Amtsblatt der Stadt Steyr 1967/3

1967 AMTSBLATT DER STADT STEYR 3 Stey.r am Ende des Dreißigjährigen Krieges D urch die po litischen und religiösen Wirren im e r- sten Jahrzehnt des Dreißigjährigen Krieges war Steyr in eine katastrophale Wirtschaftskrise geraten. Die landesfürstliche Stadt, die "viele Jahre die Kron des Lobs und der Übertreffung getragen", verzeichnete um 1628 eine enorme Schuldenlast. Eine durchgreifende Bes- serung der wirtschaftlichen Lage war in den folgenden Jahrzehnten nicht möglich. Belasteten doch die vielen Truppeneinquartierungen, die hohen Landesanlagen und Rüstgelder zu stark den Stadthaushalt. Mit Sehnsucht erwartete die Bürgerschaft das En- de des leidvollen Krieges. Aber noch im September 1648, kurz vor dem Abschluß des Westfälischen Frie- dens, wurde das Land ob der Enns in Alarmzustand ver - setzt. Der Feind, so hieß es, stünde an der böhmischen Grenze und hätte das Kloster Hohenfurth geplündert, die kaiserlichen Truppen hätten sich mit ihrem Troß bis nach Urfahr zurückgezogen. Diese Nachricht führ- te in Steyr zur Instandsetzung aller Befestigungsanlagen, zur Kontrolle der Waffen und zur Vermehrung des Pul- ver- und Luntenvorrates. Der Unterzeichnung des Friedensvertrages zu Mün- ster und Osnabrück am 24. Oktober 1648, an der auch der Inhaber der Herrschaft Steyr, Graf Johann Maxi- milian von Lamberg, als Bevollmächtigter des Kaisers Anteil hatte, folgte aber nicht, wie man erhoffte, die sofortige Entlassung der Truppen und die Beseitigung der drückenden Abgaben. Noch war die Durchführung der Friedensbedingungen festzulegen, eine Aufgabe, die der Nürnberger Kongreß zu lösen hatte. Die endgültige Friedensbotschaft übermittelte der Stadtobrigkeit zu Steyr der Ratsfreund und Obervorge- her der Innerberger Hauptgewerkschaft, Gott lieb Schröffl. In einem Schreiben berichtete er am 2. Juli 1650 aus Linz, "daß Gottlob der langerwünschte Frieden zu Nürn- berg dermalen wirklichen geschlossen und unterschrie- ben sei". Daraufhin veranstaltete der Magistrat ein kost- spieliges "Friedensfest", bei dem die "Friedensmahl- zeit" allein auf 570 Gulden zu stehen kam. Die Stadt glich in den ersten Jahren nach dem großen Kriege noch einem gewaltigen Heerlager. Truppenein- heiten kamen und gingen. 1648 beherbergte Steyr im Frühjahr 128 Tappische Reiter, im August 25 Buchhei- mische Offiziere mit einem Gefolge von 300 Knech- ten, Weibern und Jungen, im Oktober das Pallavicini- sche Regiment. Sehr schwer wurde die Stadt getroffen durch die Einquarrierung eines dem General Johann de Werth unterstehenden Reiterregiments vom Jänner 1649 bis September 1650. Die Quartier- und Verpflegungskosten betrugen für diese Einheit über 100. 000 Gulden. Um die- se Auslagen bestreiten zu können, mußten die Stadtvä- ter gegen hohe Zinsen ein Darlehen von 34. 000 Gulden aufnehmen. Überdies wurde die Stadt von durchziehen- den Truppen belästigt und hatte zur Remontierung der im Lande liegenden Reiterregimenter Pferde und Aus- rüstungsstücke abzugeben. Ungemein hart war das Schicksal jener Stadtbe- wohner, die nun schon Jahr für Jahr in ihren Häusern den Soldaten Unterkunft und Verpflegung beistellen mußten. Die Lage wurde verschärft durch die Disziplinlosigkeit der Soldaten, die nicht nur Wohnungen und Weinkeller plünderten, sondern die Bürger auch mit Degen und Pi- stole bedrohten. Ein Hochgericht auf dem Stadtplatz warnte die Söldner vor gröberen Ausschreitungen. Waren die Finanzen der arg verschuldeten Stadt durch die kriegsbedingten Auslagen schon völlig zer- rüttet, so hatte Steyr obendrein die Landesabgaben für e i ngestürzte und leerstehende Häuser zu entrichten. Der seit der Gegenreformation durch die Abwan- derung protestantischer Bürger anhaltende Häuserver- fall ist typisch für die Städte und Märkte im Lande ob der Enns. Steyr, das etwa 765 bürgerliche Feuerstätten im Burgfried zählte, stand um 1640 mit 228 öden Häu- sern an der Spitze. Im Jahre 1652 war die Situation we- sentlich schlechter. 70 Häuser waren eingestürzt, 141 ohne Eigentümer und 191 in den Händen "ganz erarm- ter" !3esitzer, die "einigen Kreuzer an obrigkeitlichen Gefällen und Landesanlagen" nicht geben konnten. Zu Beginn des Jahres 1652 erwartete der Magistrat täglich die Exekution durch die oberen Stände, da an Land~sabgaben aus dem Vorjahr noch ein Rest von 18. 000 Gulden ausständig war. Von den Besitzern der noch "in aufrechtem Stand" befindlichen Häusern konn- te nicht der vierte Teil der Landschaftsgefälle einge- bracht werden. Die Stadt konnte aus eigenen Kräften die Geldmittel nicht aufbringen. Als einziger Ausweg blieb nur der Bittgang zum Kaiser. Schon in der ersten Audienz zu Wien im Mai 1652 erklärte sich Kaiser Ferdinand III. , der Bürgermeister Gottlieb Schröffl und seine Begleiter "zwar mit etwas absonderlich erzeugter Freundlichkeit angehört", bereit, alle Landesanlagen für 228 öde Häuser mit Beginn des Jahres 1653 auf fünf Jah- re zu übernehmen. Bei einer weiteren Vorsprache, die im Herbst des gleichen Jahres in Prag stattfand, wurde auch die Rückzahlung der für 1649 von den genannten Häusern entrichteten Abgaben erreicht. Die ersten Nachkriegsjahre wären vielleicht für Steyr etwas günstiger verlaufen, wenn ein umsichtiger Bürgermeister die Geschicke der Stadt geleitet hätte. Der Gewerke Johann Egger von Marbach, der seit 1646 das Bürgermeisteramt versah, beschäftigte sich haupt- sächlich mit seinen Besitzungen, sodaß ihm zur Aus- übung seines Amtes wenig Zeit verblieb. Im Rate ließ er sich durch "angesetzte" Bürgermeister vertreten, sei- ne "Amtsverrichtungen" überließ er dem Stadtschreiber Hans Leonhard Vogt von Vogtberg. So wurde Egger, der in den mißlichen Zeitläuften seinen Besitz zur Gänze verlor, der Vorwurf gemacht, daß er "aUes so zu guter Wirtschaft und notwendiger Versorgung des allgemeinen Wesens verabsäumt" hätte. Im Juli 1651 wurde als sein Nachfolger Gottlieb Schröffl von Mannsperg bestätigt. Kaum zu glauben ist es, daß in diesen harten Jah- ren, in denen Handel und Handwerk darniederliegen, die neue Kulturform des Barocks so kräftig Wurzel fas- sen konnte. Das "barocke Lebensgefühl" trat in Steyr schon in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts durch be- deutende Kirchenbauten markant in Erscheinung. Im Herbst 1635 legten die Jesuiten, die dre-i Jahre früher in Steyr ein Gymnasium eröffnet hatten, den Grundstein zur St.-Michaels-Kirche in Steyrdorf. Geld- mangel verzögerte zeitweise die Bauarbeiten, sodaß erst 39

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