Amtsblatt der Stadt Steyr 1958/9

BÜRGERSPITAL Steyer gewest, wann er anzuzeigen weiß, daß er allda ein Kirchen über einem Wirtshaus gesehen•. Die zum Bürgerspital gehörigen Liegenschaften unterstanden der Stadtobrigkeit und wurden von einem Ratsmitglied ver- waltet. Im uralten Spitalgebäude, das im Laufe der Jahr- hunderte manch bauliche Veränderung erfuhr, bewun- dern wir noch heute in der Eingangshalle die romanisch gestalteten Marmorsäulen und ein spätgotisches Nürnber- ger Kruzifix, in der stimmungsvollen Kapelle ein Altar- blatt des berühmten Barockmalers Johann Martin Schmidt. Das Auftreten schwerer Infektionskrankheiten zwang zur Errichtung von Siechenhäusem. Ein solches Haus, das um 1380 schon zwn Bürgerspital gehörte, war auch das Bruderhaus in der Sierninger Straße (früher Siechengasse). Bedeutende Stiftungen und die Mithilfe des Kaisers Maximilian I. ermöglichten die Umgestal - tung desSiechenhauses in ein Versorgungsheim, das ein vom Magistrat bestellter Verwalter leitete und mit etwa 70 Bauerngütern und einigen Weingärten in Grinzing, Nußdorf und Mödling eine beachtenswerte Grundherr- schaft darstellte. In der Reformationszeit und später ge - hörte zum Bruderhaus, in dessen Nähe in den Pestjahren 1541/42 ein Friedhof angelegt worden war, auch der zur Unterstützung der Armen von den Protestanten ge- gründete •Gemeine Kasten• in der Berggasse (Haus Nr. 14). Größere Instandsetzungsarbeiten mußten am bau- fälligen Gebäude im Jahre 1680 durchgeführt werden. Ein Brand vernichtete 1749 den Turm und beschädigte die Kirche. Aus einem Sondersiechenhaus, das in der Zeit der Glaubensspaltung die Stadt gestiftet hatte, entstand als drittes Altersheim das • Äußere Herrenhaus" in Aichet. Benedikt Aettl, ein reicher Handelsherr, haupt- sächlich aber Ulrich Lichtenberger, der im Jahre 1569 einen Betrag von 4 000 Gulden stiftete, förderten groß - zügig diese Anstalt. Bei diesen Versorgungshäusern verblieb es bis ins 1 7. Jahrhundert. In der Zeit des Dreißigjährigen Krie- 15 AMTSBLATT DER STADT STEYR FOTO-FRÜHAUF ges waren sie ständig bis auf den letzten Platz belegt . Um 1679/80, als die Pest in Wien und anderen Orten furchtbar wütete, entschloß sich der Magistrat zum An - kauf des Plautzenhofes, der zu einem Lazarett umge- baut wurde. 1755 ließ dort der Stadtrichter Bernhard Großrucker die St. Anna- Kapelle errichten. Im Jahre 1683 erwarb die Stadtgemeinde noch das St. Joseph- Lazarett an der Steyr, das nach Hinweisen in den Ratsprotokollen schon früher einmal zur Unter - bringung armer Leute gedient haben mußte. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts änderte man die Organisation der Fürsorgeanstalten. Zwischen 1790 und 1800 wurden sie dem "Milden Versorgungsfonds• unter - steilt. Das Jahr 1848 brachte mit der Aufhebung der Grundherrschaften für Bürgerspital und Bruderhaus den Wegfall der Untertanenleistungen. Zwanzig Jahre spä- ter spendete die Direktorsgattin Elise Dukart dem •Mil- den Versorgungsfonds" zur Adaptierung des Bürgerspitals 20 000 Gulden. Diese Summe stellte man aber für den Bau eines neuen •Armenverpflegshauses" in der Sier- ninger Straße bereit, der 1882 in Angriff genommen wurde und auf 42 655 Gulden zu stehen kam. Im Anschluß an diesen Überblick sei noch erwähnt, daß neben denVersorgungshäuse~n schon 1412 eine Ver- einigw1g bestand', die ~icll notleidem.ler Wanderer und Pilger annahm, die Elendzeche. Sie bestand mit Unter - brechung bis zum Jahre 1668. Die von Haus zu Haus ziehenden Bettler kontrol- lierten die vom Rate bestellten "Bettlrichter". Die zum Betteln befugten Leute mußten sich mit einem "Bettel- zeichen• und einem •Almosenbrief• ausweisen können. Im 18. Jahrhundert regelten kaiserliche Patente die Bettlerfrage. Kaiser Josef II. suchte sie durch die Grün- dung des "Armen-Instituts", das 1784 auch in Steyr Eingang fand. zu lösen. Zusammenfassend muß festgestellt werden, _daß trotz vieler Mängel das einstige Fürsorgew~sen der Stadt Steyr eine für die damaligen Verhältnisse beachtliche Höhe erreichte. J. 0. 135

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2