem Handwerk würde verhalten, wie es einem ehrliebenden Meister gebüh- ren will, sodann wird ihm Gott Gnad, Glück, Heil und Segen geben, daß er dies alles reichlich genießen wer- de". Um 1645 kauften die Leinweber eine Kirchenfahne, die sie in der Stadtpfarrkirche im Fahnenkasten der Stein- metze und Maurer gegen eine Gebühr von 3 Gulden auf- bewahren durften. Später wurde auch ein "Bahrtuch" im Werte von 69 fl. 50 kr. aqgeschafft. Der Jahrtag des Leinweber-Handwerks fiel in die Zeit der Sommer-Sonnenwende, im Jahre 1658 fand er am 23. Juni statt, Um diese Zeit (1664) bescanden in Steyr 12, in Oberösterreich 2201 Weber-Werkstätten. Übertrieben muten heute manche der damals herr- schenden Ansichten über die Handwerker-Ehre an. Wie in anderen Zünften waren auch bei den Webern bestimm- te Handlungen, weil ehrenrührig, verboten. 1643 wurde der Meister Andreas Wöberperger angeklagt, eine Katze getötet und hernach "vertragen" zu haben. Schwierig- keiten in der Ausübung des Berufes bereitete die Haupt- lade dem der Haller Zunft angehörigen Weber Simon Helfferstorffer, weil er mutwillig "drei Hund gestutzt" hatte. Das zur Herstellung der Leinwand benötigte Garn bezogen die Weber an den Markttagen ("Garn Markt'') von den Bauern. Im Bereich der Herrschaft Steyr wurde, wie Urbare bezeugen, schon im 13. Jahrhundert der Flachsbau betrieben. Strenge verboten war der Fürkauf, nämlich der Garn-Einkauf außerhalb des Marktes. Die Einkaufszeit wurde an den Markttagen durch eine Fahne ( "Garnfahn ') angezeigt. Im Jahre 1672 bea,uftragte der Stadtrat die Marktrichter, den ''Fahn von St. Georgen-Tag an bis Martini um 6 Uhr, von St. Martini bis auf St. Georgen- -Tag aber um 7 Uhr früh auszustecken und um 9 Uhr da- rauf alsobalden abzunehmen"; '1 orrang hatten die Stadt- meister. Die Gäumeister durften erst nach 9 Uhr Garn einkaufen. Ihre Erzeugnisse, hauptsächlich Leinwand und Rupfen (Rohleinen) hatten die Weber "alter Gewohnheit nach" im Rathaus den Bürgern zum Kaufe anzubieten. Hatte man doch den Handelsleuten, die nach Venedig Waren lieferten, schon im 16. Jahrhundert den Rupfen- -Vorkauf eingeräumt. Die Nichtbeachtung dieser Anord- nung hatte 1682 zur Folge, daß das Stadtgeric:ht den Auf- trag erhielt, den Lcinwandverkauf zu überwachen. Einen zähen Kampf führten die Meister gegenHau- :;ierer, Bandlmacher und Heimarbeiterinnen ( "ledige Menscher"), die Strümpfe strickten, Spitzen häkelten oder mit "weißer War" handelten. Leinenbänder( "Bandl ") erzeugten nicht nur Mädchen,sondernin Zeiten der Ar- beitslosigkeit auch Handwerker, die aber hiezu die Be- willigung des Rates einholen mußten. "Ledige Me nscher •: die sich mit Weberarbeiten beschäftigten und nichtBür- gerstöchter waren, sollten nach dem Willen der Stadt- obrigkeit strenge bestraft werden. Im Jahre 1655 wollte man sie mit Gewalt aus der Stadt treiben, 1660 wurde verfügt, 94 ledige "Weibspersonen" in das Narrenhaus zu sperren, 1668 erhielten die Gerichtsdiener den Auftrag, die "dienst.losen Strickmenscher" abzuschaffen. 137

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