Amtsblatt der Stadt Steyr 1959/1

1959 AMTSBLATT DER STADT STEYR 9 Die Brücken Steyr • In EIN JAHRHUNDERTE ALTES PROBLEM S chon mehrere Jahrhunderte beschäftigt die Ge- meindeväter unserer Stadt das Brilckenproblem. Das städtische Archiv ist voll von Beschlilssen über Wiederinstandsetzungen, Neubauten und Reparatu- ren. Die Gemeindevertretung der 90iger Jahre glaubte, sich dieser Sorge damit entledigen zu können, daß sie anstelle der damaligen hölzernen Übergänge die Steyr-, Enns- und Neutorbrücke in Stahlbauweise errichten ließ. Die zur Verwendung gelangtenStahlkonstruktionen waren aber bereits damals nicht neu. In den nun folgenden Jahrzehnten wurden die Brilcken laufend instandgehalten. Zu größeren Ausbes- serungen kam es lediglich bei der Neutorbr!icke. Auch nach 1945 wurde der Bauzustand der ver- schiedenen Brücken - Steyr besitzt insgesamt 46 - , be- sonders aber der fünf Stahlbrücken, laufend Uberprüft. Die bei diesen Brilckenrevisionen festgestellten Rost- stellen wurden beseitigt und die befallenen Konstruk- tionsteile durch Anstrich geschützt. Die Witterungsein- flUsse gi_ngen jedoch so weit, daß sogar unter der Farb- schicht Plattenroste auftraten, die die einzelnen Träger empfindlich schwächten. Es wurde versucht, durch ei- ne gänzliche Erneuerung des Brückenanstriches, dessen Kosten über eine halbe Million Schilling betrugen, die- sen Verfallserscheinungen entgegenzutreten. Auch die Instandhaltung der Brückenfahrbahn geschah mit beson- derer Sorgfalt, um ein Durchdringen des Regenwassers von oben her auf die BrUckenträger zu verhindern. 1954 erfolgte überdies eine generelle Überholung mii der Auswechslung verschiedener Konstruktionsteile. Leider zeigte sich, daß diese sehr kostspieligen Maß- nahmen nur von begrenzter Wirksamkeit waren. SCHRIFTLICHE GUTACHTEN VERNICHTEND! Die Revision im Herbst 1958 ergab, daß neue Roststellen und Deformierungen im Material entstanden sind, die die Tragkraft der Bril.cken herabsetzen. Die mündlichen Äußerungen der Fachleute wurden nur zu- rUckhaltend und mit großen Vorbehalten abgegeben, so- daß sich die Stadtverwaltung gezwungen sah, ein schriftliches Gutachten einzuholen. Dieses ließ aller- dings keinen Zweifel mehr über den tatsächlichen Zu- stand der Brllcken offen, sodaß es unverantwortlich ge- wesen wäre, den Verkehr im bisherigen Umfang auf- recht zu erhalten. Bei der Steyrbrilcke wurde festgestellt, daß bei einigen Vertikalen infolge Rostschäden nur mehr 30 % der ursprünglichenQuerschnittflächen zur Kräfteaufnah- me zur Verfügung st.ehen und daß zur Erzielung einer Tragkraft von 14 t 30 "/o der Vef1;ikalen und 40 "/oder Diagonalen ausgewechselt werden mllssen. Der Repara- turumfang bei der Ennsbrllcke ist noch bedeutend größer; denn um diese Belastungsmöglichkeit gewährleisten zu können, müssen alle Vertikalen und alle Diagonalen bis auf eine erneuert werden. Für beide Brücken im der- zeitigen Zustand wurde eine LKW-Belastung als nicht zulässig erklärt. Es war also trotz aller Pflege und Erhaltungsmaß- nahmen ein Zustand eingetreten, der in absehbarer Zeit zur vollkommenen Sperre der Brücken geführt hätte. Dieser auf Korrosions- und Ermüdungserscheinungen zu- rückzuführende Vorgang war nicht aufzuhalten. Wenn auch jeder Vergleich hinkt, so sind doch unsere alten und müde gewordenen Stahlbrücken mit einem Kranken zu vergleichen. der umringt von Ärzten und Schwestern im Spital liegt und trotz bester Pflege und Behandlung an Altersschwäche stirbt. Nur eine umfassende Erneue- rung der wichtigsten Konstruktionsteile kann die drei großen Stahlbrücken vor dem gänzlichen Zusammen- bruch retten. WIEDERINSTANDSETZUNG DER STEYR-BRÜCKE BIS MÄRZ 1959. Diese Arbeiten wurden sofort in Auftr~g gegeben und hat die VOEST bereits mit der Reparatur der Brük- ken begonnen. Wenn nicht durch unvorhergesehene Ereignisse Verzögerungen eintreten, ist damit zu rech- nen, daß die SteyrbrUcke Ende März und die Ennsbrük- ke wenige Wochen später instandgesetzt sein werden und alle Verkehrsbeschränkungen bis zu einer Belastung von 14 t in Wegfall kommen. Ohne die diesmal so über- raschend notwendig gewordenen Einschränkungen für den Verkehr über die Brücken wäre auch eine Repara- tur zu einem früheren oder späteren Zeitpunkt nicht möglich gewesen. • Für den Fall jedoch, daß noch weitere Beschrän- kungen des Verkehrs notwendig sein sollten, wurden Behelfsmaßnahmen, wie Stlltzung der Neutorbrllcke, ·Errichtung einer PontonbrUcke durch das Bundesheer und dergleichen, vorbereitet und könnten diese im Be- darfsfall in kürzester Zeit durchgeführt werden, sodaß unter allen Umständen der Verkehr im bisherigen Um- fang aufrecht erhalten werden kann. NEUE BRÜCKEN IN ZWISCHENBRÜCKEN? Die Stadtverwaltung ist sich vollkommen im kla- ren, daß die nunmehrigen Reparaturarbeiten kein All- heilmittel sind. sondern daß, so wie nach der Repara- tur im Jahre 1954, nach einiger Zeit wieder neuerliche Instandsetzungsarbeiten notwendig sein werden. Es wur- de daher eingehend die Frage untersucht, neue Brücken in Zwischenbrücken zu errichten. Der finanzielle Auf- wand hiefUr wäre tragbar. Die Bauzeit allerdings be- trägt für StahlbrUcken mindestens 3/4Jahre. Es wäre auch nicht möglich, wie dies vielfach angeregt wird, die Brückenkonstruktion unter die Fahrbahn zu legen, denn die bisherige Konstruktionsunterkante muß zur ungehinderten Hochwasserabfuhr unverändert beibehal- ten werden. Rücksprachen mit der Wasserbauverwaltung ergaben, daß hier im Interesse der Allgemeinheit keine Konzessionen möglich sind. Es müßte daher wiederum auf die bisherige unschöne Konstruktionsweise zurllckge- 9

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