Amtsblatt der Stadt Steyr 1966/9

12 Amfsblat# der Sfadf Steyr · 1966 Volkshochschule der Stadt Steyr FAHRTEN UND FÜHRUNGEN IM SEPTEM$ER 1966 DIENSTAG, 13. SEPTEMBER 1966 Studienfahrt WIENER NEUSTADT DIENSTAG, Besuch der Ausstellung "Friedrich III," und Stadtführung Leitung: Erich Mühlbauer Fahrpreis (einschl. Führungen): S 115, -- 20. SEPTEMBER 1966 Führung GESELLSCHAFT FÜR FERTI- GUNGSTECHNIK UND MASCHINENBAU - GFM Regie beitrag: S 3,-- DIENSTAG, 27. SEPTEMBER 1966 Studienfahrt "DAS OBERE MÜHLVIERTEL" Programm: Leonfelden - Haslach - Aigen Schlägel Leitung: Erich Mühlbauer Fahrpreis (einschl. Führungen): S 60, -- ANMELDUNGEN: Rathaus, 2. Stock vorne, Zimmer212 Tel. 2381/431 Jf. Jf. SEVERIN KRIEGSAUER Ahlschmied und Meistersinger zu Steyr 1 m Laufe des 15. Jahrhunderts wurde der von den Rittern gepflegte Minnesang vom Meistergesang abgelöst. Poesieliebende Handwerker m süddeutschen und österreichischen Städten widmeten sich neben ihrem Berufe der Dichtkunst, die, wie sie glaubten, erlernt werden könne. Den Inhalt ihrer Gesänge bil- deten hauptsächlich biblische Ereignisse, aber auch weltliche Begebenheiten wurden besungen. An der Spitze jener Städte Österreichs, in deren Burgfried die "holdselige Kunst" des Meistergesanges geübt wurde, steht die Eisenstadt Steyr. Schon im Jahre 1542 dichtete hier der Nürnberger Jeronimus Rieger das Meisterlied "Klag über alle Welt." Zwanzig Jahre später nennt uns Lorenz Wessel, ein Kürschner aus Essen, in einem Liede die zwölf Begründer des Meistergesanges in unserer Stadt. Es waren durchwegs biedere Handwerksmeister, größtenteils Messerer. Von den 34 Meistersingern, . die sich in Steyr entweder dauernd oder nur vorübergehend aufhielten, sei besonders erwähnt der Ahlschmied SeverinusKriegs- auer (Kriegs Auer, Griechsawer, sepherin von steur). Er war nicht nur der berühmteste Meistersinger Steyrs, sondern ganz Österreichs. Laut "Abschied" der Herr- schaft Gleiß zog er im Mai 1560 nach Steyr. Wie der Pfleger dieser Herrschaft Bernhard von Vorbach zu Marbach bestätigte, war der Ahlschmied durch etliche Jahre ein ehrbarer behauster Untertane "auf der Zel" • Mit "gutem Vorwissen und Verwilligung" des Pflegers nahm er Abschied von seiner Grundherrschaft, Kriegs- auer, der demnach aus Zell bei Waidhofen an der Ybbs kam, erwarb in Steyr eine Liegenschaft, wahr- scheinlich im Raume der Bad- oder Fabrikstraße am Wehrgraben, da 157 0 in den Ratsprotokollen von seiner Werkstätte ("Geflüderwerk") unter dem Schaurstein, so hieß einst dieses Stadtviertel, die Rede ist, Als Meistersinger wurde Kriegsauer berühmt durch seine fünfzehn neuen Töne oder Weisen, Es waren dies einfache choralartige Melodien, bei denen Versmaß und Reime eine Rolle spielten. Diesen Weisen gaben die Meister häufig wunderliche Bezeichnungen. So trugen auch die Töne Kriegsauersseltsame Namen:: Neujahrsweis, Fronweis, Gellerton, Nachtweis, Mor- 136 genweis, Postweis, Paurnweis, Klagweis, der kurze Ton, Alterweis, Gsellweis, Scheidton, kurze Affen- weis, Endton, Grundweis. Kriegsaue·rs Töne erfreuten sich grdßer Beliebt- heit. In seinen Weisen dichteten Meistersinger von Nürnberg, Augsburg, Iglau, Görlitz und Wels. Lieder des Ahlschmiedes sind in den Handschriften nicht zahl- reich vertreten. Im Jahre 1568 besang er in der Mor- genweis den Nürnberger Meister Hans Sachs, den er vermutlich persönlich kannte, 1571 verfaßte er ein "Lied wider die Spötter", 1573 das Gedicht "Vom Ursprung des Gesanges im Alten Testament". Über- liefert sind ferner eine "Schulkunst" im Gellerton, eine "Neujahrswünschung" und Gesänge aus den Jahren 1572 und 157 8. Zu Kriegsauers Freunden zählte auch der bekannte Meistersinger Georg Hager, "Schuster und Bürger im Schustergäßl" zu Nürnberg, bei dem der Steyrer Meistersinger Matthäus Schneider 1562 gearbeitet hatte. In den ·städtischen Archivalien aus späterer Zeit findet sich mehrmals der Name Kriegsauer. Zweifels- ohne gehörten diese Personen zur Verwandtschaft des Meistersingers. Zu Anfang des 17. Jahrhunderts, bis zum Einsetzen der politischen Gegenreformation im Jahre 1624, zählten zu den führenden Meistersingern unserer Stadt der Nad ler Peter Heiberger · und der Bortenschlager Nikolaus Lind- wurm, der das Haus Pfarrgasse Nr. 7 bewohnte. Diese .Zeit war besonders reich an feierlichen Singveranstal- tungen oder "Singschulen". Fünfunddreißigmal trafen sich in diesen Jahren die dichtenden Handwerker im Saale des Rathauses zur öffentlichen Darbietung ihrer Gesänge. Das letzte Steyrer Meisterlied erklang in der von Hans Ratmaier Zll Weihnachten 1624 geleiteten Sing- schule. Dr. Josef Ofner (Stadtarchiv: Bürgerabschiede, Ratsprotokolle, J. W. Nagl, J. Zeidler, E. Castle, Deutsch -Österreichische Literaturgeschichte, 1898, Band 1)

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