Amtsblatt der Stadt Steyr 1961/12

VIII AMTSBLATT DER STADT STEYR 1211961 ZUR GESCHICHTE DES STEYRER KRIPPERLS U nser beliebtes "Kripperl", das in nächster Zeit wieder seine Pforten öffnet, hat eine wechselvol- le Geschichte. Seine Wurzeln reichen nach Univ. Prof. Dr. Viktor v. Geramb zweifellos zurück auf die M<l,rionetten-Krippenspiele des 14. Jahrhunderts. In Steyr sind Marionettenspieler erst in der zwei- ten Hälfte des 18. Jahrhunderts nachweisbar. Im Jahre 1768 erhielt der Spieler Gallus Pöckl, der sich seit 1759 meist nur zu den Jahrmarktzeiten in der Eisenstadt eingefunden hatte, vom Magistrat die Bewilligung zum Bau einer eigenen Spielhütte. Ob Pöckl auch über ein Krippenspiel verfügte und zu unserem Krippenspiel in ßL,zichung stand, ist nicht bekannt. Ein Zusammen - lia11g aber wäre nicht ausgeschlossen. · llie ä !testen Figuren de~ Weihnachts-Puppenspiels Wl:1sc11 barocke Züge auf. Sie stammen demnach aus dL:111 18. Jalirh1111dl:rt odi.:r aus einer früheren Zeit. Daß t.:s slC'h 111 1111scre111 Falle 1a1s<1,· lil1, h 11111 c.:in "uralte$" l'11ppt·11sp1,:l ha11delt, ilt'wllst •i11 1111 Stadtarchiv ver- wahrt,s St'hr1ftsti1cl< aus ,il:111 JalirL' rn2:1, auf das midi l ll'rr /1111tsrat i\d;tlbt:rl Koller schon vor längerer Zeit ;uil11wrl,s;1n1 ge111ad1t llattL'. A111 :w. Scptc111bcr des g ·11a1111ti.:11 J,1l1rt.:s richtt:ll' dcr 1111 So1111e11wirtshaus (S1ernillgl'r Straße Nr. 7) bei Gricßrnayr wohnhafte Messcrergesi.:I iL' L c o p o I d Schoppe r an den Magistrat "gehorsamst" die ßittt.:, die neunundzwanzigjährige Bortenmacherin, Näherin und Wäscherin Mari"a Anna Scl1öllenbergcr h eiraterI zu dürfen. In diesem Verehelichungsgesuch berichtet Schepper, daß er neben seiner handwerklichen Beschäftigung als Messerergeselle nun auch das vom Bürgerspitals-Obmann Johann M a y r erstaridene Krip- penspiel vorführen könne, was für ihn eine gute Er- werbsmöglichkeit bedeute. Schepper schreibt: "Der Unterzeichnete hat vor einiger Zeit von dem Johann Mayr, Obmann des Bürgerspitals in Steyr, das allhier gewöhnliche Krippenspiel erkauft und selbes jetzt durch eigenen Fleiß und Mühe so verbessert, daß er dasselbe, ohne sich zu rühmen, zum Vergnügen und Erbauurig des Publikums ausstellen kann, zu jedermanns Zufriedenheit, indeme e_r solches auf neunzig verschie- dene Vorstellungen gebracht hat und die mechanische Beweglichkeit der Figuren so verbessert hat, daß sie der Natur so ziemlich ähnlich sind. Er hat sich, dieses hier ur a 1 t e, gewöhn lt - ehe und bei dem Publikum beliebte Krip- pen spie 1 zu zeigen, bei dem Sonnenwirtshaus in Steyrdorf, einen Saal und Wohnung genommen, und hoffet von diesem Spiele einen sir.heren und guten Er- werb. Nebst diesem ist selber ein erlernter Messererge- sell und er arbeitet auch diese Profession, wodurch er sich außer der Zeit des Krippenspieles sein Brot verdie - nen kann". Schoppers Ansuchen wurde vom Magistrat mit Be - scheid vom 1. Oktober 1823 abgewiesen. Die Ableh- nung wurde u. a. damit begründet, daß "das Halten eines Kripperlspieles kerne gesetzliche erlaubte Be- schäftigung" sei und daher von einem Gewerbe nicht die Rede sein könne. Aus dem Gesuche Schoppers ersehen wir, daß er sich um die Vergrößerung des "Kripperls" redlich be- müht hat. Nach Prof. G. Goldbacher stammen ja die zusätzlichen Figuren von einer zweiten Krippenbühne in Steyr um.' einer solchen in Sierning. Wie Frau Lau r a Er 1 ach er in der Steyrer Zeitung vom 24. Dezember 1953 mitteilt, erweiterten in der Zeit von 1855 bis 1860 er enfalls Messerer, und zwar Sage der und Johann Steffi n den Puppenbestand. • In der Folgezeit wechselte das "Kripperl" mehr - ma ls seinen Standort. Es befand sich vor seiner Aufstel- lung im lnnerbergerstadel (Heimathaus) längere Zeit im Gastl1aus "Zur GoldenerI Sense" in der Sierninger Stralk und vorübergehend im Gasthof Leitzinger in l·11mdorl. Im Jahre 1914 erwarb es der Verein "Heimat- st '111tz", der weder Miih<.:> noch Kosten scheute, um das l'11p1w11spie 1, das durch den häufigen Standortwechsel arg hl'scliädtgt war, wieder vorlühren zu können. Hof- rat Dr. 11" n s C o m 111 end a , Prof. Ci. G o I d b ach er uud /v1cdizinalrat Dr. fl.. K l 1111 z i r g c r ist es zu dan - 1:(;n, !.tß in der Zeit des ersten Weltkrieges dieses in Österreich einmalige Wc.ll111atl1tssp1L!l nicht in Verfall geriet. Daß es aber bis heute lebendig blieb und nicht zu einem musealen Schauslüch herabsank, ist das Ver- dienst der ehemaligen, fast durch ein halbes Jahrhun- dert tätigen Spieler Ferdinand Schmidinger und· Josefa Mohr und des Vereines "Heimatpflege", auf dessen Betreiben Figuren und Bühne in den letzten Jahren umfassend erneuert und dem Spielerensemble neue Kräfte zugeführt wurden. Und so wird in Kürze auch heuer wieder das rot- weiße Fähnchen über dem Eingang zum Besuch der das Weihnachtsgeschehen und das alte Steyrer Brauchtum zeigenden Vorstellungen einladen, und wieder wird, wie schon in längst vergangerien Zeiten, der mit Horn und Hellebarde ausgerüstete Nachtwächter auf der Büh- ne erscheinen und sein uraltes Lied anstimmen: "Meirie Herren w1d Damen, Jaßt euch sag'n, der Hammer, der hat zwölfe g'schlagn. Gebt's fein acht auf Feuer und Licht, daß heut' Nacht keine Unglück g'schiacht I Hat zwölfe g'schlagn ! Dr. Josef Ofner feierliche Eröffnung der neuen Ennsbrücke durch den Bundespräsidenten D ie große Bedeutung, die die neue Ennsbrücke in Steyr nicht nur für die wirtschaftliche Entwicklung unserer Stadt, sondern auch für die gesamte Umge- bung hat, kommt am besle.!11 dadurch zum Ausdruci<, daß sich dl.!r llerr Bundespräsident Dr. Adolf Schärf bereit erklän hat, persönlich das Brückenbauwerk am Samstag, 9. Dezember 1961, dem Verkehr zu übergeben. In sei- ner Begleitung werden sich Herr Landeshauptmann Dr. Hernrich Gleißner . und die o. ö. Landesregierung be- finden. Bürgermeister Fellinger wird den Bundespräsiden- ten um 11 Uhr vor dem Rathaus empfangen; in einer anschließenden Festsitzung des Gemeinderates erhält so- dann Bundespräsident Schärf die Ehrenbürgerschaft vorI Steyr. Die feierliche Eröffnung der Brücke firidet um 11, 30 Uhr statt; der Festakt wird sich am linken Brük- i<enkopf ( Kreuzung Schlüsselhofgasse - Rennbahn) ab- wickeln. Se.Jbstverständ lieh ist die Bevölkerung zu die- ser Feier herzlich eingeladen. überdies ersucht die Stadtverwaltung die Hausbesitzer, die Häuser am Sams- tag, 9. Dezember 1961,zu beflaggen, damit auch äußer- lich im Stadtteil die Bedeutung der Fertigstellung dieses größten Bauwerkes der Stadt seit 1945 zum Ausdruck kommt.

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