Amtsblatt der Stadt Steyr 1966/4

Amtsblatt der Stadt Steyr 1 / März 1966 DER POLYTECHNISCHE LEHRGANG A ufGrund des Schulgesetzwerkes 1962 tritt mit Beginn des Schuljahres 1966/67 die neunjährige Schulpflicht in Kraft. Zur Erfüllung des 9. Pflichtschuljahres bestehen folgen- de Möglichkeiten: 1. Der Besuch des Polytechnischen Lehrganges oder 2. der Besuch einer weiterführenden Schule. Was 1st der Polytechnische Lehrgang? Der Polytechnische Lehrgang ist eine neue Schulform. Fr umfaßt nur ein Schuljahr und ist ein Übergangsjahr von der Schule zur Arbeitswelt, ein Jahr der Lebenshilfe vor dem Ein- tritt in den praktischen Beruf. Der Polytechnische Lehrgang hat die Aufgabe, im 9. Schuljahr der allgemeinen Schulpflicht jenen Schülern, die weder eine mittlere oder höhere Schule besuchen, die all- gemeine Grundbildung im Hinblick auf das praktische Leben und die künftige Berufswelt zu festigen und bei Mädchc 11 ins- besonders auch die hauswirtschaftliche Ausbildung zu fordern. Schüler, deren Berufsentscheidung noch nicht festgelegt 1st, sollen durch eine entsprechende Berufsorientierung auf die Berufsentscheidung vorbereitet werden. Pflichtgegenstände im Polytechnischen Lehrgang sind: für die Persönlichkeitsbildung: Religion, Lebenskunde, Leibeserziehung; für die Festigung der allgemeinen Grundbildung: Deutsch, Mathematik, Sozial- und Wirtschaftskunde (einschließlich Zeitgeschichte), Naturkundliche Grund- lagen der modernen Wirtschaft, Technisches Zeichnen, Gesundheitslehre; für Mädchen auch Hauswirtschaft und Ki ndcrpfJegc; für die ßcrufsorientierung: Berufskunde, Praktische Berufsorientierung, Knaben- handarbeit, Mädchenhandarbeit. Im Polytechnischen Lehrgang können auch Freigegen- stände besucht werden, z. B. Kurzschrift, Maschinschreiben, Englisch. Das Stundenausmaß für den Polytechnischen Lehrgang wird voraussichtlich 30 Wochenstunden betragen. Als didaktische Grundsätze für den Polytechnischen Lehr- gang gelten: 1. Gemeinschaftserziehung, 2. Rücksicht auf die Eigenart, den Leistungsstand und die Entwicklungsstufe der Schüler, 3. Zeit- und Lebensnähe des Unterrichtes; ßerufsbe- zogenheit der Bildung, 4. Selbsttätigkeit der Schüler, 5. Sicherung des Unterrichtsertrages und 6. Konzentration der Rildung. Der Polytechnische Lehrgang hat die Aufgabe, in der Entwicklung der Anlagen der Jugend nach den sittlichen, re- ligiösen und sozialen Werten sowie nach den Wuten des Wah - ren, Guten und Schönen durch einen ihrer Entwicklungsstufe und ihrem Bildungsweg entsprechenden Unterricht mitzuwir- ken. Er hat die Jugend mit dem für das Leben und den zu- künftigen Beruf erforderlichen Wissen und Können auszustat- ten und zum selbständigen Bildungserwerb zu erziehen. Die jungen Menschen sollen zu gesunden, arbeitstüch- tigen, pflichttreuen und verantwortungsbewußten Gliedern der Gesellschaft und Bürgern der demokratischen und bundes- staatlichen Republik Österreich herangebildet werden. Sie sollen zu selbständigem Urteil und sozialem Verständnis ge- führt, dem politischen und weltanschaulichen Denken ande- rer aufgeschlossen sowie befähigt werden, am Wirtschafts- und Kulturleben Österreichs, Europas und der Welt Anteil nehmen und in Freiheits- und Friedensliebe an den gemein- samen Aufgaben der Menschheit mitwirken. BILDUNGS- UND LEHRAUFGABEN EINZELNER UNTERRICHTS- GEGENSTÄNDE: Lebenskunde: (mit Hinweisen zu einer sinnvoll gestalteten Freizeit) Altersgemäßer Einblick in die Vielfalt der Beziehungen, durch die das persönliche Leben des Jugendlichen bestimmt wird. Verständnis für die Verhaltensregeln und Ordnungen, die das Zusammenleben der Menschen fördern und sichern. Mit- wirkung beim Gewinnen rechter Leitbilder und Grundsätze für das persönliche Leben. Praktische Anwendung der gewonnenen Einsichten imGemeinschaftsleben und in der Arbeit der Klasse. Deutsch Festigung und Vertiefung der Grundbildung im Sinne des einfachen, klaren und fehlerfreien Gebrauches der Sprache in Wort und Schrift, ausgerichtet auf die Erfordernisse des prak- tischen Lebens und der künftigen Berufsbildung. Anleitung zu richtigem Lesen als Mittel zu sachlicher Information und als Quelle seelischer Bereicherung. Mathematik Sichere Beherrschung des für das praktische Leben not- wendigen angewandten mündlichen und schriftlichen Rechnens als Grundlage für das spätere Fachrechnen im Beruf und für das praktische Rechnen im Haushalt. Alle gekünstelten, lebens - unwahren und nur theoretischen Aufgaben sind zu vermeiden. Sozialkunde und Wirtschaftskunde (einschließlich der Zeitgeschichte) Einführung in die gesellschaftlichen, politischen, kul- turellen und wirtschaftlichen Verhältnisse Österreichs, Euro- pas und der Welt auf der Grundlage der Ereignisse und Wand- lungen vom Ende des ersten Weltkrieges bis zur Gegenwart. Orientierung über diese Verhältnisse in ihren Hauptzü- gen und Problemen; Weckung des Willens, sich zu informie- ren und objektiv zu urteilen; Entwicklung des Verständnisses für die Abhängigkeit jedes Staatsbürgers von Gesellschaft, Po- litik, Wirtschaft, Kultur und für die zusammenhänge dieser Lebensgebiete; Erziehung zur Verständigkei.tsbereitschaft, zur Demokratie und zum Frieden. Naturkundliche Grundlagen der modernen Wirtschaft Vertiefung und Erweiterung des Verständnisses für die physikalischen, chemischen und biologischen Vorgänge, mit denen die Schüler im täglichen Leben in Berührung kommen. Festigung des einschlägigen Grundwissens durch exem- plarische Betrachtungsweisen, bestimmt durch die verschiede- nen Umwelt- und Unterrichtssituationen. Einblick in die Nutzung dieser Erkenntnisse im Haushalt, im Gewerbe, in der Industrie, in der Landwirtschaft und in den Dienstleistungen, wobei sinnvolle Wechselbeziehungen mit anderen Unterrichtsgegenständen, besonders mit der Be- rufskunde, anzustreben sind. Schulung des technischen Denkens an Hand leicht über- schaubarer Sachverhalte.

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