Amtsblatt der Stadt Steyr 1958/2

Amtsblatt der Stadt Steyr FL!ichen im ungefähren Ausmaß von 385 ha zu einem großen modernen Wohn- und Industrieviertel ausgebaut, welches derzeit über 11 000 Steyrer Bürger beherbergt und im Wälzlagerwerk allein 2 000 Menschen einen Arbeitsplatz bietet. Diese Entwicklung war nur im Rahmen der Stadt Steyr möglich und würde eine Änderung der bestehenden Verhältnisse schwere wirtschaftliche, soziale und kom- munale Folgen haben, die mit der Forderung der Wie- dererrichtung der ursprünglichen Landesgrenze zwischen Ober- und Niederösterreich nicht mehr begründet wer- den können. Es erscheint auch widersinnig, wenn auf der einen Seite im Zeichen der Integration Europas versucht wird, die traditionellen Grenzen zwischen den einzelnen Na- tionalstaaten in Europa immer mehr zu beseitigen, wäh- rend auf der anderen Seite in ÖSterreich die Stadt Steyr in einen oberösterreichischen und einen niederösterrei- chischen Teil getrennt werden soll. Es steht d.iler für jeden Oberösterreicher fest, daß Münichholz zu Steyr gehört und daß das Gesetz des Oberösterreichischen Landtages vom 7. 7. 1948 über das Gemeindestatut der Stadt Steyr, in welchem Mtinich- holz zum Bezirk IX (Hinterberg) der Gemeinde Steyr erklärt wird, verfassungsrechtlich bestätigt werden muß. Die Stadtverwaltung Steyr hat daher mit Recht gegen jedes Vorhaben, den Stadtteil Milnichholz aus dem Verbande unserer Stadt zu lösen, entschieden Stel- lung genommen. In einer ausführlichen Denkschrift wurden die einzelnen Auswirkungen einer Lostrennung aufgezeigt: Es würde u. a. Münichholz den gut funktionieren - den Behördenapparat in Steyr verlieren. Für die Bevöl- kerung von Münichholz wäre die nächste zuständige Be- zirkshauptmannschaft in Amstetten (Reisepässe, Fürsor- ge und Gewerbeangelegenheiten u. ä. ), das nächste Kreisgericht sogar in St. Pölten. Münichholz besäße kei- ne eigenen Verwaltungsgebäude. Es würde eine unab- hängige Gas-, Wasser- und Elektrizitätsversorgung feh- len. Spitäler, Ambulatorien und sonstige soziale Ein- richtungen, wie höhere Schulen, Altersheime, Waisen- häuser, udgl. wären nicht vorhanden. Die Verkehrsver- bindung mit Steyr würde ausfallen, da die Stadtgemein- de im Falle einer Abtrennung kein Interesse haben wird, den derzeit mit Defizit arbeitenden Omnibusbetrieb wei- ter aufrecht zu erhalten. Als reine Wohnsiedlung wür- den Münichholz alle für ein geordnetes Gemeinwesen notwendigen Fachgeschäfte und Berufsgruppen, wie Ärz- te, Rechtsanwälte, Gewerbetreibende und Hand werksbe- triebe fehlen. Ein Friedhof und eine Leichenhalle wären nicht vorl\anden. Es besäße keinen seiner Größe entspre- chenden Bahnhof, sondern lediglich eine Haltestelle für den Personenverkehr. Aber auch für die Stadt Steyr würden °die Folgen einer Lostrennung schwer zu überwinden sein. Der Han- del und die Geschäftswelt der Stadt haben durch ent- 6 sprechende Investitionen dem Ansteigen der Bevölkerung in den letzten Jahrzehnten Rechnung getragen. Durch den Wegfall eines Drittels der Bewohner der Stadt wür- de das Wirtschaftsleben schwer geschädigt und eine wei- tere positive Entwicklung der Stadt auf lange Sicht ge- fährdet werden. Hiebei muß auch besonders darauf hingewiesen werden, daß alle staatlichen Einrichtungen, die in den übrigen Stadtteilen bestehen, so dimensioniert wurden, daß sie für die 11 000 Bewohner von Milnichholz mit ausreichen. Bei einer Lostrennung dieses Stadtteiles würden daher im alten Stadtgebiet übergroße kommu- nale Anlagen zurückbleiben, während in Münichholz die verschiedenen und kostspieligen Einrichtungen neu zu errichten wären. Dies gilt nicht nur für die Gemeindeverwaltung, wie z. B. für das Fürsorge- und Gesundheitsamt, den Wirtschaftshof. das Bauamt. das Zentralaltersheim udgl•• sondern auch für die sonstigen öffentlichen Ein- richtungen, so für das Bundespolizeikommissariat Steyr, das Finanzamt, die Gerichte, das Ambulatorium u. a. Fast noch bedrohlicher würden jedoch die Auswir- kungen auf die Industrie sein. Die wirtschaftliche Kraft der Steyr- Werke, die den lebenden Pulsschlag der Stadt bilden, hängt im wesentlichen von der Geschlossenheit der Werke ab. Das Wälzlagerwerk in Mtinichholz bil- det nut dem Hauptwerk eine betriebswirtschaftliche Einheit; die gemeinsame Versorgung mit elektrischer Energie, mit Wasser und Wärme, die gemeinsamen Transportmittel, die einheitlicheSozial- und Personal- politik, die gemeinsamen Kantinen, die Angestellten- und Arbeiterheime, die Werkswohnungen und Erholungs- einrichtungen schaffen einen untrennbaren Zusammen- hang, der keine Zerreißung der Werksanlagen in ein obcrösterreichisches und niederösterreichisches Werk zu- läßt. Es wäre undenkbar, daß in einem gemeinsamen Werk ein Teil der Arbeiter bei der N. ö. Gebietskran- kenkasse, der andere Teil bei der 0. ö. Gebietskran- kenkasse versichert sei, daß verschiedene Einigungsäm- ter und Ge werbeinspektorarte, verschiedene Gerichtsstä1r de. politische Behörden und Finanzämter zuständig sei- en. Allein die organisatorischen Fragen des Behörde1r verkehrs würden unübersehbare Hindernisse bilden, die einem weiteren Aushau der Steyr-Werke im Wege ste- hen würden. Auch in ethnologischer Hinsicht ist eine Abtren- nung Milnichholz" von Steyr nicht zu rechtfertigen; es steht eindeutig fest, daß die Besiedli.Ing und Erschlie- ßung dieses Stadtteiles nicht durch die umliegenden Landgemeinden Niederösterreichs sondern ausschließlich durch die Stadt Steyr erfolgte. Über die beruflichen Be- ziehungen hinaus bestehen unzählige familiäre Bindun- gen zwischen den alten Stadtteilen und Münichholz. Zum überwiegenden Teil haben ortsansässige Steyrer Familien ihren Wohnsitz in Münichholz aufgeschlagen, dessen Entwicklung daher nicht nur wirtschaftlich. son-

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