Amtsblatt der Stadt Steyr 1965/7

6 AMTSBLATT DER STADT STEYR 1965 Wenneinmal Treber ,.. t . d • -- Steyr • ....,_. Stadtplätz 16 ann1mmer re er '- li Sünden erblickten. In der gleichen Sitzung des 16. August 1713 beschloß man, in den Akten des städti- schen Archives nach Abwehrmaßnahmen gegen die Pest in früheren Zeiten zu forschen, um daraus nütz- li hc Schlüsse ziehen zu können. Als wci tcre Maßnahme wurde mit sofortiger Wir- kung Vl'rrilgt, alle Gaststätten um 10 Uhr abends zu schließen und die Wirte hauen dafür zu sorgen, daß das "verderbliche" I<artenspi<.:len und andere Laster, "sonderlic h aber daß gou so groß beJcidigcnd schel - tcn vnd Flue hcn (FJuclicu) gl'nzJjcli ·n v ·rmicdcn " bleibe. Kein Bewolincr der Swdt durfte ein ·n Frem- den, se lbst wenn es der nlichsLc: Freund oder Verwand - te wäre, in seiner Behausung aufnehmen, ohne vorl1 ·r dem Magistrat Meldung gemach t zu haben. Alle llin- tertüren der Häuser in Steyrdorf und Ennsdorf waren zu versperren und "wohl vermachter" gehalten zu werden, damit bei einer Kontrolle etwaige Fremde nicht ent- weichen könnten. Der Genuß von Schweinefleisch und Bratwürsten wurde verboten, ebenso das Anbieten und der Verkauf unreifen und "anderen schädlichen" Obstes. Vor allem, so betonten die Räte in der Sitzung, wäre in den Häusern und auf den Straßen größte Reinlichkeit zu beobachten. Aller Unrat sollte in das nächstgelegene Wasser geworfen werden. Wurden in der Stadt Schweine gehalten, mußten sie mit "sauberer Verpflegung" ge- iüttet.t werden und <;lurften nicht ins Freie. Jedem Viertelmeister wurde ein Auszug zuge - stellt, um die Anordnungen den Bewohnern ihrer Vier- tel bekanntmachen zu können. Von den Behörden wurde als Schutz vor Anstek- kung eine besondere Pestdiät empfohlen. Zum Früh- stück sollte eine saure Suppe oder eine "Dotter- und Einbrennsuppe" gegessen und nachher ein Glas Wein getrunken werden, "worinnen über Nacht einer Mitt- leren Arbes (Erbse) groß Campher (Kampfer) gele- gen, oder von Cronabeth-Salsen (Wacholder), einen halben Leffel voll nehmen. Gar arme Leuth könnten einen oder zwei Messerspitz voll gestoßenen gemeinen Schwefel o·der Schwefelblühe Brod oder etlich frische oder in Essig gebeizte Cronabethbeer ouer etlid1e Rau- tenblättl oder ein Lorbeer oder ein Knoblauchzehel es- sen oder vier Tropfen Cronabethöhl auf einen Leffel Suppen oder Bissen Brod oder einer halben Arbes groß Campher nehmen. Man kann auch Schwämmlein mit beistehendem Gifft-Essig genetzt oder in Cronabeth- oder Agtsteinöhl befeuchtet in die Knöpfeln tragen und öffter dazu riechen, auch mit dem gemeldeten Essig oder Öhl die Pulsadern an Händen und Schläffen schmieren, benebens kann gar nützlich das Johannesöhl, gemeine Scorpionöhl täglich hinter die Ohren und unter die Ach- seln angestrichen werden. " Am 26. August wurde der Magistrat verständigt, daß die Steiermark ihre Grenzen gegen Unter- und Ober- österreich gesperrt hatte. Um 5 Uhr morgens des fol- genden Tages überbrachte ein Bote des Landgerichtes einen schriftlichen Befehl Kaiser Karl VI., der die Wei- 110 oer Beweis=unsere Kunden sung enthielt, die Grenzen der Stadt gegen Unteröster- reich zu sperren und niemanden das Stadtgebiet betreten zu lassen, der sich nicht mit einem vom Kaiser persön- lich unterzeichneten Passe ausweisen konnte und sich überdies in Haag oder Aschach einer Quarantäne unter- zogen hatte. An den Straßen, die vom Ennsdorf nach Unterösterreich führten, wurden die schon vorhal).denen "Infektionswachen" verstärkt, und angeordnet, daß jeden Tag ein anderes Mitglied des Äußeren Rates an der Wacht teilnehmen sollte, damit es "souill genauer Zuegehe. " Für den diensthabenden Ratsherren wurde eine Hütte er- baut und vor den einzelnen Wachtpunkten Schandsäulen aufgeri hLet, um die Fremden abzuschrecken, das Stadt- gebie t zu betreten. DAS MESSERERKREUZ AM WIESERFELDPLATZ Die Sperre hatte zur Folge, daß der Wochenmarkt nicht mehr mit Getreide und anderen Lebensmitteln aus den niederösterreichischen Nachbarorten beliefert wurde und der Rat befürchtete, daß sich in Steyr eine "grosse Noch eussem wurde." Den Siemingem und Neuhofnern war es noch erlaubt, den Wochenmarkt zu beliefern. Um den Armen in dieser Bedrängnis zu helfen, hatte Stadtrichter Johann Jacob Schoiber durch Samm- lungen in der Stadt 64 Gulden 7 Kreuzer Bargeld und 240 große und kleine Laibe Brot zusammengebracht. Da jedoch bei der Verteilung 500 Bedürftige, Erwach-

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