Amtsblatt der Stadt Steyr 1968/4

4 Amtsblatt der Stadt Steyr 1968 Eingangs wurde schon erwähnt, daß Zahlen allein über Leben und Entwicklung einer Bücherei nichts aus- zusagen vermögen, obzwar sie gute Anhalts-· oder Richt- punkte darstellen. Es soll aber festgehalten werden, daß die Zentralbücherei in den vergangenen fünf Jahren neben dem notwendigen Grundstock an Sachbüchern al- ler Hauptgebiete, Lexika und Nachschlagewerken sowie gediegener "Kinder- und Jugendliteratur", mit Werken sehr spezialisierter Themenkreise ausgestattet werden konnte. In diesem Zusammenhang darf nicht vergessen wer- den, daß sich die seinerzeit eingestellte "Encyclopädia- Britannica" weiterhin gut bewährt und sowohl Pädagogen als auch Studierenden ständig hilft, sich über schwieri- ge Fragen zu unterrichten. Es handelt sich dabei oft um Namen und Daten, die tatsächlich in keinem anderen Nachschlagewerk zu finden sind. Dieser Bericht wäre jedoch unvollständig, würde nicht erwähnt, daß die Zweigstelle Münichholz, unge- fähr ein Jahr später (1963) gegründet, auf eine mehr als vierjährige Tätigkeit zurückblicken kann. Da die bishe- * .rige Frequenz in kleinem Maßstab ähnlich jener der Zen• tralbücherei liegt, mag genügen festzustellen, daß sich in der Zweigstelle bis Ende des Jahres 1967 rund 600 Le• ser einschreiben ließen, von denen mittlerweile . etwa ·170 ausgeschieden wurden, sodaß der Effektivleserstand rund 400 betrug. Insgesamt wurden in der Zeitspanne von 4 Jahren 45, 200 Entlehnungen getätigt und S 40. 334, 50 an Entlehnungsgebühren eingenommen. Zum Abschluß dieses Rechenschaftsberichtes darf hervorgehoben werden, daß die Steyrer Bevölkerung in ihrer Stadtbücherei das an Literatur findet, was sie sucht, wobei sich das System der "Freihandwahl" gut eingeführt hat. Die Stadtverwaltung ist weiter bemüht, wie bisher den Ausbau des Bestandes der Zentralbücherei zu gewähr· leisten. Sie ist sich dabei bewußt, daß eine gut gerüstete und richtig funktionierende Volksbücherei von heute ein effektives Verteilungsorgan guter Literatur verschieden• ster Art ist, eine kulturelle Institution also, mit der Auf- gabe, sowohl unter Erwachsenen als auch unter Kindern und Jugendlichen das Lesen guter Literatur zu fördern. * Ober 100 Jahre Werndl •Gewehr D er Sieg der Preußen bei Königgrätz am 3. Juli 1866, den sie in erster Linie der überlegenen Feu- erkraft ihres Zündnadelgewehres verdankten, entschied endgültig den alten Streit, hier Vorderlader, hier Hin- terlader,zugunsten des letzteren, der keines Ladestockes bedurfte. Damit hatte auch der Steyrer Waffenfabrikant Jo- sef Werndl mit seiner Wahl für den Hinterlader Recht behalten, Nach seiner Rückkehr aus USA (1863), zu der er auch seinen Werkmeister Karl Holub mitgenommen hatte, arbeiteten die beiden Männer Tag und Nacht an der Konstruktion eines neuen Hinterladers. Gleichzei- tig investierte Josef Werndl nicht nur sein Vermögen, sondern auch das aller anderen Familienmitglieder in den Ausbau seiner Fabriksanlagen, um, wenn die Ent- wicklung des Gewehres abgeschlossen wäre, schlagartig mit der Massenproduktion beginnen zu können und nicht mehr auf die Herstellung fremder Modelle angewiesen zu sein. Die erlittene Niederlage zwang die österreichi- sche Heeresverwaltung zu einer möglichst raschen Neu- bewaffnung der Armee mit Hinterladern, A 1s deren erste Etappe war die Umarbeitung von Vorderladern auf Hin- terlader nach dem System Wänzel vorgesehen, an de- ren Arbeit auch die Werndlschen Werke beteiligt wur- den. Obwohl Werndl alles daransetzte, seine Fabriks- anlagen auszubauen und das neue Gewehrmodell fertig- zustellen, schien seine Sache schlecht zu stehen. Der Präses der österreichischen Rückladekommission, Erzher- zog Wilhelm, entschied nämlich schon am 26. Dezem- ber 1866, nachdem Proben mit einer Reihe von Hinter- ladersystemen wie Paget, Lindner und anderen nicht ent• sprechend ausgefallen waren, das amerikanische Reming- tongewehr zur Einführung in der kaiserlichen Armee zu beantragen. Wie sollte Werndl gegen solche Konkurrenz zeit- gerecht bestehen? Denn erst am 9. Jänner 1867 ver- 56 mochte er die Erfindung seines Hinderladers mit zylin· drischem Verschluß auf seinen Namen im österreichi· schen Patentamt in Wien eintragen zu lassen. Es er- scheint dort unter der Nummer 17/11 auf und wird wie folgt beschrieben: "Gegenstand des Privilegiums ist ein Hinderla- dungsgewehr mit einem cilindrischen Verschluß, wel- cher um eine mit dem Laufe parallel laufende Achse drehbar und auf seiner Querschnittfläche mit einer schie• fen Ebene versehen ist, " Drei Zeichnungen verdeutlichen dort die Ausfüh- rung des neuen Gewehrsystems, Die bange Frage lautete: Würde es Werndl noch gelingen, den Vorsprung seiner Ko-nkurrenten aufzuho- len? Remington hatte schon einen Auftrag für 2,000 Ge- wehre in der Tasche. Außerdem bemühten sich dessen Agenten mit allen Mitteln, den Großauftrag für sich zu buchen. Doch der Steyrer war nicht der Mann, sich bei- seiteschieben zu lassen. Er sprach bei Erzherzog Wil- helm und dem Kriegsminister FZM John vor, die ihm, beide sehr gewogen waren und erreichte schließlich auch eine Audienz beim Kaiser, der es Werndl nicht verges- sen hatte, wie er nach Abzug der militärischen Wach- mannschaften aus Garsten dort einen Häftlingsausbruch mit seinen Arbeitern, die er mit selbsterzeugten Hieb• bajone tten bewaffnet hatte, vereitelte. Außerdem stand dem Fabriksherrn ein überaus zug- kräftiges Argument zu Gebote. Ein Staat von der Größe und Bedeutung des Habsburgischen Kaiserreiches„ könne es sich nicht leisten, seine Gewehre aus dem Ausland, noch dazu aus Übersee, zu beziehen. So gelang es, intensive Schießversuche mit dem neuen Werndl-Gewehr durchzusetzen. Wie aus einer Note der Gewehrprüfungskommission vom 28. April 1867 · an das Kriegsministerium hervorgeht, erwiesen die vor- genommenen Versuche eine vorzügliche Brauchbarkeit des Werndl-Holub-Gewehres,

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