Amtsblatt der Stadt Steyr 1961/9

1961 AMTSBLATT DER STADT STEYR 9 Das dritte Tor (9) in der rechten un- teren Bildecke steht mit der niederen Mauer ( lo) in Verbindung. Es kann demnach wohl nicht als "Steyrtor" gedeutet werden, sondern als das untere Tor der Burgauffahrt. Der im Raume der Ölberggasse gele- gene, eine Baumgruppe tragende Felsvor- sprung (11) gehörte im Mittelalternoch zum Bereich der Burg. Als er später in den Besitz der Stadt gelangte, w:.ude er abge- tragen, das Gestein jedenfalls zum Ausbau der Wehranlagen verwendet und der gewon- nene Raum für Wohnbauten ausgenützt. Während im Stadt 1 nnem die wichtig- sten Häuserreihen, nur durch einige Giebel angedeutet, erkennbar sind, erscheint . füe drei Türme verbindende Mauer (12) gegen die Enns zu topographisch etwas fragwür- dig. Nach Preuenhueber stand am Flusse •ein hültzerner vom Wasser zerrissener Schlag". Es ist jedoch kaum denkbar, daß unsere Stadt im Spätmittelalter, wenig- stens an einigen Stellen, ennsseitig nicht durch eine Ringmauer geschützt gewesen wäre. Der von Preuenhueber erwähnte "Schlag" ersetzte wahrscheinlich die äu- ßere, um 1480 erbaute Stadtmauer am Flußufer. Heute ist es natürlich sehr schwer, bestimmte Einzelheiten des Holzschnittes, der mit einer modernen Ansicht (Abb. 3) hinsichtlich der Lage von Pfarrkirche und Schloßberg eine verblüffende Ähnlichkeit aufweist, richtig zu deuten. Gerade im letzten Viertel des 15. Jahrhunderts wur- den die Befestigungsanlagen der Burg und der Stadt gewaltig verändert. So ließ der damalige Inhaber der Burgherrschaft Erz- bischof Johann Beckenschlager die Wehr- bauten der Burg 1476 verstärken. Die Stadt Steyr mußte auf Befehl des Kaisers ab 1478 ihre Ringmauern, Türme und Tore weitgehend ausbauen und umgestalten (V. Preuenhueber, a. a. 0., S. 131 f.). Abschließend muß bemerkt werden, daß im Mit- telalter auf die topographische Genauigkeit der Ortsan - sichten geringer Wert gelegt wurde. Noch Merians Kup- ferstiche, die dem 17.Jahrhundert angehören, sind häu- fig topographisch nicht einwandfrei. Was M. Schefold (Alte Ansichten aus Württemberg, Band I. 1956, S. 18 f.) über die ebenfalls in Schedels Chronik aufgenomme- ne Ansicht von Ulm sagt, kann auch für unseren Holz- schnitt gelten: "Es ist mehr eine Komposition, eine Zu- sammenstellung von einzelnen Beobachtungen von typi- schem unpersönlichem Gepräge, ein aphoristisches Zu - sammendrängen, der als wesentlich erkannten Glieder einer Stadt, der wichtigsten Merkmale wie Kirchen, Besuchen auch Sie das teyrer Abb. 3 AUS DEM BILDPROSPEKT 11 STEYR OBERÖSTERREICH" öffentliche Gebäude, Türme und Stadtmauern. Das Konglomerat von Giebeln und Dächern tritt demgegen- über zurück, aufs Notwendigste gekürzt und beschränkt. Also nicht auf ein getreues Abbild der Stadt, von einem . bestimmten Blickpunkt aus , kommt es an , sondern auf die Sichtbarmachung der ausschlaggebenden Merkmale ohne Rücksicht auf Maße und Größenverhältnisse, auf Kosten des weniger Wichtigen". Es ist anzunehmen, daß die oben angeführten Ar- gumente zur Identifizierung der Vedute auf Steyr aus- reichen dürften. Sollten aber weitere Forschungen die- sen Holzschnitt einer anderen Stadt einwandfrei zuwei- sen können, so mag dennoch dieser Hinweis nicht ganz unberechtigt gewesen sein. Dr. Josef Ofner 141

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